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Erster „Jugend-Check"-Bericht veröffentlicht

Foto: Timothy Choy / Unsplash

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Jugend ist Zukunft, junge Menschen begeistern – wenn deutsche Politiker über die Bevölkerung unter 30 sprechen, klingt es meistens so, als gäbe es für sie wenig Wichtigeres. De facto sieht es leider anders aus – die Unter-30-Jährigen stellen nur 16 Prozent der Wahlberechtigten, rein taktisch ergibt es also mehr Sinn, sein politisches Programm an älteren Generationen auszurichten. Noch dazu sind junge Menschen im Bundestag radikal unterrepräsentiert:  Das Durchschnittsalter der Abgeordneten liegt bei 49 Jahren. Für die Interessen junger Menschen ergibt sich so eine Leerstelle.

Um diese Leerstelle zu füllen, beschloss die Große Koalition 2013 die Einrichtung eines sogenannten Jugend-Checks: Jedes Vorhaben – auch ressortübergreifend bei nicht direkt jugendpolitischen Themen – sollte verpflichtend auf seine Auswirkungen auf Menschen zwischen 12 und 27 untersucht werden. „Wir werden gemeinsam mit den Jugendverbänden einen Jugend-Check entwickeln, um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation zu überprüfen“, hieß es damals im Koalitionsvertrag.

63 Vorhaben sind im vergangenen halben Jahr einem Check unterzogen worden

Der Check galt als größte jugendpolitische Maßnahme der damaligen Legislaturperiode, drohte aber in den folgenden Jahren mehrmals zu versanden. Nun, fünf Jahre nach dem Beschluss, hat das zuständige Kompetenzzentrum Jugend-Check einen ersten Bericht veröffentlicht und der Parlamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin, Caren Marks, übergeben. Sie sprach dabei von einem „Meilenstein“ und einem „historischen Tag“. Die Arbeit des Kompetenzteams habe „richtig eingeschlagen“. Nicht nur im Bund, auch in den Ländern, Kommunen und in der Zivilgesellschaft herrsche reges Interesse für die Jugend-Checks. 63 Vorhaben sind im vergangenen halben Jahr einem Check unterzogen worden, zum Beispiel eine Neuregelung des Familiennachzugs oder ein Fonds für digitale Infrastruktur.

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Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks (Mitte), Fachbeirat, Initiatoren und Jugendliche bei der Übergabe des ersten Berichts des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Foto: Quentin Lichtblau

Bei der Übergabe im Familienministerium sprachen die Initiatoren, der Fachbeirat, beteiligte Jugendliche. Die Redenden zeigten sich erleichtert, dass der erste Bericht vorliegt. „Es geht, it works, es funktioniert“, sagte Dr. Christian Lüders vom Deutschen Jugendinstitut, und zwar entgegen „der Bedenkträger und Nörgler“. Trotz der Feierlaune der Anwesenden klang mehrmals durch, dass der Jugend-Check eben nicht von allen als Meilenstein gesehen wird.

Ob er nämlich tatsächlich ein nützliches Instrument ist, wurde und wird von vielen bezweifelt. Die Grünen bezeichneten den Jugend-Check 2016 als „unausgereifte Luftnummer“ und „bürokratisches Monster“. Sie forderten direktere Maßnahmen, wie  beispielsweise die Herabsetzung des Wahlalters oder unmittelbarere Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche. Auch die ursprünglich geplante, gesetzlich verbindliche Verankerung der Jugend-Checks ist zumindest vorerst gescheitert. Dieses Scheitern bezeichnete der Lüders als „blaues Auge“, von dem man sich aber nicht entmutigen lassen werde. 

Aber tragen die Erkenntnisse aus den Checks tatsächlich zu einem besseren Verständnis der Probleme junger Menschen bei? Beim Durchlesen des Berichts erscheinen viele Erkenntnisse zwar gut gemeint, aber oft zu zaghaft formuliert und wenig bereichernd: So kommt das Expertenteam beispielsweise beim Thema Familiennachzug bei Geflüchteten zu dem Schluss, dass dieser „gerade für Minderjährige zum subjektiven Wohlbefinden“ beitragen könne, bei der digitalen Infrastruktur stellt der Jugend-Check fest, dass durch einen Breitbandausbau viele junge Menschen „zukünftig eine schnellere Internetverbindung“ erhalten werden.

Für die jungen Menschen selbst allerdings könnte das Werkzeug hilfreich sein: Auf der Jugend-Check-Website lässt sich jedes geprüfte Vorhaben auf seine Auswirkungen nachschlagen, sortiert nach Lebensbereich oder Altersgruppe. Die Frage „Was bedeutet das Gesetzesvorhaben xy für mich?“ lässt sich so sehr komfortabel beantworten. Zum Beispiel beim Entwurf zum Mietrechtanpassungsgesetz, welches die eher mäßig wirksame Mietpreisbremse unterstützen soll: Zunächst wird der Entwurf in verständlicher Sprache erklärt, dann auf seine Relevanz für junge Mieter abgeklopft. Fazit: Mögliche finanzielle Entlastung, mehr Rechte als Mieter durch gestärktes Rügerecht.

Für den Politikbetrieb selbst sind derlei unverbindliche Einschätzungen sicherlich ein erster Schritt.  Einem in den betreffenden Bereichen eher ahnungslosen Politiker 60+ am Ärmel zu zupfen und per Jugend-Check um Rücksichtnahme auf junge Menschen zu beten, ist ein Weg. Wenn die Interessen kommender Generationen aber tatsächlich in den politischen Prozess einfließen sollen, muss es auch jemanden geben, der sie offensiv durchsetzt – und wer könnte das besser als die jungen Menschen selbst.

qli

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