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Alles über den Gnarls

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1. Woher kommt der überhaupt? Heute pendelt Danger Mouse zwischen großen Award Shows und seinem muffigen Kellerstudio in North Carolina. Geboren jedoch wurde er in White Plains, New York, wo er schon bald eine Vorliebe für Hair Metal und New Wave entwickelte. Im Alter von 13 Jahren übersiedelte er dann mit seinen Eltern – einem Lehrer und einer Sozialarbeiterin – nach Atlanta, um schließlich in Athens, Georgia zu landen. Athens, Georgia ist vergleichbar mit Atomic Café, München: eine ganzen Menge Studenten, die gerne Indierock hören, auf sehr engem Raum. Natürlich hat auch Danger Mouse dort Indierock gehört. Und Portishead und Massive Attack. 2. Deswegen ist er irgendwann nach England gezogen. Den Geist von TripHop suchen. Gefunden hat er allerdings nur ein bescheidenes Apartment im Londoner Stadtteil Vauxhall, das heute der Mercury Prizeträger Ty bewohnt. Der ist begeistert: „Jetzt kann ich überall herumerzählen, dass ich in der ehemaligen Wohnung eines Superstars lebe. Leider ändert das nichts daran, dass diese Wohnung ein chaotisches Zwei-Zimmer-Loch ist, in dem viel zu selten aufgeräumt wird.“ 3. In Athens, Georgia hat Danger Mouse bei „Wuxtry Records“ Schallplatten verkauft, in London Bier im „Rose Pub“. „Ich habe London gehasst“, ließ er sich einmal vom „Observer“ zitieren. „Ich habe nur gearbeitet, um die Miete zu bezahlen. Ich habe manchmal drei Wochen lang kein Sonnenlicht gesehen. Ich war pleite und Single. London war nicht ganz das, was ich erwartet hatte.“ Danger Mouse weiß also, wie man „Maloche“ buchstabiert. Sogar Musik für Kinder und Kiffer hat er schon produziert, im Auftrag des „Cartoon Network“.

4. Eigentlich produziert Danger Mouse immer noch Musik für Kinder und Kiffer. Nur heißen die mittlerweile Damon Albarn, Bloc Party, The Rapture und Black Thought (The Roots) und haben allesamt Interesse an einer (weiteren) Zusammenarbeit angemeldet. 5. Danger Mouse war als Kind Fan von Wham!. 6. Danger Mouse ist immer noch Fan von Wham!. 7. Er gibt das sogar offen zu. 8. Im Grunde ist Danger Mouse aber ein zurückhaltender, fast scheuer Mensch, der am liebsten Filme guckt. Wenn er mal einen Regisseur für sich entdeckt habe, verschlinge er mitunter 20 Streifen in einer Woche, so der 28-jährige Wunderknabe. Seine drei liebsten: „Harry außer sich“ von Woody Allen, „Donnie Darko“ von Richard Kelly und „Die Ehe der Maria Braun“ von Rainer Werner Fassbinder. 9. Seinen Partner bei Gnarls Barkley, Cee-Lo Green, hat Danger Mouse über MF Doom kennen gelernt, HipHops coolsten Maskenmann. (Ja, sogar noch vor diesem sido.) 10. Cee-Lo Green war früher Teil der Gruppe „Goodie Mob“ und neben Outkast, DJ Magic Mike, Prince Paul, den Beatminerz und Marley Marl ein Jugendheld von Danger Mouse. Trotzdem ist dessen Verhältnis zur HipHop-Szene ambivalent: „HipHop ist nur etwas, das ich mache. Nichts, mit dem ich identifiziert werden möchte.“ Über seine Tour mit dem New Yorker Rapper Jemini hat Danger Mouse gesagt: „Ich war da jeden Abend besoffen. Anders hätte ich es nicht auf die Bühne geschafft.“ Er muss ein Masochist sein – kürzlich hat er nach „Ghetto Pop Life“ (2003) schon die zweite Platte mit Jemini aufgenommen. Und will damit auch auf Tour gehen. 11. Aber erst, wenn sich die Aufregung um „Crazy“ wieder gelegt hat. Noch nämlich gibt es Wichtigeres zu tun. Justin Timberlake und Cameron Diaz verlustieren zum Beispiel, die beim Paris-Konzert von Gnarls Barkley trotz Ausfalls der Klimaanlage bis zum Ende am Bühnenrand standen. Verständlich, schließlich ist „Crazy“ der erste Song überhaupt, der es über die schiere Zahl seiner (legalen) Downloads auf die Spitzenposition der britischen Charts geschafft hat.

