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Allein erziehend und Muslima - geht das denn?

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Im Jahre 2003 lag die Scheidungsrate in der Bundesrepublik Deutschland laut der Bundeszentrale für politische Bildung bei 43,6%. Eine Abnahme dieser Zahl ist vorerst nicht in Sicht. Immer öfter begegnet man Frauen und Männern, die bereits eine Scheidung hinter sich gebracht haben. Die Gründe sind so individuell wie die Personen selbst, die sich für den Schritt Scheidung entschieden haben. Darunter sind auch viele muslimische Frauen. Nach dem dritten, fünften beziehungsweise 19. Ehejahr finden im Durchschnitt die häufigsten Scheidungen statt. In dieser Zeit sind meist auch Kinder im Spiel. Streitigkeiten, schlechte Laune, Depressionen oder gar Gewalttätigkeiten müssen diese Kinder häufig als Zuschauer miterleben. Oftmals auch am eigenen Leib. Die Entscheidung getrennte Wege zu gehen, lässt dann nicht lange auf sich warten. So wird man schnell zu einer alleinerziehenden Mutter. Doch auch durch den Verlust des Partners ist man unfreiwillig auf sich allein gestellt. In Deutschland und in vielen europäischen und westlichen Ländern ist dies ein fast alltägliches Bild. In einigen muslimischen Ländern dagegen, wie zum Beispiel Ägypten, Marokko oder dem Iran ist die Trennung vom Mann oftmals noch sehr komplex. Auch der Verlust des Mannes bringt oft die Existenz ins Schwanken. Das zeigen die Schwierigkeiten, mit denen muslimische Frauen heute noch zu kämpfen haben. Denn häufig müssen sie sehr aufwendig Beweise gegen ihren Nochehemann auffahren. Auch wenn in vielen muslimischen Ländern das Familiengesetz sich zu Gunsten der Frauen verändert, stoßen Frauen dennoch auf Hindernisse. Eine Hürde zum Beispiel ist das Denken vieler Muslime, die eine geschiedene Frau – sei es von Männer- oder auch von Frauenseite – bemitleidet und häufig auch als „gebrauchte Ware“ ansieht. Die Möglichkeit auf eine Wiederheirat ist bei der einfachen Bevölkerungsschicht in ihren Herkunftsländern oftmals problematisch. Auch einige junge Männer würden lieber eine Frau heiraten, welche keinerlei sexuellen Erfahrung hat, statt eine bereits verheiratet gewesen Frau, selbst wenn diese ihre Erfahrungen allein mit ihrem damaligen Ehemann gesammelt hat. Typisch ist die Angst, die ein junger Marokkaner äußerte: Auf der Straße mit seiner Frau von einem anderen auf die Schulter geklopft zu werden und gesagt zu bekommen, dass seine Frau eine Granate im Bett sei, sei für ihn ein Graus. Zwischen zwei Stühlen Es ist dies ein Problem, mit dem sich auch Frauen aus den katholischen und orthodoxen Kirchen oder anderen Konfessionen konfrontiert sehen. Für Musliminnen scheint es dennoch manchmal komplizierter zu sein, da der Islam eine Scheidung nicht so ablehnt wie beispielsweise die katholische Kirche. Der Islam lässt Scheidungen zu und gibt sowohl dem Mann als auch der Frau das Recht auf Scheidung. Oftmals muss die Muslima mehr mit den Muslimen selbst kämpfen, mit denen sie in Kontakt tritt. Rechtfertigungen diesen gegenüber sind lästig. Dabei wollen geschiedenen Muslimas oftmals einfach nur ihr Leben meistern und sich um ihre Kinder kümmern. Hierbei können jedoch viele auf ihre Familien bauen, die sie tatkräftig und moralisch unterstützen. In manchen Fällen aber kann es auch dazu kommen, dass sich die Familie distanziert, weil der Mann für die Tochter auserwählt war, sich die Familie diesem verpflichtet fühlt oder eine Scheinung für sie eine große Sünde darstellt. Eine alleinerziehende Muslima sitzt häufig zwischen zwei Stühlen. Zum einen ihre eigene Community, die sie argwöhnisch betrachtet – und die westliche Gesellschaft, für die eine allein erziehende Frau auch heute noch nicht immer gern gesehen wird. Beruflich werden sie häufig nicht bevorzugt, weil ein Arbeitsausfall für die Arbeitsgeber vorhersehbar scheint. Diese Arbeit ist allerdings für ihren Lebensunterhalt und ihre Unabhängigkeit notwendig und kann ihnen somit erst ein Leben in Unabhängigkeit ermöglichen. Aber es gibt dennoch muslimische Frauen, die den Schritt wagen mit ihrem alten Leben abzuschließen und einen neuen Weg zu wagen. Eine von ihnen ist Amina: eine Deutsch-Marokkanerin aus Nordrhein-Westfalen, die nach einer Ehe mit einem Drogenabhängigen die Scheidung einreichte. Wir haben mit ihr gesprochen. Wie es einem Kind ergeht, das bei einer alleinerziehenden muslimischen Mutter aufwächst, erfahren wir von der 18-jährigen Samira. Ihr Vater ist Türke, ihre Mutter Perserin. +++

Sineb El Masrar Foto: Gazelle Den Text entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung der aktuellen Ausgabe des Magazins Gazelle. "Gazelle" versteht sich als multikulturelles Frauenmagazin und hat sich zum Ziel gesetzt, „spezifische Probleme, Bedürfnisse und Interessen der in der Bundesrepublik lebenden Migrantinnen und deutschen Bürgerinnen einzugehen und ihnen eine Plattform zum Austausch zu bieten, um somit einen Beitrag zum interkulturellen Verständnis und Zusammenleben zu leisten.“ Ein Porträt des Gazelle-Magazins erschien auf bereits auf jetzt.de.

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