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Konrad Adenauer Stiftung befragt die Generation Erdoğan
Die Türkei ist ein junges Land, der Altersdurchschnitt dort liegt bei 30 Jahren (zum Vergleich: In Deutschland lag der Schnitt 2015 bei 44 Jahren). Nur: Man weiß nicht sehr viel über diese vielen jungen Leute, die die Zukunft ihres Landes mitbestimmen werden. "Alle sprechen über die Bedeutung der Jugend für die Entwicklung der Türkei", sagt Sven Irmer, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Türkei, zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Es fehlten bisher aber verlässlichen Daten dazu, was die türkische Jugend überhaupt denkt und will."
Diesem Wissensmangel hat die Stiftung jetzt zusammen mit der Gesellschaft für Konsumforschung eine aufwendige Studie entgegengesetzt (hier als PDF auf Englisch einsehbar): Mehr als einen Monat lang befragten sie 2.600 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 27 Jahren in der Türkei. Die Grundfragen: Was erhoffen sich junge Türken von ihrer Zukunft und der ihres Landes? Welche Wert sind ihnen wichtig, wovon träumen sie, wovor haben sie Angst? Was sind ihre Einstellungen zu den wichtigen politischen Fragen und Debatten in ihrem Land?
Die türkische Jugend ist apolitisch
Die zentrale Erkenntnis aus der Studie überrascht: Den jungen Türken sind die politischen und sozialen Entwicklungen in ihrem Land ziemlich egal. Nur sieben Prozent der Befragten sagten, dass sie dem politischen Geschehen in ihrem Land regelmäßig folgen. 29 Prozent versuchten laut den Antworten immerhin, einen Überblick zu behalten, aber 64 Prozent, also fast zwei Drittel, sagten, sie interessieren sich kaum dafür. Und das, obwohl die Umfrage in der Zeit kurz vor dem Referendum im April stattfand, als politisch einiges auf dem Spiel stand.
Woher kommt dieses Desinteresse? Irmer vermutet, junge Türken seien zu sehr damit beschäftigt, ihre persönliche Zukunft zu gestalten: "Auch Universitätsabsolventen oder junge Arbeitslose müssen hart um einen Job kämpfen, weshalb ihnen wenig Platz für andere Interessen bleibt."
Oberstes Ziel: "Sehr reich werden"
Für Irmers Theorie sprechen die Antworten auf die Frage nach ihrem wichtigsten Lebensziel: "Sehr reich werden" nannten da 39 Prozent der Befragten als erstes, danach folgten mit je 37 Prozent "heiraten", "die Welt bereisen" und "Kinder kriegen" – da scheint eine Generation heranzuwachsen, der es im Leben vor allem um materielle Werte und Familie geht.
Vor allem die Familie steht hoch im Kurs, das zeigt sich auch, wenn die jungen Türken nicht nach Zielen, sondern nach Werten gefragt werden. 68 Prozent sahen die Familie da an erster Stelle, auf den weiteren Plätzen folgen weit abgeschlagen Religion und Glaube (10 Prozent) sowie Geld (6 Prozent).
Schlechte Werte für Erdoğan, gute für Deutschland
Interessant ist auch, wem junge Türken vertrauen, beziehungsweise nicht vertrauen. Auffällig schlecht schneidet Präsident Erdoğan ab. Nur 44 Prozent der Befragten vertrauen dem Staatspräsidenten, er liegt damit hinter Wissenschaftlern (53 Prozent), der Armee (50 Prozent) und dem Parlament (47 Prozent).
Auf Länder bezogen erkennt man ein großes Misstrauen junger Türken. Die Teilnehmer der Studie bekamen eine Liste mit Ländern und sollten angeben, welchem sie am meisten und welchem am wenigsten vertrauen. Deutschland bekam unter den 14 abgefragten Staaten am meisten Zustimmung und am wenigsten Ablehnung.
che