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Studierende protestieren gegen Konferenz zum Thema Kopftuch

Auch vor der Konferenz am Mittwoch kam es zu Protesten.
Foto: dpa

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Alice Schwarzer, die Journalistin Khola Maryam Hübsch, die Soziologin Necla Kelek – bei einer Konferenz an der Goethe-Universität in Frankfurt sprechen diesen Mittwoch prominente Frauen. Der Titel der Veranstaltung: „Das islamische Kopftuch. Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ Kein einfaches Thema, und vor allem auch eines, das polarisiert. Wie sehr, das ist in den vergangenen Wochen deutlich geworden. Studierende werfen der Organisatorin „antimuslimischen Rassismus“ vor, es kursiert der Hashtag #schroeter_raus. Schröter, das ist die Professorin Susanne Schröter, Ethnologin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums „Globaler Islam“ an der Goethe-Universität. Sie habe nicht erwartet, dass das Thema so hohe Wellen schlagen könnte, sagt sie einen Tag vor der Konferenz gegenüber jetzt. „Eher habe ich mich gefragt, ob überhaupt jemand kommt.“ Weit gefehlt: Die Anmeldungen übersteigen die Kapazitäten der Uni bei Weitem, die Beiträge werden im Livestream übertragen.   

Denn schon im Vorfeld der Konferenz wurde heftig diskutiert: Eine kleine Gruppe von etwa zehn Studierenden vor allem aus Frankfurt kritisiert die Auswahl der Rednerinnen und Redner und den ihrer Ansicht nach „reißerischen“ Titel der Konferenz. Auf Instagram forderten sie über ihren Account „Schröter raus“ deshalb den Rücktritt der Organisatorin. Innerhalb kurzer Zeit hatte dieser knapp 500 Follower, doch er zog auch massive Kritik auf sich – und wurde so oft gemeldet, dass er gesperrt wurde. Unter einem neuen Account mit den Namen „Wir bleiben laut“ machen die Studierenden ihrem Ärger aber weiter Luft. Ihnen ist vor allem die Auswahl der Gäste ein Dorn im Auge. Alice Schwarzer ist als Kritikerin des Kopftuchs bekannt, ebenso wie die Soziologin Necla Kelek, die bei der Konferenz über die von ihr vertretene Forderung nach einem Kopftuchverbot für Kinder spricht. Als prominente Befürworterin des Kopftuchs steht dafür die Publizistin Khola Maryam Hübsch auf der Bühne. Zu wenig, finden die Protestierenden.

Der Protest ist anonym – das stößt vielen auf

„Schwarzer und Kelek bekommen auch von rechts viel Applaus. Wir wollen nicht hinnehmen, dass sie in einem universitären Rahmen sprechen. Das schafft eine Form der Legitimation ihrer Thesen“, so Zuher Jazmati, Aktivist und Sprecher der Gruppe, gegenüber jetzt. Die Studierenden kritisieren auch, dass Frauen ohne Kopftuch über Frauen sprechen, die ein Kopftuch tragen. Der 29-jährige Zuher lebt in Marburg. Er ist der Einzige, der im Rahmen des Protests seinen Namen nennt und sein Gesicht zeigt. Der Rest der Protestierenden will aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben – eine Tatsache, die ihnen sowohl von der Goethe-Universität, die sich hinter Schröter stellt, als auch vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) vorgeworfen wurde.

„Welche Konsequenzen soll es denn geben, wenn man eine Debatte führt? Da fliegt keiner raus, da werden keine schlechten Noten verteilt“, sagt auch Susanne Schröter. Sie wünsche sich einen fairen Diskurs. „Natürlich muss man nicht einer Meinung sein. Aber die Forderung, dass ich entlassen werde, geht wirklich zu weit. Ich bin online heftig angegangen worden und hatte damit nicht gerechnet.“ Zuher meint: Die Gruppe habe den Dialog mit Susanne Schröter oder dem Asta „aus Zeitgründen“ bisher nicht gesucht. Dass sie mit ihren Rücktrittsforderungen vielleicht doch ein bisschen zu weit gegangen sind, haben sie offenbar dann aber doch eingesehen: Unter dem Hashtag #schroeter_raus finden sich heute noch 18 Beiträge, die Gruppe hat ihre Forderungen gemäßigt. „Wir kritisieren nicht an sich, dass es eine Konferenz zum Thema Kopftuch gibt“, sagt Zuher. „Wir können Kritik am Kopftuch ertragen. Und wir finden, dass an einer Uni durchaus diskutiert werden kann.“ Doch unter der Voraussetzung, dass mindestens die Hälfte der eingeladenen Gäste dem Kopftuch nicht per se kritisch gegenüberstehen.

Die Debatte wird weitergehen

Tatsächlich werden manche Thesen Keleks von AfD-Politikern auf Facebook geteilt und beklatscht. Dennoch findet Schröter: Die Auswahl ihrer Gäste ist in Ordnung. „Es stimmt, dass bei der Konferenz die kritische Perspektive überwiegt. Das liegt aber auch daran, dass wir hier in Frankfurt in den vergangenen Monaten zwei Konferenzen zum Thema Kopftuch hatten, bei der keine einzige kritische Stimme zu hören war.“ Im November vergangenen Jahres ging es bei der Tagung „Stigma Kopftuch. Rassistische Diskurse über Musliminnen und den Hidschab“ vor allem um genderspezifische Diskriminierung und die daraus resultierenden Konsequenzen für Musliminnen. Außerdem gab es eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“, die derzeit im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu sehen ist und die von Frauenrechtlerinnen kritisiert wird.

Den Begriff des antimuslimischen Rassismus hält Schröter insgesamt für problematisch. „Nicht, weil es keinen Rassismus gegenüber Muslimen gibt. Sondern weil der Begriff verwendet wird als Kampfbegriff von Politikern wie zum Beispiel Recep Tayyip Erdoğan. Und zwar in einer unguten Weise, der Meinungsfreiheit torpediert.“ Sie sagt: Man sollte trennen zwischen Menschenfeindlichkeit gegenüber Muslimen und antimuslimischem Rassismus. Ihre private Meinung zum Thema Kopftuch ist dabei eindeutig: „Ich habe persönlich nichts gegen Frauen, die ein Kopftuch tragen. Jede Frau hat das Recht, das zu tragen, was sie möchte.“ Doch sie betont auch: „Ich unterscheide zwischen dem Systemkopftuch, das repressiv ist und Frauen dazu zwingt, das Kopftuch zu tragen. Und zwischen dem Kopftuch, das eine Frau aus freien Stücken trägt.“

Die Protestgruppe plant, die Diskussion nicht nach dem Ende der Veranstaltung wieder abflauen zu lassen. „Wir wollen uns demnächst auch mit dem Asta zum Thema austauschen“, sagt Zuher. Das wäre sicher auch im Sinne von Susanne Schröter. Denn sie sagt: „Man kann über alles reden.“

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