Rowohlt
Oft ist amerikanische Literatur wie der nette Freund, der dir ein
Feuerzeug zum Öffnen der Bierflasche reicht und dabei weiter seine gute
Geschichte erzählt – komm, hat er vorhin gesagt, ich will dir was
erzählen – und später wird der Nachtbus an dir vorbeifahren, wenn du
nach Hause schlenderst und über die Geschichten des netten Freundes
nachdenkst. Es war ein Abend, an dem dir mal jemand nicht in einem
murmelnden Monolog seine kranken Alpträume gepresst hat. Und können
nicht Short Stories sogar den Zeitstau im Englischunterricht
auflösen?
Mit „Wo liegt Amerika“ ist jetzt eine Sammlung von 21 Kurzgeschichten
der besten amerikanischen Erzähler herausgekommen. Diese netten Freunde
sind Ernest Hemingway, Vladimir Nabokov, Philip Roth, Jack Kerouac, Toni
Morrison, Paul Auster, Jeffrey Eugenides und noch mehr. Die erste
Geschichte ist 1936 entstanden, die neueste 1996. Jonathan Franzen, der
sich gerade mit „Die 27ste Stadt“ in die Bestsellerlisten geschrieben
hat und dessen großartiger Familienroman „Die Korrekturen“ jetzt als
Taschenbuch erscheint, erzählt in "Kamel" die Geschichte von Uwe
Hensler, einem jungen Grenzposten der Nationalen Volksarmee. Als seine
Mutter stirbt, ist klar: Sollte sein Weg jemals frei sein für die Flucht
in den Westen, dann jetzt.
Englisch fällt heute aus, es ist Feiertag, der 3. Oktober. Ein netter
Freund will dir etwas erzählen – und das handelt davon, was war, bevor
wir heute die Wiedervereinigung feierten. Dieses Buch macht nicht nur
Sinn, wenn man sich gar nicht, so mittel oder aber gut mit
amerikanischer Literatur auskennt, sondern auch, wenn man nichts gegen
noch ein paar nette Freunde mehr hätte.
Gerade sind „Wo liegt Amerika?“ (10 Euro) und „Die Korrekturen“
(12,90 Euro) im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen. Jonathan
Franzens Kurzgeschichte "Kamel" wurde als Vorabdruck in der Welt am Sonntag veröffentlicht.