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Realitätsverlust: Die fabelhafte Welt des französischen Lebowski

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Narco (2004)
Mit: Guillaume Canet, Zabou Breitman, Benoit Poelvoodre und Jean-Claude Van Damme

Warum diesen Film auf DVD? Weil jeder von uns etwas für Loser übrig hat. Und von denen gibt es in "Narco" genügend.

Worum geht’s?
„Narco“ sei die Antwort auf „The Big Lebowski“ und „Das Leben der Amelie“, wird groß auf dem Cover der DVD angekündigt. Das ist ein wenig übertrieben. Auch wenn einige Parallelen zu erkennen sind, Gustave Klopp, die Hauptfigur in „Narco“, ist nicht Lebowski, und seine Welt ist (zum Glück) sehr viel düsterer als die der Amelie. Mit Bart, Zottelhaaren und treuherzig naivem Blick gibt sich Gustave, den alle Gus nennen, sofort als sympathischer Loser zu erkennen. Sein Status als Verlierer wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass er unter Narcolepsie leidet: In allen erdenklichen Situationen schläft er ein, während der Arbeit, beim Tanzen, in der Hochzeitsnacht. Das wird wunderbar mit einer kleinen Zeitreise erzählt, in der Gus als Punk, Gruftie und Yuppie auftritt und jedesmal wieder plötzlich umfällt und dann selig schlummernd auf dem Boden liegen bleibt. Wenn Gus schläft, träumt er sich in aufregende Parallelwelten, die weit weg von Reihenhaus und Gelegenheitsjobs liegen und in denen er der Held ist. Diese Traumsequenzen sind schöne kleine Ausflüge in die jüngere Filmgeschichte, von "Matrix" bis "Star Wars". Hauptsächlich bedient sich der Film amerikanischer Vorbilder und wirkt in seiner eigenen Ästhetik - einer Mischung aus Gangster-Film-Look, trister Vorstadtrealität und bunter Surrealität - auch selbst erstaunlich amerikanisch. Das Regie-Duo Tristan Aurouet und Gilles Lellouche muss ganz Frankreich abgesucht haben nach Schauplätzen, die möglichst an die USA erinnern. Das ist, auch wenn ein schöner Film dabei herausgekommen ist, ein bisschen schade, denn amerikanische Filme gibt es mehr als genug. Gus nimmt seine Träume als Vorlage, um Comics zu zeichnen, doch dummerweise ist er zu ungeschickt, diese richtig zu vermarkten. Was dann sein Therapeut für ihn übernimmt, allerdings ohne Gus vorher zu fragen, denn der liegt er nach einem eigenartigen Unfall im Koma. Es entspinnt sich ein aberwitziger Krimi, in den auch Gus Frau Paméla und sein bester Freund Lenny verwickelt sind und in dem ein skurriles Eislauf-Paar, das Auftragsmorde ausführt, eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Leider wendet sich der Film ab diesem Zeitpunkt zu sehr von seinem eigentlichen (Anti-)Helden Gustave und seiner Krankheit ab, die den Kern von „Narco“ ausmachen. Dafür wird man gegen Ende des Films mit einem Jean-Claude van Damme entschädigt, der halbgare, kitschige Motivationsfloskeln an Gus Freund Lenny, einen Möchtegern-Karate-Star, austeilt: „Du bist ein Star alle Menschen, die dich lieben“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bestes Bonusmaterial:
Das „Making of mit Interviews“ ist das einzig wirkliche Bonusmaterial. Man lernt darin die zwei jungen Regisseure kennen, die mit „Narco“ ihren ersten Spielfilm abgeliefert haben.

Schlechtestes Bonusmaterial:
Der Trailer. Wer den ganzen Spielfilm zu Hause hat, braucht den Trailer nicht mehr, weder vor noch nach dem Film.

Schönstes Standbild:
Wenn man die für einen französischen Film zunächst etwas befremdliche amerikanische Ästhetik akzeptiert hat, ist der Film voller schöner Bilder. Bei 0:55:22 zum Beispiel sieht man Paméla und Lenny durchs Fenster in einem Cafés sitzen, in bester American-Diner-Manier.

Wann ansehen: Wenn man Erholung braucht von all den hübschen und erfolgreichen Hochglanzmenschen, die einem sonst so oft im Fernsehen vorgesetzt werden.

Die DVD „Narco“ (Koch Media) ist ab sofort im Handel erhältlich.

[Bilder: Koch Media]

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