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Da lass dich nieder

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Der Bagger sollte jetzt besser keine Vollbremsung machen. Er fährt in einem ziemlich stattlichen Tempo über einen schmalen Kiesweg im Englischen Garten, auf der Gabelstaplergabel, die er statt einer Schaufel vorne dran hat, balanciert eine Parkbank. Aber er muss nicht bremsen. Er fährt planmäßig um die Kurve, drosselt das Tempo und setzt die Bank behutsam ab. Zwei Männer in Arbeitskleidung klettern herunter, ein paar Schraubenzieherhandgriffe später ist die Bank im Boden verankert. Sie sieht gut aus, wie sie da so glänzt mit ihrem frischen grünen Anstrich und ihrem Messingschild. Unserem Messingschild.



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jetzt.de hat dem Englischen Garten eine Parkbank gespendet. 200 Euro kostet so eine Bankpatenschaft, das Geld geht an die Verwaltung des Englischen Gartens und kommt der Pflege der Parkanlagen zugute. Für die Spende erhält man das Recht, auf der Bank ein Schild anzubringen.

Läuft man durch den Englischen Garten, sieht man ziemlich viele solche Schilder, es gibt kaum noch nackte Bänke. Die Widmungen darauf erinnern an Freundschaften, Hochzeitstage, Liebe und gebrochene Herzen, sie sind romantisch, kitschig, bisweilen auch poetisch, lustig oder kryptisch. Es gibt eine Bank „zum Ausrasten für Opa“, ein anderer Bankspender will mit der Aufschrift „Nur wenn man sich gut auseinandersetzt, kann man gut zusammensitzen“ offenbar eine bessere Park-Debattenkultur heraufbeschwören. Aufschriften wie „Bad Bank“ schaffen es sogar, dem Englischen Garten den Touch eines Archivs des jüngeren Zeitgeschehens zu geben.

Hinter jeder Widmung steckt eine Geschichte, eine Erinnerung an einen Menschen oder ein Ereignis. Die Schilder sind Spuren der Menschen im Englischen Garten und ihrer Erlebnisse. Menschen hinterlassen gerne Spuren. Im Schullandheim kritzeln sie mit einem Edding ihren Namen an die Wand neben dem Stockbett. Sie ritzen Herzen mit ihren Initialen in Bäume, tragen sich in den Bergen in Gipfelbücher ein. Sie wollen etwas hinterlassen, das bleibt, wenn sie selbst längst weg sind. Etwas, das ihre Geschichten festhält und den Ort auch für Unwissende mit Bedeutung auflädt.

Der Englische Garten ist voll von solchen bedeutungsschwangeren Orten, es gibt davon wohl noch viel mehr, als man auf Bänken festhalten könnte. „Der Englische Garten spielt im Leben der Münchner eine wichtige Rolle“, sagt Reinhard Barthelmes. Er arbeitet in der Verwaltung des Englischen Gartens und ist so etwas wie der Herr der Bänke. „Hier verlieben sie sich, erleben ihren ersten Kuss, rauchen ihre erste Zigarette.“

Barthelmes, 62, Cordhose, lilafarbener Pullover, sitzt in seinem Büro, es ist ein sonniger Tag im Herbst 2011. Er will mir heute zeigen, welche Parkbänke noch frei sind. Hinter seinem grauen Behördenschreibtisch steht ein Regal mit Ordnern, aber seine Bänke, die hat Barthelmes im Kopf. Viele seien ohnehin nicht mehr frei, sagt er. In den Maximiliansanlagen gebe es noch etwa 20 unbeschilderte Bänke, im Hofgarten zehn. „Der Englische Garten ist praktisch voll“, sagt er, während er aufsteht, seine Barbourjacke anzieht und zur Terrassentür geht.

Wir fahren mit dem Fahrrad durch den herbstsonnigen Park Richtung Norden, vorbei am Kleinhesseloher See. „Hier waren die Bänke am schnellsten weg“, sagt Barthelmes. Verständlich. Seeblick, Schwäne, viel Sonne, da lässt es sich aushalten. Vor vier Jahren hätten wir vielleicht noch eine Chance gehabt. Da sei der große Run auf die Bänke in etwa losgegangen. Früher habe er drei bis fünf Schilder im Jahr angebracht, sagt Barthelmes. In den letzten Jahren waren es über 400. Und ist eine Bank mal vergeben, bleibt das meist auch so. „Nur einmal hat jemand angerufen, der wollte, dass das Schild wieder abgeschraubt wird“, erzählt Barthelmes. Da hatte die Liebe, der die Bank gewidmet war, nicht gehalten.

Wir fahren weiter, über eine Brücke über den Isarring in den Nordteil des Parks. Wir biegen einmal links ab, kommen nach einer Weile zu einer kleinen Weggabelung. Dort steht eine einsame Bank. Die könnten wir haben.

Nun ja. Eigentlich hatte ich mir unseren Bankort ein bisschen lebendiger vorgestellt. Hier ist es ziemlich ruhig. Nach der Brücke sind wir nur einzelnen Spaziergängern mit ihren Hunden begegnet. Der Park ist nicht mehr so belebt, es fehlt das urbane Flair aus dem Südteil, wo man Frisbee-Spieler und Studenten sieht, die Mittagspause machen oder nach dem Seminar ein Bier auf der Wiese trinken wollen.

