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Dieser Mann hilft Deutschen beim „Aussiedeln“

Foto: privat

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Der „große Austausch“ ist eines DER Schlagworte rechtsextremer Bewegungen. Dahinter steht die absurde Vorstellung, die deutsche „Stammbevölkerung“ solle durch den Zuzug von Migranten ausgetauscht werden. Im „Büro für Aussiedlungsberatung“ des Leipziger Studenten Fabian Lehmann wird diese Parole wahr – nur eben ein kleines bisschen anders.  Am Mittwoch feierte Fabian die Eröffnung seines satirischen Büros, mit Bratwurst, Bier und Couscous. Uns hat der 29-Jährige erzählt, was das soll und was die Nachbarn von der AfD davon halten.

jetzt: Fabian, wofür braucht Deutschland, oder genauer Gera, ein „Büro für Aussiedlungsberatung“?

Fabian Lehmann: Es ist ja so, dass es vielen Leuten in Deutschland mittlerweile nicht mehr so gut gefällt. Das zeigen die hohen Wahlergebnisse der AfD und die zahlreichen Protestwähler. Viele haben hier in Deutschland offenbar Probleme – sei es mit der Politik oder dem schlechten Wetter oder weil sie eine Identitätskrise haben. Diesen unzufriedenen Leuten bieten wir im „Büro für Aussiedlungsberatung“ eine kostenlose Beratung für ihre Auswanderung an.

Das Büro befindet sich gleich neben dem Wahlkreisbüro des AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner.

Genau. Das passt insofern ganz gut, weil die AfD ja auch auf eine sehr populistische Art und Weise immer wieder die Probleme im Land anspricht. Sie bietet allerdings nur irgendwelche Pseudo-Lösungen an, die wir für nicht tragbar, sondern für vollkommen inkompetent und dilettantisch halten. Wir bieten Lösungen mit Perspektive!

Aber diese Leute wollen doch eigentlich viel eher, dass andere aus Deutschland wieder aussiedeln?

Das ist dann aber nicht unser Themengebiet. Bei uns geht es um Leute, die freiwillig aussiedeln möchten. Wir wollen diesen Leuten eine neue deutsche Heimat im Ausland bieten – quasi unter Palmen.

Und wie sieht die Beratung dann aus?

Zunächst erfassen wir über einen Fragebogen die Probleme der Person in Deutschland. Dann gucken wir, ob diese Person vielleicht Probleme mit einer längeren Schlauchbootfahrt hätte, und sorgen dafür, dass wir einen geeigneten Fluchtweg organisieren können. Aktuell haben wir Syrien, Namibia und Eritrea im Programm. Wir denken, dass gerade in Syrien und Eritrea aufgrund der weltpolitischen Lage jetzt wieder Chancen entstanden sind: Es sind viele Leute nach Europa geflüchtet, das heißt in diesen Ländern ist jetzt enorm viel Platz und es fehlt an Fachkräften.

Verstehe. Sehen das auch andere so? Wie sind die Reaktionen auf dein Büro?

Zur feierlichen Eröffnung des Büros kamen zahlreiche Menschen, die ihr Interesse bekundet haben. Jetzt, wo das Büro für die Beratungsgespräche geöffnet ist, erwarten wir natürlich, dass viele Leute dieses Angebot wahrnehmen. Immerhin steigt die Unzufriedenheit ja beinahe täglich.

„Ich hatte Gespräche mit den Nachbarn von der AfD, die nicht ganz einschätzen konnten, auf welcher Seite ich stehe“

Im Ernst: Hast du nicht Angst davor, dass es Menschen gibt, die die Ironie deines Projektes nicht ganz so lustig finden? Gab es bereits Stress?

Stress gab es noch nicht. Ich hatte aber einige Gespräche mit den Nachbarn von der AfD, die nicht so ganz einschätzen konnten, auf welcher „Seite“ ich nun stehe. Aber das ist eigentlich auch das Schöne und das was ich mit dem Projekt erreichen will: dass es eben nicht so eindeutig lesbar ist, sondern auf diese provokante Art Gedankengänge anregt.

Das heißt, die AfD-Mitglieder sind auf dich zugekommen?

Zum einen das, zum anderen habe auch ich das Gespräch gesucht, zum Beispiel mit Herrn Laudenbach. Der war Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl hier in Gera und wäre beinahe der erste AfD-Oberbürgermeister Deutschlands geworden. Aber die AfD hat natürlich eine andere Vorstellung davon, wie man mit der Unzufriedenheit in Deutschland umgehen sollte. In der Problemanalyse und in der Arbeit mit den Unzufriedenen sind wir uns relativ einig, der Lösungsansatz ist jedoch ein völlig anderer.

Glaubst du, dass durch diese Aktion tatsächlich Menschen umdenken, die Flüchtlinge und Migranten bislang als Bedrohung wahrnehmen?

Ich kann natürlich nicht abschätzen, was dann wirklich in den Köpfen der Leute abgeht. Aber es würde mich natürlich freuen, wenn Leute anders über Heimat, Aussiedlungsfragen oder Migrationsbewegungen nachdenken, wenn man das so provokativ in den Raum stellt.

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