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Bildsprache von Wahlwerbespots
jetzt: Frau Holtz-Bacha, können Sie mir erklären, warum so viele Politiker in ihren Wahlspots joggen?
Christina Holtz-Bacha: Das hat mit der persönlichen Präsentation zu tun, Stichwort Personalisierung. Es geht dabei vor allem um Sympathie. Wenn Politiker einen Blick in ihren Alltag gewähren, wollen sie zeigen, dass sie dicht dran sind an der Bevölkerung. Das haben wir auch in der Fernsehwahlwerbung schon oft gesehen. Politiker zeigen sich gerne beim Wandern, beim Rudern, bei irgendeiner sportlichen Betätigung.
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Wobei es für ihre Politik doch irrelevant ist, ob sie nun gerne joggen oder lieber auf der Terrasse hocken.
Ja, aber es soll den Leuten vermitteln: Das sind sympathische Menschen wie du und ich, die werden sich schon um meine Probleme kümmern. In manchen Fällen sollen diese Werbungen einen Politiker auch erst mal bekannt machen. Ein Beispiel: Rudolf Scharping hat 1994 seine Mutter und seine Frau mit in seinen Fernsehspot genommen. Die redeten dann bei einer Tasse Kaffee im Garten über ihn. Das war urkomisch, obwohl die Werbung nicht auf Humor angelegt war. Der Hintergrund: Scharping kannte bundesweit kaum jemand, er forderte aber Helmut Kohl heraus, der zu der Zeit schon jahrelang im Amt war. Scharping musste also erst mal bekannt gemacht werden. Damals hat man geglaubt, das ginge über einen Personality-Spot. Hat nicht funktioniert, Kohl hat die Wahl gewonnen.
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Welche Reize muss ein Spot denn bedienen, damit er bei Usern und Zuschauern ankommt?
Als erstes braucht es Aufmerksamkeit. Und dann leben sie vor allem von den Bildern. Deshalb werden stets positive Motive gezeigt. Meist sind das schöne Landschaften, Monumente und Denkmäler, die wir mit Deutschland assoziieren. Das zielt auf Identifikation und Sympathie. Kinder müssen auch immer vorkommen. Sie sind die Zukunft und steigern die Sympathie bei den Zuschauern. Negativwerbung – also dass einzelne Parteien oder Politiker angegriffen werden, wie es in den USA häufig vorkommt – gibt es in Deutschland fast gar nicht.
Bei der AfD schon. Alice Weidel und Alexander Gauland machen in ihrem Wahlspot offen Stimmung gegen die Bundeskanzlerin.
Das ist ungewöhnlich, passt aber gut zu deren populistischen Strategien.
Ansonsten sind in den verschiedenen Spots arbeitende Menschen am Schreibtisch zu sehen, Familien in ihrem Garten, Hochhausfassaden und Getreidefelder. Was will uns diese Bildsprache sagen?
Arbeitende Menschen, da geht es um die Zusicherung, dass man sich um diese Menschen kümmert, um Arbeitsbedingungen, Versorgung, Renten. Rentner tauchen ja auch oft auf. Die Getreidefelder fallen unter die schönen Landschaften, Hochhäuser symbolisieren Moderne. Außerdem ist der Wohnungsbau ein großes Problem unserer Zeit, da steht ein Hochhaus auch für das Versprechen, sich um dieses Problem zu kümmern. Die Bilder sind jedenfalls wichtiger als der Text, egal ob im Netz oder im Fernsehen.
Welche Rolle spielt die Musik?
Die soll vor allem emotional ansprechen und unterstreichen, was in Bild und Text thematisiert wird.
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Im Wahlspot der CDU sind ein getragenes Klavier und Streicher zu hören. Bei der FDP ist es dagegen ein harter Beat.
Christian Lindner und die FDP machen ja ganz auf moderne Werbung. Das sieht man schon an den Plakaten, die kommen sehr jugendlich daher. Die FDP hat auch die Digitalisierung als eines ihrer Wahlkampfthemen gesetzt. Und sie setzt sehr auf die Person Lindner. Die Union und die SPD dagegen sind Volksparteien, die müssen die breite Bevölkerung ansprechen. Und das müssen sie seriös tun, sie müssen aufpassen, dass sie mit Bildern, Text und Musik niemanden verprellen. Da ist die Musik dann entsprechend getragener.
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Dürfen Volksparteien witzig sein?
Sie dürfen schon, aber Humor ist sehr, sehr schwierig. Diese Spots sind sehr kurz, man muss sie sofort verstehen können. Ironie und Doppeldeutigkeit sind dagegen nicht ohne weiteres verständlich. Also riskieren die großen Parteien das nicht. Angela Merkel hatte 2009 einen sehr guten Wahlspot, in dem ein paar kleine, ironische Einlassungen enthalten waren, unter anderem zu ihrer Frisur. Doch ansonsten: Wenn sich mal jemand mit Humor versucht hat, dann waren das die Grünen, als Joschka Fischer noch an der Spitze war. Die haben aber auch eine gut gebildete Wählerschaft, die damit umgehen kann.
