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„Notfalls gehen wir bis zum Bundesgerichtshof“

Foto: Michael Ohms

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Nathan Mattes ist Software-Entwickler und betreibt seit 2016 die Seite www.wir-sind-afd.de, auf der er problematische Zitate von AfD-Mitgliedern sammelt. Die AfD hat ihn wegen der verwechslungsanfälligen Domainauswahl und seiner vermeintlichen „Schmähkritik“ auf der Homepage („Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir sitzen unter anderem im Deutschen Bundestag“) abgemahnt und, als Nathan dem nicht nachkam, verklagt. Seitdem gehen die Besucherzahlen durch die Decke.

Im Rechtstreit hat Mattes Beistand von vielen Seiten bekommen. Einerseits von Anwälten, die das bisherige Urteil kritisch sehen (es gibt der AfD recht, dass Nathan seine Seite aufgeben muss, weil sie die Namensrechte der Partei verletzt). Andererseits von Spendern, die per Crowdfunding die Prozesskosten von 9400 Euro aufbringen wollten. Da die Spendensumme aber schon nach wenigen Tagen weit darüber lag, steckten sich Nathan und seine Unterstützer eine neue Marke von 20.000 Euro, um das Urteil eventuell sogar juristisch anfechten zu können. Mit rund 55.000 Euro ist dieses Ziel nun mehr als erreicht, die Berufung beschlossen – und Nathan will im Zweifel bis zur höchsten Instanz gehen.

jetzt: Nathan, hättest du jemals mit so viel Unterstützung gerechnet?

Nathan: Überhaupt nicht! Bei den 9400 Euro am Anfang dachte mir ja schon: „Wow, das ist ja echt ne große Summe“. Jetzt ist das Sechsfache zusammengekommen. Mit dieser riesigen Solidarität habe ich überhaupt nicht gerechnet.

War es von Anfang an klar, dass du tatsächlich in Berufung gehen würdest, falls das dafür nötige Geld zusammenkommt?

So klar war das eigentlich nicht. Die Entscheidung, es tatsächlich zu machen, wurde mir vor allem dadurch erleichtert, dass wir uns mit den über 50.000 Euro rein finanziell überhaupt keine Sorgen mehr machen müssen. Außerdem haben sich mittlerweile wirklich viele, auch externe Anwälte das Urteil angeschaut und es als ziemlich flach und anfechtungswürdig bewertet. Das hat mich natürlich bestärkt, auch wenn ich mir vor der Entscheidung noch ein paar Tage Bedenkzeit gegeben habe.

Warum bist du anwalts- und crowdfundingtechnisch eigentlich so gut vernetzt?

Ich war bis vor einem Jahr überhaupt nicht vernetzt. Ich habe einfach nur ein bisschen getwittert und bin so auf die Anwältin Miriam Vollmer gestoßen, die sich die Abmahnung der AfD netterweise mal angeschaut hat. Ich kannte mich da überhaupt nicht aus, ich konnte ja erst mal kaum fassen, dass diese Abmahnung überhaupt echt ist!

Warum?

Die Abmahnung kam nicht einmal in Form eines Briefes, sondern per E-Mail. Mein erster Reflex war absolute Ungläubigkeit. Und als ich dann verstanden habe, dass es ernst gemeint ist, ging das in ein Ohnmachtsgefühl über. Mit der Unterstützung von außen folgte dann wiederum Trotz, so ein „Dann wollen wir mal sehen, wie weit die mit so einer dämlichen Abmahnung kommen“-Gefühl. Und jetzt, mit dem Geld im Rücken, schauen wir mal, was passiert. Einen echten Masterplan haben wir nicht. Ein Teil der Spenden soll aber auch an Organisationen wie „Sea Watch“ gehen.

Klingt so, als wärst du mittlerweile maximal entspannt?

Bin ich. Warum auch nicht? Wir können uns das jetzt leisten, notfalls gehen wir bis zum Bundesgerichtshof. Wir tänzeln wie ein Boxer im Ring.

„Ich will da auf keinen Fall mehr Zugeständnisse machen als nötig“ 

Noch einmal zum Inhalt des Prozesses: Die AfD spricht von einer „Zuordnungsverwirrung“, man könne die Domain www.wir-sind-afd.de mit einer echten AfD-Website verwechseln. Bestreitest du das überhaupt?

Wenn man einem unbedarften Bürger auf der Straße diese Domain zeigt, könnte er das schon für eine AfD-Seite halten. Andererseits ist die Domain ja schon rein grammatikalisch eine Katastrophe. Und spätestens beim Inhalt der Seite wird einem ja sofort klar, dass es sich nicht um eine AfD-Seite handelt. Seiten wie der Bild-kritische Bildblog spielen ja auch ein bisschen mit einer potenziellen Verwechslungsgefahr und es ist trotzdem legitim. Aus welchen Gründen sich die Besucher tatsächlich auf meine Seite verirren, kann ich natürlich nicht nachvollziehen. Die Klage der AfD hat der Seite aber ordentlich Aufwind gegeben, so viel ist sicher.

Wie geht es mit der Seite weiter, falls die AfD weiterhin recht bekommen sollte?

Dann ziehen wir eben auf eine andere Domain um und machen einen etwas objektiveren Einordnungstext. Ich will da auf keinen Fall mehr Zugeständnisse machen als nötig oder mich in irgendeiner Form in meinem Engagement einschüchtern lassen. Ich bin der Meinung, dass eine Partei so etwas aushalten können muss.

Was genau?

Die AfD redet immer davon, dass sie sich mehr inhaltliche Auseinandersetzung wünscht. Dabei macht sie das selbst nicht: Sie könnte inhaltlich auf die von mir veröffentlichten Zitate eingehen, in eine Diskussion einsteigen. Stattdessen holt sie den Knüppel raus und verklagt mich wegen der Domain. Meiner Meinung nach ist das einfach nur feige.

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