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Wer Macht will, muss schön sein

Fotos: dpa; Collage: Janina Schmidt

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Ein Forschungsteam der Universität Düsseldorf hat herausgefunden, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Attraktivität und dem Wahlerfolg von Politikern gibt. Das heißt: Je schöner ein Politiker ist, desto eher wird er gewählt. Dieser Zusammenhang lässt sich Ulrich Rosar zufolge, der die Untersuchung leitete, sowohl mit Blick auf die Erst- und Zweitstimmen, als auch auf die Wahlbeteiligung insgesamt nachweisen. Er spricht zudem von einer „tendenziellen Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten beobachten lässt.“

Untersucht wurden alle männlichen und weiblichen Spitzen- und Wahlkreiskandidaten der Bundestagswahl 2017. Jeweils zwölf Studenten und zwölf Studentinnen im Alter zwischen 18 und 26 Jahren beurteilten, wie attraktiv oder unattraktiv ein Politiker ist. Insgesamt 1786 Porträtfotos wurden von ihnen anhand einer Skala von 0 (unattraktiv) bis 6 (attraktiv) bewertet. Um den Einfluss der Attraktivität zu ermitteln wurden statistische Verfahren genutzt, die beispielsweise das Alter oder das Geschlecht der Kandidaten berücksichtigten. 

Unter den Spitzenkandidaten ist Christian Lindner demnach der attraktivste Mann. Dazu äußern wollte er sich auf Anfrage jedoch nicht. Mit 3,43 von 6 möglichen Punkten landet er allerdings bundesweit nur auf Platz 30. Mit 4,88 Punkten ist Jan Ralf Nolte von der AfD Schönheits-Spitzenreiter.  Nolte, 29, hat jedoch nicht den Eindruck, dass sein Erscheinungsbild von Bedeutung ist: „Natürlich hat auch das Aussehen seinen Anteil daran, wie man einen Menschen einschätzt. In der Politik geht es aber um Inhalte. Äußerlichkeiten werden kaum thematisiert.“ In seiner Arbeit beeinflusse ihn die in der Studie beschriebene Entwicklung überhaupt nicht. Politik mache er mit Argumenten und nicht mit seinem Aussehen.

Die attraktivste Politikerin auf Bundesebene ist mit 5,33 Punkten die 19-jährige Celine Erlenhofer von der Partei Die Linke. Anders als Nolte, schreibt sie dem Erscheinungsbild eines Politikers große Bedeutung zu – insbesondere einer Politikerin: „Frauen werden immer wieder auf ihr Aussehen reduziert, bei Männern passiert das eher nicht.“ Im gewissen Maße beeinflusse sie das auch in ihrer Arbeit: „Man denkt vor einem Termin darüber nach, was ziehe ich an, was wirkt richtig, womit setzte ich keine falschen Zeichen und womit sorge ich dafür, dass die Leute mich ernst nehmen.“ Es sei frustrierend, wenn Inhalte deshalb eine untergeordnete Rolle spielen. „Bei mir persönlich war allerdings eher das Problem, dass ich so jung bin. Die Leute haben mich zunächst aufgrund meines Alters und nicht aufgrund meines Aussehens nicht ernst genommen.

Nun kann man es als durchaus beunruhigend empfinden, dass bei Wahlen die Attraktivität von Politikern wichtiger ist, als ihre Kompetenzen in Sachfragen. Den stärksten Einfluss auf das Wahlergebnis habe der Studie der Universität Düsseldorf zufolge aber noch immer die Parteizugehörigkeit eines Kandidaten, gefolgt von der Bekanntheit der Person. Die Attraktivität landet auf Platz drei der wichtigsten Faktoren.

Der Forschungsgruppe geht es laut Ulrich Rosar in ihrer Untersuchung allerdings nicht darum, ein weiteres „Hot-or-Not-Ranking“ für Politiker zu erstellen, sondern darum, auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen und die Wähler zu sensibilisieren: „Wenn politische Inhalte stärker zählen sollen als sachfremde Faktoren, dann müsste bei den Kandidaten und Wählern das Bewusstsein für diese subtilen Einflüsse des Aussehens verstärkt werden“, sagt Rosar.

 

Als Gründe für die zunehmende Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes der Politiker führt Rosar eine immer komplexer werdende Welt an: Der Wähler sei heutzutage mit einem umfassenden Informationsangebot konfrontiert, sodass er in seiner Überforderung – bewusst oder unbewusst – auf „rollenferne Eigenschaften“ wie Attraktivität oder Sympathie zurückgreife. Ein anderer Mechanismus sei die immer schwächer werdende Parteibindung. Große gesellschaftliche Konfliktlinien, wie beispielsweise die zwischen Arbeitern und Kapitalbesitzern, haben heute eine geringere Bedeutung. „Wahlentscheidungen werden häufiger kurzfristig getroffen, bei gleichzeitiger Zunahme der Wechselbereitschaft der Wählerinnen und Wähler“, sagt Rosar.

 

 

Im Frühjahr soll der ausführliche Beitrag des Forschungsteams um Prof. Dr. Rosar unter dem Titel „Schöner wählen: Der Einfluss der physischen Attraktivität des politischen Personals bei der Bundestagswahl 2017“ im VS Verlag erscheinen.

 

 

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