Die nächste unvergebene Bank liegt noch weiter nördlich. Man sitzt zwar gut, auch der Blick ist nicht schlecht, aber außer Natur gibt es wenig zu sehen – man ist weit abseits des lebendigen Treibens, das den Englischen Garten für mich ausmacht. Gibt es keine zentralere Bank?

Gibt es. Zwischen Monopteros und den LMU-Instituten an der Oettingen-straße, an einer Weggabelung neben einer kleinen Brücke steht eine schattige Bank unter Bäumen, wenige Meter davor plätschert ein Ausläufer des Eisbachs. Die Wege hier sind keine E-Garten-Hauptverkehrsadern, aber es kommen immer wieder Radler und Spaziergänger vorbei. Man hat genug Ruhe, um sich zu unterhalten oder Zeitung zu lesen, ist aber nicht weit von den lebendigsten Orten des Parks wie dem Eisbach, dem Chinesischen Turm und den Wiesen zwischen Monopteros und Uni. Eine gute jetzt.de-Bank, finden wir.


Fehlt nur noch der Spruch für das Schild. Darf man eigentlich alles schreiben? Ja, sagt Barthelmes und fügt grinsend hinzu: „Alles, was nicht den Ministerpräsidenten beleidigt.“ Auch bei der sonstigen Schildgestaltung ist der Spender frei. Oval, eckig rund, alles egal. Nur die Höhe ist festgelegt, weil die Latten der Bank nun mal eine Breite von sieben Zentimetern haben.

Es scheint ohnehin recht unbürokratisch zuzugehen bei Barthelmes und seinen Bänken. Man muss keine Anträge stellen oder Genehmigungen einholen, und Barthelmes führt keine langen Exceltabellen über die Bankbestände. Vielleicht liegt das an seinem Arbeitsplatz. Auf den kann man nämlich ziemlich neidisch sein. Die Verwaltung des Englischen Gartens ist in einem schmucken gelben Gebäude neben dem Chinesischen Turm untergebracht, einem Bauernhof, den früher die Soldaten bewirtschafteten, die den Englischen Garten angelegt haben. Im Innenhof plätschert ein Brunnen zwischen akkurat geschnittenen Sträuchern und Büschen, vor dem Haus steht eine kleine Bank. In den ehemaligen Ställen sind heute Schlosserei, Lackiererei und Schreinerei beheimatet.

Ein paar Monate später steht unsere Bank dort zwischen Werkzeugen, frisch gestrichen und beschildert. Wir haben auch schon eine Urkunde geschickt bekommen, mit einem Dank „im Namen des Freistaates Bayern“. Der Schreiner poliert noch einmal über die grüne Lehne. Draußen wartet schon der Bagger mit dem Gabelstapleraufsatz.

Wenige Minuten später steht die Bank am Fluss. Ich setze mich. Fühlt sich gut an.

Auf der nächsten Seite liest du, was auf und mit der Bank passieren wird.


Wir wollen oft auf unserer Bank sitzen - aber nicht alleine. Wir möchten hier Menschen treffen, ihnen Geschichten erzählen, ihre Geschichten hören und zusammen Geschichten erleben. Deshalb haben wir uns schon ein paar Sachen überlegt, die wir in Zukunft auf und mit unserer Bank anstellen werden. Wir werden sie alle auf der Webseite jetzt.de/bank festhalten.

Bankbilder: Setz dich auf die jetzt.de-Bank, mache ein Foto und schicke es an bank@jetzt.de. Wir werden es auf jetzt.de veröffentlichen.

Bankbuch: An der Bank wird demnächst ein Gästebuch liegen. Schreib uns, wo du gerade herkommst, wo du hinwillst und was du auf der jetzt.de-Bank erlebt hast. Auszüge aus dem Buch werden immer wieder auf jetzt.de und hier auf der jetzt München-Seite zu lesen sein.

Bankkonzerte: In Kooperation mit der Webseite classroomconcert.com (hier ein Interview dazu) werden wir einmal im Monat Musiker bitten, auf unserer Bank ein Lied zu spielen. Diese kleinen Unplugged-Konzerte werden gefilmt und sind auf jetzt.de anzuhören.

Bankgespräche: München ist spannend. Es passiert viel in unserer Stadt, und darüber wollen wir reden. Mit unseren Lesern und mit spannenden jungen Münchnern, die etwas zu sagen haben. Wir werden uns dazu auf die Bank setzen, ein paar Leute einladen und auch auf deinen Spontanbesuch warten. Jeder soll kommen, bleiben und gehen, wann und mit wem er will.

Bankeinweihung: Am kommenden Samstag, den 30. Juni, werden wir unsere Bank einweihen. Wir werden ab 18 Uhr mit ein paar gekühlten Getränken und etwas Musik dort sitzen und sehen, wer noch vorbeigeht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So geht's zur Parkbank: Von der Uni kommend hinter Monopteros und Fluss rechts abbiegen, an der zweiten Gabelung wieder rechts.

Text: christian-helten - Fotos: Juri Gottschall Illustration: Torben Schnieber

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