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2012 ist das neue 2011

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1. Nena ist die neue Heidi Klum
Jede Zeit hat ihre Castingshow-Innovation. In immer neuen Abwandlungen wird der oder die beste Sänger/in, das schönste Mädchen oder der talentierteste Pupser gesucht. Diese Tatsache bringt allerdings mit sich, dass auch immer neue Jury-Mitglieder rekrutiert werden, die dem Zuschauer meistens noch viel mehr auf die Nerven gehen als jedes dahin staksende Blondchen es jemals fertig brächte. Der schlimmste dieser Jurymenschen war bislang Heidi Klum. Jetzt aber gibt es Nena. Sie flirtet scheußlich mit Kandidaten und zwängt dem Zuschauer ihre 80er-Rocker-Lederjacken-Prolligkeit auf, dass er sich wünscht, sie wäre damals mit ihren Luftballons einfach in den Himmel entschwebt. Seit The Voice of Germany zum Fünf-Millionen-Quotenerfolg wurde, streckt sie einem aber leider von jeder zweiten Bild-Titelseite und diversen Plakaten ihre Victory-Finger entgegen. 

2. Pinterest ist das neue Tumblr
Netzphänomene unterscheiden sich an zwei Punkten von analogen Hypes: Ihre Halbwertszeit ist extrem kurz. Das neue Web-Ding gilt manchen schon dann als überaltet, wenn andere es auch nutzen. Zum zweiten ersetzen sich die Hypes im Netz nicht zwangsläufig. Auf Pinterest trifft beides zu: Es gilt gerade als das große Ding im Netz. Tumblr wird dadurch allerdings nicht verlieren – höchstens seinen Status als das nächste große Ding.

3. Wulff ist der neue Guttenberg
Doppel Konsonanten bestimmen die Politik. Aber ff und tt verbindet noch mehr. Der Begriff ist wohl "Krisenmanagement".



4. Elektro ist der neue R'n'B
Wer auf die Frage "Was hörst'n du so?" im letzten Jahrzehnt mit "R'n'B" geantwortet hat, riskierte, von seinem Gegenüber ab sofort nicht mehr ernst genommen zu werden. Der kleinste gemeinsame Nenner des Zeitgeists war: R'n'B ist kein Musikgeschmack, R'n'B ist eine Diagnose. Das dokumentierte sich in so illustren StudiVZ-Gruppen wie "R'n'B lässt sich nicht schönsaufen" oder "Wenn mein Kind R'n'B hört, kommt es ins Heim". Das StudiVZ ist inzwischen schwer egal - und es gibt einen neuen verbotenen Musikgeschmack: Elektro. Vermutlich, weil der gemeine Auf-die-Fresse-Elektrotrack genauso wenig subtil ist wie das Geschmachte eines R. Kelly. Und weil das derbe Mts-Mts-Mts so sehr zur Konsens-Abgehmucke wurde, dass es längst über die Floors der Großraumdisse von Oer-Erkenschwick schallt. Und der R'n'B? Gilt plötzlich nicht mehr als billig produzierter, seelenloser Fummelsound, sondern ist in Gestalt von The Weeknd, Drake und Frank Ocean zurück und wieder cool. Obwohl's immer noch wie R. Kelly klingt.

5. Günther Jauch ist der neue Kerner
Der Talkmaster gibt es ja bekanntlich sehr viele in diesem Land. Unter den Beckmanns und Plasbergs stach aber lange Zeit einer besonders heraus: Johannes B. Kerner. Er gab den verständnisvollen Frager, dessen Einfühlungsvermögen aus dem Fernseher quoll wie der Weichkäse aus einem Ofen-Cambenbert. Dann wechselte er zu Sat 1 und riss eine Lücke in den öffentlich-rechtlichen Fernsehabend der deutschen Schwiegermütter. Zwar gab sich Markus Lanz alle Mühe, diese Lücke zu füllen. Wer der wahre neue Wohlfühltalkmaster ist, wissen wir erst, seit Günther Jauch mit seinem naiven Dackelblick und noch naiveren Streichelfragen Deutschlands Politiker empfängt.

