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"Vergiss, dass du ein Leben hattest"

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Wer ein Festival organisieren will, sollte sich damit anfreunden, auf manches zu verzichten und bestimmte Dinge zu akzeptieren:

1. Komm mit Leuten klar, die du nicht magst.

Wenn du ein Festival planst und die Zeit rennt, ist es egal, ob du die Person, mit der du eine Bühne baust, gestern in flagranti mit deinem Freund erwischt hast. Du bist jetzt eh mit dem Festival verheiratet, verbringst die meiste Zeit auf dem Gelände, irgendwann resignierst du, nimmst deinen Schlafsack mit und bleibst ganz dort. Dein Festival schaut dir verliebt in die Augen und sagt: „Jetzt haben wir schon so viel Zeit zusammen verbracht, sollen wir nicht zusammen ziehen?“ Und du weißt aus Erfahrung: Es wird Stress geben. Und Streit. Und zerbrochene Schnapsgläser. Aber du nickst, denn ihr liebt euch ja. Und irgendwie ist so eine Fünfziger-WG ja auch romantisch. 

2. Akzeptiere die Gegebenheiten

Ja, wir feiern in einer Hauptschule. Aber: Es sind keine Lehrer da, und die Literaturdozenten stehen hinter der Bar. Es ist die Chance, all unsere Träume und Traumata aus Schulzeiten neu zu definieren. Hurra, hurra, die Schule brennt, und wir haben sie angezündet. Wir beschmieren Tische und Wände, das heißt jetzt Kunst und nicht mehr Vandalismus. Wir tauschen Schulbank gegen Europaletten. In dieser Schule wird getrunken, gefeiert und gevögelt werden. Und deswegen ist es egal, dass es eine Schule ist.

3. Werde größenwahnsinnig

Du hast noch nie ein Festival organisiert? Egal. Nimm dir trotzdem vor, das größte, exzentrischste, spannendste Event zu organisieren, das die Welt je gesehen hat. Sei völlig überzeugt, dass Woodstock neben eurem Festival verblassen wird.  Du hast noch nie eine Bar gezimmert? Scheißegal, es gibt für alles ein Youtube-Tutorial. Größenwahn schafft Großartigkeit. Uns haben vier vorangegangene Prosanovas gelehrt: Wir können es. Auch wenn wir eigentlich nicht wissen, wie. 

4. Vergiss, dass du ein Leben hattest

Ausschweifung fordert Selbstdisziplin. Vergiss, dass du mal Freunde hattest. Oder Uni. Oder eine Beziehung. Oder eine Oma im Pflegeheim. Dein Leben gehört nun nur noch dem Festival. Es geht nicht mehr um ausgewogene Ernährung oder soziales Leben. Es geht darum, Jungautoren so sehr abzufüllen, dass man ihnen die Haare beim Kotzen halten wird. Es geht um Feuilletonisten, die anfangen, den DJ anzugraben. Es geht darum, alles vergessen zu machen und Unvergesslichkeit zu schaffen. Du bist nicht mehr Leonie. Oder Paul. Du bist das Festival.

5. Lerne, ohne Schlaf auszukommen

Das gilt nicht nur für Organisatoren, sondern auch Besucher von Festivals. Unendlicher Spaß, keine Zeit für Lappalien wie Schlaf. Wer eine Pause möchte, muss mit verachtenden Blicken klar kommen. Die einzig akzeptierte Pause ist Umkippen vor Erschöpfung oder Zusammenbrechen unter Bücherkisten. Es gibt Bars aufzubauen, Liegeinseln zu installieren, es gibt Red Bull und es gibt keine Entschuldigungen, denn das Festival verleiht Flügel.

http://www.youtube.com/watch?v=MOt8g_eiSDM

Prosanova ist das größte Festival für junge Literatur in Deutschland. Organisiert und kuratiert wird das Festival von der Redaktion der Literaturzeitschrift BELLA triste und mehr als 60 Studierenden aus den Kreatives Schreiben- und Kulturwissenschaftsstudiengängen der Universität Hildesheim. Sie wollen Literatur entstauben und zeigen, dass Buch und Exzess kein Widerspruch sein muss. Sie wollen von Prosa zu Party stolpern – vom 29. Mai bis 1. Juni in Hildesheim. Mehr Infos zum Festival findest du auf prosanova.net. Wenn Larissa von Rönne kein Festival aufbaut, bloggt sie auch hier.




Text: ronja-vonrönne - Foto: Prosanova

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