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Wie haben sich Wahlwerbespots in den vergangenen Jahren verändert?
Wir erleben in viel stärkerem Umfang den Einsatz der sozialen Medien. Das Internet wird zwar schon lange im Wahlkampf eingesetzt, es ging vielfach aber nur darum, den Kandidaten modern zu zeigen. Das Potential, darüber mit der Wählerschaft ins Gespräch zu kommen, ist noch nicht ausgeschöpft, aber die Leute werden inzwischen sehr persönlich angesprochen. Neu ist, dass nicht mehr nur die Parteien, sondern einzelne Politiker ihre Videos verbreiten. Das ist erst durch die Digitalisierung möglich geworden. Traditionell hat es solche Spots nur im Fernsehen gegeben. Und dort haben einzelne Politiker keinen Zugang gehabt, denn die Sendezeit im Fernsehen wird an Parteien vergeben.
Inzwischen haben sogar verhältnismäßig unbekannte Wahlkreiskandidaten eigene Wahlwerbungen.
Das ging schon zur Bundestagswahl 2013 los. Da konnte man so manchen komischen Film sehen. Die Möglichkeiten für Wahlkreiskandidaten waren ja davor sehr beschränkt. Man denkt da zuerst an Plakate, sehr langweilige Plakate, auf denen immer nur die Gesichter zu sehen sind. Facebook gibt ihnen nun die Möglichkeit der Eigenwerbung.
Gerade bei kleinen Wahlkreisen fällt auf, dass diese Videos nicht immer vorteilhaft sind. Schlechte Keyboard-Sounds, komatös eingesprochene Texte. Ist das nur eine Geldfrage?
Das hat schon viel mit Geld zu tun. Beziehungsweise damit, dass man solche Videos sehr billig produzieren kann, quasi mit dem eigenen Handy. Das haben wir in der Vergangenheit aber auch schon bei Wahlwerbungen im Fernsehen gesehen. Bei öffentlich-rechtlichen Sendern bekommen ja alle zugelassenen Parteien Sendezeit. Da hat man bei Kleinparteien dann oft sehr laienhafte Filme zu sehen bekommen.
Welche Social-Media-Plattform ist für Parteien die wichtigste?
Das kann ich schwer sagen. Facebook ist sicherlich sehr wichtig. Twitter ist dagegen ein Kanal, mit dem vor allem Journalisten und andere Politiker angesprochen werden, weniger die breite Bevölkerung. Ein Vorteil, den solche Plattformen generell für Politiker haben: Sie erreichen die Leute direkt, ohne dass ihre Inhalte verändert werden. Bei traditionellen Medien findet ja immer eine journalistische Bearbeitung statt, die nicht unbedingt im Sinne der Politiker oder der Parteien ist. Das müssen Medien machen – aber es ist riskant für diejenigen, die etwas vermittelt haben wollen. Deshalb ist die AfD zum Beispiel auf Facebook sehr aktiv.
In der Regel dauern die Wahlwerbespots etwa eineinhalb Minuten. Wie bringt man in der Zeit sein Wahlprogramm unter?
Das geht nicht, dafür sind die Spots auch nicht gemacht. Für die etablierten Parteien ist das erste Ziel, die Bürger zur Wahl zu motivieren, also zu mobilisieren. Gerade in einer Zeit, in der die Wahlbeteiligung zurückgeht, ist das wichtig. Um die Leute aber dazu zu bringen, eine bestimmte Partei zu wählen, dafür reicht ein Wahlspot nicht aus. Das funktioniert nur im Konzert aller Wahlmittel. Die Mobilisierung ist dieses Jahr übrigens gerade für die Union wichtig. Seit Monaten erklären wir die Wahl für entschieden, das ist gefährlich.
Warum?
Wenn die Leute den Eindruck bekommen, die Wahl sei entscheiden, fragen sie sich: Wieso soll ich mich überhaupt noch zum Wahllokal bemühen?
Wenn Sie für Angela Merkel oder Martin Schulz einen Wahlspot konzipieren müssten: Wie sähe der aus?
Ich habe vorhin Merkels Spot von 2009 erwähnt. Den fand ich damals vorbildlich. Los ging es mit sehr emotionalen Bildern von der Wiedervereinigung, mit tanzenden Menschen auf der Mauer. Dann folgten Bilder von Merkels Vereidigung, danach erzählte sie, was sie in der Politik alles gelernt hat. Ich glaube, daran würde ich mich orientieren. Wobei es mir persönlich gut gefällt, wenn Spots mit ein bisschen Humor daherkommen. Aber das ist für die breite Wählerschaft nichts.