6. Cake Pops sind die neuen Cupcakes
Sie schmecken süß, sind ebenso süß anzuschauen und kommen praktischerweise in mundgerechten Portionen am Stil daher: Cake Pops. Die Basisversion des aufgespießten Naschhypes ist eine kleine, glasierte Kuchenkugel aus einem Rührteig-Frischkäse-Gemisch. Aufgemotzt wurden Cake Pops aber auch schon als Kussmund, Fußball oder Garfield am Stil gesichtet. Nachdem das letzte Trendgebäck Cupcake es nicht geschafft hat, den Muffin aus den Coffeeshop-Vitrinen zu verdrängen, darf das nun sicher bald der Cake Pop versuchen. Weil man sich beim Naschen keine klebrigen Finger holt, passt er perfekt in die To-Go-Kultur – ohne in seiner herzallerliebsten Niedlichkeit danach auszusehen.

7. Pittsburgh ist das neue Portland
Munkeln zumindest verschiedene US-amerikanische Medien und Internetforen. Portland mitsamt seiner hübschen Landschaftskulisse habe sich als Magnet für Indiemenschen, Hipster und sonstige Kreativlinge abgenutzt. Die Mieten würden immer teurer und überhaupt: Irgendwie sei die Luft raus. Anders in Pittsburgh. Dort gebe es eine vergleichbar tolle Stadtlandschaft, faire Wohnungspreise, viel Kunst, Subkultur, ein schönes Downtown und die Leute dort seien einfach erträglicher. In diesem Forum sagt man sogar, Pittsburgh erinnere überhaupt vielmehr an Seattle als Portland es je getan hat. Und das, obwohl man mal sagte, Portland sei das neue Seattle. Wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis Seattle dann wieder das neue Pittsburgh ist das neue Portland ist das neue New York ist, aber wie auch immer: Wir werden es im Auge behalten.

8. Til Schweiger ist der neue Lothar Matthäus
Erst „Kokowäh" und dann das hilflos-dümmliche Saufgestammel bei einer Preisverleihung - 2011 hat Til Schweiger vom aufgeblasenen Bratzkopf zum traurigen Waschlappen eingeschrumpelt. Zum ersten Mal erregt der aus Heuchelheim (!) stammende Schauspieler turned Regisseur turned Produzent nicht mehr Wut, sondern massives Mitleid.

9. Angeln ist das neue Parcours
Mit Staunen haben wir es vernommen: Sido und Bushido haben sich nicht nur vertragen, nein, sie gehen sogar zusammen angeln. Stehen da einträchtig am Tegeler See und wollen einen Karpfen fangen. Hä? Angeln? Täuscht es uns oder hat diese Altherren-Disziplin in den letzten Monaten ein bisschen an Schwung aufgenommen? Immerhin waren mit dem sogenannten Auwa und Babs Kiejewski innerhalb eines Jahres zwei Profi-Angler bei Stefan Raab zu Gast, der stellvertretende Politikchef des Spiegel Christoph Schwennicke hat ein Buch übers Angeln geschrieben – und jetzt eben die beiden ehemals bösen Rapper aus Berlin. Dass ihnen nun eine Anzeige wegen Fischwilderei droht, macht die ganze Sache noch abgefahrener. Street-Fishing ist der neue Kick in den Metropolen! Graffiti und Parcours waren gestern, jetzt wird mit Karpfen in der Hipster-Tasche vor der Polizei davon gelaufen. Wenn man bei YouTube nach „Street-Fishing" sucht, kommen jedenfalls schon jede Menge Einträge aus Paris, New York und Amsterdam. Und genau von da kommt doch sonst auch immer der neueste Scheiß, oder?

10. Verpackungen sind die neuen Geschenke
Da wird gestempelt, bestickt, gewickelt, mit Herzchen und Sternchen beklebt. Geschenkverpackungen werden wichtiger als die Geschenke selbst, das Gefühl hatten wir schon an Weihnachten. Geburtstags-, Hochzeits- und alle anderen Geschenke werden 2012 mit größerer Sorgfalt verpackt als ausgesucht. Wo war noch mal die Heißklebepistole?


Text: jetzt-redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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