Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Rebel with a Bauch

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Der sehr dicke und sehr lustige Schauspieler ist mindestens seit „Dick und Doof“ Bestandteil jeder ordentlichen amerikanischen Komödie. Und seitdem die von Judd Apatow produzierten Buddy-Komödien zum Nonplusultra des Genres gezählt werden, ist der dicke Lustige sogar in der Lage, am Ende des Films die heiße Blonde mit nach Hause zu nehmen. Seth Rogen hat mit seinem Moppel-Charme das Supermodel Katherine Heigl erst geschwängert und dann für sich gewonnen und in „Superbad“ konnte der wirklich ziemlich fette Jonah Hill sogar die tolle Emma Stone von seinen Qualitäten überzeugen.

Allein diese Entwicklung ist schon zu begrüßen in einer Welt, in der Dünnsein an sich ein Wert zu sein scheint. Nur ist es dann ein bisschen zu oft passiert, dass der zottelige Kiffer mit Schmerbauch aufgrund seiner undefinierbaren Nettigkeit die tollste Frau des Schulhofs abkriegt. Aber man muss geduldig sein und auch die kleinen Fortschritte wahrnehmen und preisen.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und es scheint, als hätte sich ja wirklich etwas getan zu haben in der Filmbranche. Vor allem seit dem Überraschungserfolg von „Braidsmaid“ (bei uns: „Brautalarm“) im letzten Jahr: Zunächst einmal ist die Angst vor der Frau beinahe weg oder zumindest nicht mehr ganz so groß. Galt es doch bis dahin als ausgemacht, dass ein Film ohne männlichen Hauptdarsteller garantiert floppt, weil die Menschen, die noch ins Kino gehen, angeblich nahezu ausschließlich männliche Teenager und weibliche Mittfünfzigerinnen sind. Und beiden Gruppierungen wird unterstellt, dass sie nun mal am allerliebsten muskulösen Männern dabei zuschauen, wie sie entweder die Welt oder die Dame in Not retten. Keinen der beiden Plots hatte „Bridesmaids“ zu bieten, dafür eine ganze Reihe unfassbar lustiger Frauen und ein Drehbuch, in dem es um eine absolut glaubhafte Frauenfreundschaft ging. Der Film wurde ein Erfolg. Und dann haben die Karrieren der beteiligten Frauen auch so richtig abgehoben. 

 

Besonders schön anzusehen ist das gerade bei Rebel Wilson, die in „Bridesmaids“ nur eine kleine Nebenrolle als Schwester des Mitbewohners hatte, es aber trotzdem schaffte, in ihren wenigen Szenen alle Beteiligten an die Wand zu spielen. Dabei wollte sie ursprünglich eigentlich ins ernste Fach. Doch schon bei der ersten Aufführung ihres Schultheaters erlebte sie die Schmach, dass das Publikum zu lachen anfing, sobald sie die Bühne betrat. Also machte sie aus der Not eine Tugend und begann, als Stand-Up-Comedian zu arbeiten. Der Berufswunsch war ihren Eltern ein bisschen suspekt, aber die sind von Beruf professionelle Hundeshow-Teilnehmer – und hatten nach Rebels Aussage in Wahrheit vor allem Sorge darum, dass ihre Dynastie aussterben könnte.

 

Rebel Wilson ist nach Hollywood-Standard eigentlich untragbar – sie ist laut, sehr dick, immer ein bisschen vulgär angezogen und hat einen australischen Akzent, dass es einem die Schuhe auszieht. Und trotzdem hat sie schon eine Woche nach dem Filmstart von „Bridesmaids“ die Verträge für fünf weitere Filme unterschrieben: Bei den nächsten großen Frauen-Comedy-Festspielen – dem Film „Bachelorette“, der gerade in Amerika angelaufen ist, spielt sie eine Braut, der von ihren drei Brautjungfern im „Hangover“-Stil übel mitgespielt wird. In „

Pitch Perfect“, einer lustigeren Filmversion der Serie „Glee”, wo Jungs gegen Mädchen im Acapella-Gesang antreten, spielt sie „Fat Amy”, Fat deshalb, weil sich Amy den gemeinen Spitznamen lieber selbst gibt, bevor es die dünnen Kühe hinter ihrem Rücken tun. Und in einer von Regisseur Michael Bay gefilmten True-Crime-Story aus dem Bodybuilder-Milieu namens „Pain And Gain” hat sie ebenfalls eine Rolle übernommen. Außerdem spielt sie die Hauptrolle in einer TV-Serie, in der drei Nerd-Mädchen sich vornehmen, jeden Freitag Abend die beste Nacht ihres Lebens zu verbringen. Produziert und geschrieben wird die Serie vom Late-Night-Host und ehemaligen „Simpsons”-Drehbuchschreiber Conan O’Brian.

 

Es läuft also wirklich, wirklich gut für Rebel. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sie eine der wenigen weiblichen Schauspielerinnen ist, die „physical comedy” beherrschen, was man im Deutschen nur unzulänglich mit „Körperkomik” übersetzen kann und eigentlich heißt: sie ist sich nicht zu fein, auf einer Bananenschale auszurutschen oder ihre Speckrollen wabbeln zu lassen, wenn es denn der Komik dient. Und dass ihr Körper ein wichtiges Kapital ist, hat sie schon bald nach ihrer Ankunft in Amerika gemerkt: Eigentlich wollte sie endlich ein bisschen abnehmen und hatte schon den Vertrag mit einer Fitness-Kette unterschrieben, für deren Abnehm-Programm sie auch werben sollte. Doch dann kam die Ansage ihrer Agentur: Die Pfunde müssen bleiben. Wenigstens fürs erste.

 

Es kann natürlich sein, dass sich Rebel Wilson als Hollywoods Schoßhündchen der Stunde erweisen wird, so ähnlich wie Gabourey Sidibe zwei Jahre vor ihr, die nach ihrem Riesenerfolg als übergewichtige, schwarze, HIV-infizierte, von ihrem Vater und ihrer Mutter sexuell missbrauchte Analphabetin in „Precious” trotz eines in sie vernarrten Publikums nur noch eher unbedeutetende Rollen bekam. Aber irgendwie ahnt man, dass man sich um die Zukunft Rebels keine besonders große Sorgen machen muss. Wer so heißt (und das tut sie tatsächlich, genauso wie ihre Geschwister Liberty, Ryot und Annachy), und erste Misserfolge ganz einfach in Erfolge umdeuten kann, der hat das Zeug dazu, sich durchzubeißen in Hollywood.

 

Text: christina-waechter

  • teilen
  • schließen