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19 Jahre alt und Parteichef: Hat Bilawal sein Todesurteil angenommen?

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Vielleicht liegt Bilawal irgendwann Ende dieser Woche in Oxford auf seinem Bett in seiner Studentenwohnung und starrt an die Decke - noch mit einem Jetlag vom Rückflug aus Pakistan und aus Dubai versehen. Er hat noch die Bilder von den Trauerfeiern zu Ehren seiner Mutter im Kopf, er hört vielleicht beständig sein Handy vibrieren und via Facebook trommelt eine neue Botschaft nach der anderen auf den Computermonitor. Vielleicht reibt sich Bilawal dann mit den Händen über sein Gesicht und schüttelt den Kopf und flüstert zu sich: "Meine Güte, was soll das werden?" Er hat am Sonntag eine Art Todesurteil angenommen. Bilawal Bhutto Zardari ist gerade 19 Jahre alt und nun Vorsitzender der Pakistanischen Volkspartei, PPP.

Bilawal gestern bei einer Trauerfeier zu Ehren seiner Mutter in Dubai. Den Posten übte bis vergangenen Donnerstag Bilawals Mutter Benazir Bhutto aus. Sie ist nun eine Märtyrerin in Pakistan, weil sie mit ihrem sturen Kampf für Demokratie den machthabenden Militärs die Stirn bot. Zweimal war sie schon Ministerpräsidentin in Pakistan, mehrere Male war sie im Exil, kehrte aber im Herbst 2007 wieder zurück. Sie wurde umjubelt, weil sie Stimmung für die Kandidaten der Oppositionspartei PPP machte. Bilawals Großvater gründete Ende der 60er die PPP. Einer der Leitsprüche der Partei lautete: „Unsere Religion heißt Islam, unsere politische Ordnung heißt Demokratie, unser Wirtschaftssystem heißt Sozialismus". Ein Spruch, mit dem Bilawals Großvater der erste frei gewählte Ministerpräsident von Pakistan wurde. Ein Spruch, den lange nicht jeder in Pakistan gut fand. Sieben Jahre führte Bilawals Großvater das Land, ehe er vom Militär gestürzt und schließlich hingerichtet wurde. Er war der erste Märtyrer in der Familiengeschichte der Bhuttos. Die Bhuttos, Bilawals Familie. Sie werden gerne als Dynastie bezeichnet, sie sind Großgrundbesitzer, sie sind politisch, sie sind aber auch korrupt. Immer wieder gab es Verfahren gegen Bilawals Vater, den Mann von Benazir Bhutto. Von Mord war die Rede und von Betrug, er verbrachte acht Jahre im Gefängnis. Aber auch von anderen Familienmitgliedern bekam Bilawal wenig mit. Ein Onkel wurde tot in seiner Wohnung in Frankreich aufgefunden, der andere wurde von der Polizei in Karatschi erschossen. „Die Regierung ist schuld!“ klagte Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto beide Male und sah ihre Familie verfolgt. Doch beweisen ließ sich nichts. Ein Bhutto lebt gefährlich, ein Bhutto stirbt jung, heißt es in Pakistan.

Bilawal als Junge neben seiner Mutter und seinen Schwestern. Jetzt kommt Bilawal Bhutto. Die erste Pressekonferenz in Pakistan betrat er mit einem großen Portrait seiner Mutter. „Meine Mutter sagte immer", gab er zu Protokoll: "Demokratie ist die beste Art, Rache zu üben.“ Eine Mitarbeiterin Benazir Bhuttos sagte, dass Bilawal eigentlich gar keine Lust darauf habe, auf die politische Bühne in Pakistan zu treten. Politisch auffällig ist er sowieso noch nicht geworden. Er hielt sich im Hintergrund, lebte mit seiner Mutter im Exil, besuchte eine feine Schule in Dubai und wechselte für sein Geschichtsstudium an das Oxforder Christ Church College. Interviews mit ihm? Gibt es fast nicht. Eines aus dem Jahr 2004 ist mit ein bisschen Googelei zu finden und wird auch schon tapfer von allen Nachrichtenagenturen zitiert. Darin gesteht Bilawal, damals 16 Jahre alt, dass er nicht wisse, ob er später in die Politik gehe. Er sagt, dass sich das nach dem Ende seines Studiums weisen werde. Seit Sonntag ist er drin, Entscheidung abgenommen. Und er hat schon die ersten Fans. Auf Facebook gibt es bereits mehrere Gruppen zu seinen Ehren. Die eine schreibt im Titel: „Lasst uns Bilawal bitte nicht umbringen – weil er so sexy ist, okay?“ und hat gerade 129 Mitglieder. Auf Bilawals eigenes Facebook-Profil kann man gerade nicht mehr zugreifen (Anm. d. Red.: am 4. Januar stellte sich heraus, dass dieses Profil sehr wahrscheinlich gefälscht ist. Siehe dazu auch die Kommentare zu diesem Text). Angeblich gesteht er aber dort seine Leidenschaft für die Simpsons, Quentin Tarantino und Michael Moore. Und bei den Hobbys notiert er Schwimmen, Squash, Schießen und Cricket.

Bilawal neben seinem Vater und mit dem Bild seiner Mutter bei seinem ersten Auftritt vor der Presse in Pakistan. Bilawal Bhutto ist Parteivorstand, er ist aber vor allem noch Student. Und wird das noch ein bißchen bleiben: Bis zum Ende seines Studium übt sein Vater den PPP-Chefposten aus. Ein bißchen Schonfrist also noch, ehe Bilawal nach Pakistan zieht, um dort in Gefahr zu leben. Vielleicht, nur eine Vorstellung, vielleicht liegt Bilawal am Ende dieser Woche auf seinem Bett in Oxford und denkt an den Satz, den seine Mutter einst sagte: „Nicht ich habe mir dieses Leben ausgesucht. Es wählte mich aus.“

Text: peter-wagner - Fotos: rtr, afp

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