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„Wir müssen den Reichen etwas wegnehmen“

Foto: privat

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Kevin Kühnert, 28, wurde zum neuen Bundesvorsitzenden der Jungsozialisten gewählt. Unter dem Motto „Jusos, hört die Signale!“ diskutiert er am Wochenende mit seinen Parteikolleginnen beim Bundeskongress über eine linke Erneuerung der angeschlagenen SPD - zu der er einiges zu sagen hat.

jetzt: Kevin, eine Vorgängerin von dir hat der SPD schon vor acht Jahren vorgeworfen, sie habe das linke Denken aus den Augen verloren. Ist das unter Martin Schulz auch noch der Fall?

Kevin Kühnert: Unter Leuten wie Schröder und Blair hat sich die Sozialdemokratie in ganz Europa auf einen neoliberalen Irrweg begeben. Der „Schulz-Effekt“ zu Beginn des Wahlkampfes hat gezeigt, dass eine Rückbesinnung auf unsere eigentlichen Themen bei den Menschen ankommt. Er hat dann aber leider nicht lange getragen, auch aus mangelnder Konsequenz.

In eurem Manifest zur Erneuerung der Partei schreibt ihr: "Der Neoliberalismus ist gescheitert." Muss sich die SPD rückbesinnen auf die Zeit davor? Oder soll etwas völlig Neues an die Stelle des neoliberalen Kurses treten?

Ich denke, es muss eine Mischung aus beidem sein. Die SPD hat immer dann Wahlen gewonnen, wenn zwei Dinge zusammengekommen sind: Fortschritt und Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist sozialdemokratisches Kernthema, Sozialstaat, Umverteilung, all diese Dinge sind essentiell. Wir können programmatisch aber auch nicht zurück in die Siebziger zu Willy Brandt reisen, das wäre zu billig. Bei Themen wie Zuwanderung, neuen Formen des Zusammenlebens oder der Digitalisierung müssen wir genauso mitreden. Da brauchen wir eine positive Vision und Sicht auf die Zukunft, die ist uns in den vergangenen Jahren verlorengegangen.

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Du meinst eine linke Zukunftsvision gegen die aktuell regierende Status-Quo-Verwaltung?

Ja, für mich sind Links und Rechts nach wie vor gut funktionierende Kategorien. Linke Politik ist darauf ausgerichtet, Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit herzustellen. Das sind für mich auch 2017 gute Leitideen für eine Politik, die linke Parteien von anderen unterscheidet.

„Ich bin erst zufrieden, wenn sich das Umdenken in der SPD auch in tatsächlicher Politik widerspiegelt“

Mehr linke Ideen zu wagen – unter Jusos ist das keine besonders neue Forderung. Im Kurs der SPD selbst seid ihr damit bisher nicht sonderlich weit durchgedrungen. Hört man nach dem schlechten Wahlausgang auch weiter oben in der Partei auf euch?

Seit dem 24. September sprechen überraschend viele in der Partei das aus, was wir in Grundzügen schon seit der Agenda-2010-Zeit kritisieren. Rein rhetorisch ist das natürlich zu begrüßen. Ich bin aber erst zufrieden, wenn sich das Umdenken in der SPD auch in tatsächlicher Politik widerspiegelt.

Du hast einmal gesagt, dass radikale Veränderungen in der SPD bisher nicht stattfänden, da viele Angst hätten, die Menschen damit zu verschrecken. Wen verschreckt man denn konkret damit?

Ich bin ja gegen diese Angst. Aber es ist eben so, dass sich mit dem SPD-Kurs der letzten 20 Jahre nicht nur traditionelle Wähler und Mitglieder abgewendet haben, sondern auch neue hinzugekommen sind. Wenn man in die Analysen der vergangenen Wahl schaut, stellt man fest, dass die SPD quer durch alle Schichten von etwa 20 Prozent gewählt wurde, egal ob alt oder jung, konservativ oder links, reich oder arm. Und das ist meiner Meinung nach eine besorgniserregende Bestandsaufnahme für eine Partei. Wir sollten Politik für diejenigen machen, für die wir uns traditionell einsetzen. Und das sind die Schwächeren in der Gesellschaft. Wenn das klappen soll, bedeutet das: Wir müssen wir den Reichen etwas wegnehmen.

Menschen wie Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn versuchen ja, genau diese Richtung einzuschlagen. Könnten sie Vorbilder für die SPD sein?

Deren Konzepte lassen sich natürlich nicht direkt auf Deutschland übertragen. Aber an beiden ist spannend, dass sie im Prinzip ja nichts revolutionär Neues erfunden haben. Ein gerechtes Gesundheitssystem, eine faire Besteuerung von Unternehmen – das sind klassisch sozialdemokratische Positionen, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Hintergrund gerückt wurden und vom politischen Gegner nun plötzlich als radikal gebrandmarkt werden. Diese Positionen wünschen sich die Menschen zurück – und ich auch.

„Eine große Koalition schadet der Demokratie“

In den vergangenen Jahren hat die SPD aber mit dem politischen Gegner regiert – wären eure Erneuerungs-Ideen in einer weiteren großen Koalition auch nur ansatzweise umsetzbar?

Nein, auf gar keinen Fall. Wenn es jemals Gemeinsamkeiten gab, sind die aufgebraucht. Deswegen machen wir bereits seit 2013 gegen die große Koalition mobil. Wenn bei den Menschen das Gefühl aufkommt, dass sie mit CDU oder SPD eigentlich die gleiche Soße mit ein bisschen mehr Rot oder Schwarz zur Auswahl haben, dann gehen sie eben gar nicht erst zur Wahl. Wir sagen deswegen: Eine große Koalition schadet der Demokratie. Und der SPD.

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