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Rechtsextreme „Feministinnen“ stören die Berlinale

Screenshot: twitter/120db

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Am Montag haben einige Frauen – sie würden sich selbst wohl als „Frauenschützerinnen“ bezeichnen – auf der Berlinale eine Diskussion zum Thema „Sexuelle Belästigung in der Filmbranche“ unterbrochen. Mit einem Plakat stürmten sie aufs Podium, darauf der Spruch: „Die Stimme der vergessenen Frauen #120db“.

Um diese 120 Dezibel dann auch zu erreichen, schalteten sie schließlich einen Taschenalarm ein. Den hätte es vermutlich aber gar nicht gebraucht: In einem Video von BuzzfeedNews hört man, wie die Frauen innerhalb weniger Augenblicke mit lautstarken „Haut ab!“- und „Nazis raus!“-Rufen von der Bühne vertrieben werden. 

Was ist das Problem an der 120db-Aktion?

„Warum so hart?“, fragt man sich da vielleicht. Vergessenen Frauen eine Stimme geben – das klingt doch erst mal ganz passend für eine „MeToo“-Debatte. Das Problem: Hinter der „feministischen“ 120db-Aktion steckt eine Kampagne der rechtsradikalen Identitären Bewegung.  

„120db“ steht dabei für die Lautstärkeangabe von handelsüblichen Taschenalarmen. Die werden von einigen Frauen im Notfall benutzt, um Passanten aufmerksam werden zu lassen und so Angreifer abzuwehren. Auf ihrer Webseite schreiben die Aktivisten: „Genau wie das Gerät wollen wir Alarm schlagen, und zwar vor einer verfehlten Politik!“ 

Denn unter dem Hashtag #120db sollen nun Frauen von ihren Erfahrungen mit männlicher Gewalt berichten – allerdings nur mit einer besonderen Form davon: „Migrantengewalt“, wie sie es nennen. Die Angst vor Gewalt gegen Frauen wird hier also genutzt, um gegen männliche Zuwanderer, besonders Geflüchtete, Stimmung zu machen.

Woher kommt die Kampagne? Und wie arbeitet sie?   

Die Kampagne wurde zu Beginn dieses Jahres offiziell als „Kollektiv von Frauen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum“ ins Leben gerufen – von einem Mann. Martin Sellner heißt er, kommt aus Wien und gilt als einer der führenden Akteure der Identitären Bewegung in Österreich. Sicherlich kein ganz dummer Kerl: Er studiert Philosophie und Rechtswissenschaften – und weiß offensichtlich, wie wichtig es ist, die Gefühle der Menschen anzusprechen, um ihnen die eigenen Überzeugungen näher zu bringen. 

Das sieht man auch am Kampagnenvideo der Initiative, das Sellner unter anderem auf Twitter teilte. Darin: Verschiedene Frauen, nahbar und emotional. Klaviermusik begleitet ihre Stimmen. Sie sprechen den Zuschauer oder noch besser, die Zuschauerin direkt an: Sie sagen „Ich bin Maria, Mia und Ebba!“ Damit erinnern sie an europäische Frauen, die von nicht europäischen Männern missbraucht oder getötet wurden. „Sie könnten ich sein, und ich könnte sie sein“, sagen die Frauen dann. 

 

„Die Täter lauern überall. (...) Wir sind nicht sicher, weil ihr uns nicht schützt. Weil ihr euch weigert, unsere Grenzen zu sichern. Weil ihr euch weigert, zu kontrollieren, wer hereinkommt“, sprechen die Frauen daraufhin die Regierenden an. Die Kampagne behauptet also, dass die Flüchtlingspolitik in den vergangenen Jahren „Gewalt importiert“ hätte.

 

Warum nutzt die Identitäre Bewegung feministische Motive?

 

Offenbar haben die Rechten beobachtet, wie emotional und hitzig die MeToo-Debatte geführt wird – und erkannt, dass die sexuelle Selbstbestimmung der Frau für viele Leute interessant ist. Diesen Schwung wollen sie nun offensichtlich auch für die eigene fremdenfeindliche Propaganda nutzen. Immerhin könnten sie so eine Gruppe für sich gewinnen, die sich dem rechten Spektrum bisher verhältnismäßig selten zugeordnet hatte: die Frauen.

Ist die „Migrantengewalt“ wirklich ein Ding?

 

Tatsächlich ist richtig, dass die Polizeikriminalstatistiken der vergangenen Jahre mit der Zuwanderung geflüchteter Männer mehr Straftaten verzeichnen als zuvor. Das bedeutet allerdings nicht, dass Männer aus anderen Ländern generell krimineller sind als Männer aus Deutschland. Sondern vor allem, dass es nun mehr junge Männer in der Bundesrepublik gibt. Und die sind statistisch gesehen häufiger kriminell als Alte und Frauen

 

Fakt ist außerdem, dass die wenigsten Übergriffe an irgendwelchen dunklen Bushaltestellen oder auf dem Heimweg aus der Innenstadt, wie es die Frauen im Video suggerieren, durch fremde Männer geschehen. Opfer und Täter kennen sich meistens gut, der Großteil der Übergriffe findet innerhalb der Familie und dem engen Bekanntenkreis statt. 

 

Was ebenfalls nicht für die Theorien der Initiative spricht: Die Kampagne will den Eindruck vermitteln, dass Männer aus Ländern außerhalb Europas vor allem durch Gewalt gegen Frauen auffielen. Unter allen Fällen, bei denen Zuwanderer als tatverdächtig galten, machten Fälle sexueller Nötigung und/oder Gewalt 2017 allerdings nur 1,7 Prozent aus. Insgesamt werden in Deutschland weit mehr Taten sexueller Gewalt gegen Frauen von Deutschen ausgeübt als von Zugewanderten. Stellt sich also noch ganz allgemein die Frage: Warum sollte man als Frau nur die Übergriffe durch Männer aus anderen Ländern sichtbar machen?   

 

Diese sind nur einige wenige Beispiele, die plausibel und ohne rassistische Schuldzuweisungen erklären können, wie es zum Anstieg der Straftaten in Deutschland durch Zuwanderung kommen kann. Die Aktivistinnen von 120db scheinen die Gründe allerdings nicht so genau untersuchen zu wollen. Zu praktisch ist wohl das Argument für die eigene fremdenfeindliche Botschaft. Das allerdings wollte zumindest auf der Berlinale zum Glück keiner so recht hören. 

 

lath

Und auch diese Frauen werben für rechte Überzeugungen: 

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