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"Ohne Kernenergie wäre es eine bessere Welt"

Foto: Raphael Kögel

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Raphael Kögel, 22 Jahre alt, ist müde. Der Student hat die ganze Nacht mit seiner Greenpeace-Gruppe Mahnwache am Tübinger Holzmarkt gehalten. Gegen Atomkraftwerke und Kernenergie. Gegen aktive Meiler wie den französischen in Fessenheim, 150 Kilometer von Tübingen entfernt. Dieser "Schrottmeiler" stellt eine direkte Bedrohung dar. 2014 musste er nach einem Notfall heruntergefahren werden. Der französische Betreiber vertuschte das Problem jedoch. Die Bedrohung ist für Raphael also, 30 Jahre nach Tschernobyl, ganz real. 

jetzt: Hallo Raphael, wie läuft die Mahnwache?

Raphael Kögel: Gut. Wir sind seit gestern 16 Uhr vor Ort. 30 Stunden am Stück. Für 30 Jahre Katastrophe von Tschernobyl. Denn die Katastrophe dort dauert ja an. Und hört nie mehr auf. Jetzt gehe ich aber gleich ins Bett.

Deutschland steigt bis 2022 aus der Kernenergie aus und schaltet seine Meiler ab. Also läuft es doch hier in die richtige Richtung.

Grundsätzlich ist jedes Atomkraftwerk auf der ganzen Welt gefährlich. Und durch alte Technik oder marode Bauten gibt es einige besonders gefährliche, auch in unserer Nähe. Zum Beispiel Fessenheim oder die im letzten Jahr mehrmals gestörten belgischen Atomkraftwerke. Deshalb fordern wir: sofortige Stilllegung dieser besonders gefährlichen Meiler. Zweitens: keine weiteren Laufzeitverlängerungen. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke wurden ja immer wieder verlängert. Und drittens: erst recht keinen Neubau von Atomkraftwerken, weltweit. 

Braucht´s denn einen Jahrestag für solch einen Protest?

Tschernobyl ist jetzt 30 Jahre her, also kann sogar dieser GAU langsam in Vergessenheit geraten. Und es gibt akute Themen wie zum Beispiel die sogenannte „Flüchtlingskrise". Aber selbst wenn in Deutschland der Atomausstieg vereinbart ist, gehen die Gefahren der Atomkraft uns weiterhin alle an. Jeden Menschen auf der Erde. 

Werden eure Forderungen denn gehört?

Wegen des vereinbarten Atomausstiegs haben hier viele, Bürger wie Politiker, das Thema für sich abgehakt. Aber dass wir in die richtige Richtung gehen, bringt uns ja nichts, wenn in Tschechien oder Frankreich etwas passiert. Ein GAU dort beträfe uns eben so wie ein innerdeutscher. Deshalb sollten deutsche Politiker auf EU-Ebene auf eine Atomkraftfreie Welt hinwirken.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In Deutschland konzentrieren sich die Proteste in den vergangenen Jahren auf die Endlager und Castor-Transporte.

Ja, das ist eines der großen ungelösten Probleme der Atomkraft. Und vor allem eines, für das keine guten, sondern nur schlechte und weniger schlechte Lösungen gefunden wurden. Wir reden hier von unvorstellbar langen Zeiträumen, vielen zehntausenden von Jahren, die man den radioaktiven Abfall sichern muss. Mit dieser Aufgabe belasten wir kommende Generationen. Ich finde: Wo der Atommüll am wenigsten unsicher lagert, da soll er hin. 

 

Warum halten viele Länder noch an Atomkraft fest?

In der Bevölkerung spielt die Befürchtung, der Strom könne knapp werden oder müsse von ausländischen Atomkraftwerken importiert werden müssen, immer noch eine Rolle. Ob die zutrifft oder nicht, will ich nicht beurteilen. Aber die Energiekonzerne, die noch möglichst lange Geld mit ihren Kraftwerken verdienen wollen, nutzen diese Angst. Und haben sicherlich große Macht. 

 

Wo soll der Strom denn herkommen?

Als erstes könnte man viel mehr einsparen, energieeffizienter bauen und leben. Und zweitens regenerative Energien besser nutzen. Solarenergie und Windkraft sind, bei allen Problemen, bereits die zwei Hauptquellen für Erneuerbare Energien in Deutschland. Dazu noch Wasserkraft und Bioenergie aus Abfällen und Reststoffen. Die extrem schädlichen Braun- und Steinkohle müssen dafür natürlich raus aus dem Energie-Mix.

 

Der Staat soll aber wegen des Atomausstiegs Milliarden Euro Ausgleich an die Konzerne zahlen. 

Das könnte man auch genau andersrum sehen! Die Konzerne versuchen sich momentan vor der Verantwortung zu drücken, indem sie die nicht mehr zukunftsträchtigen Energiesektoren – also zum Beispiel auch Kohle – in eigene Tochterfirmen auslagern, die dann Pleite gehen und vom Staat gerettet werden müssen. Das ist das eigentlich verantwortungslose Vorgehen. 

 

Letzte Frage, bevor du ins Bett gehst: Wenn du einen Knopf hättest, mit dem du alle Atomkraftwerke der Welt ausschalten könntest – würdest du ihn drücken?

Ja. Die Umstellung wäre groß. Aber ohne Atomkraft wäre es eine bessere Welt. 

 

 

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