Lustig: Cee-Lo (links) und Danger Mouse (Fotos: Warner Music) 12. Wie jetzt „alter Hut, der nicht mal mehr für eine 500-Euro-Frage bei Jauch gut wäre“? Gut, dann vielleicht der hier: „Crazy“ ist der erste Song überhaupt, der von seinen Schöpfern vom Markt genommen wurde, als er noch auf der Spitzenposition der britischen Charts rangierte. Man solle aufhören, wenn es am schönsten ist, so die Erklärung von Gnarls Barkley. Oder dann, wenn ein Album in den Regalen steht, das verdammtnochmal ein bisschen mehr einbringt als so ein schäbiger Single-Download, so die Erklärung von allen anderen. 13. Trotzdem ist „Crazy“ der offizielle Nachfolger von Outkasts „Hey Ya“: HipHopper machen Gitarrenmucke. Und alle, aber wirklich alle finden’s gut. 14. On that note... Künstler, die eine Coverversion von „Crazy“ aufgenommen oder zur Aufführung gebracht haben: Nelly Furtado, The Raconteurs, Joe Budden, Bryan Adams, Billy Idol, The Kooks, Texas, Kardinal Offishall, Remy Martin, The Academy Is..., Ray Lamontagne, AC, Butch Walker, Twilight Singers, Of Montreal, Mates Of State, Terri Walker, Kiki & Herb, The Snapsons, Paolo Nutini. 15. Beschweren sollten sich Danger Mouse und Cee-Lo allerdings nicht. Denn sie selbst haben sich „Crazy“ ziemlich schamlos zusammengeklaut. Spaghettiwestern-Soundtracks aus den späten Sechzigern, jemand? (Für Leute, die bei ihrem nächsten Clubbesuch sonst nichts zu erzählen haben: Die Bassfigur des Songs ist dem Stück „Nel Cimitero Di Tucson“ entliehen, komponiert von den Reverberi-Brüdern Gianfranco und Gianpiero für Ferdinando Baldis „Preparati La Bara!“ von 1968. Uffz.) 16. Okay, über diese Billy-Idol-Sache sollten sie sich vielleicht doch beschweren. 17. Oder eine Racheaktion initiieren wie kürzlich mit Paris Hilton. Deren erstes Album „Paris“ nämlich unterzogen Danger Mouse und sein Kumpel, der Streetart-Halbgott Banksyeiner kleinen Sonderbehandlung. Sie motzten das Booklet mit neuen Fotos (Paris mit blanker Brust bzw. mit Hundekopf) und Sprüchen („Every CD you buy puts me even further out of your league”) auf, ersetzten den lauen Urban-Pop durch einen 40-minütigen Elektronik-Remix von Mr. Burton persönlich – und brachten 500 Exempare davon unter’s Volk. Wer in den letzten zwei Monaten nicht bei „HMV“ am Picadilly Circus einkaufen war und außerdem einen Tausender über hat: ebay.co.uk 18. Dort findet man vielleicht auch eine CD von Pelican City, einem frühen Electronica-Projekt von Danger Mouse: ziemlich drüger Downbeat-Schmodder, der wenig bis nichts gemein hat mit dem großartigen „Psychedelic Soul“ (Danger Mouse) bzw. „Industrial Euro-Soul“ (Cee-Lo) von Gnarls Barkley. 19. Tatsächlich ist „St. Elsewhere“, das Album von Gnarls Barkley, von einer beeindruckenden Vielseitigkeit. Produziert nach den Regeln von Rapmusik und vorgetragen mit der Inbrunst eines latent wahnsinnigen Gospelpredigers, borgen die Songs an allen Ecken und vor allem Enden der Pop-Historie. Die Folgesingle „Smiley Faces“ entfaltet sich auf einem bahnschrankengeraden Motown-Beat. Der Titeltrack basiert auf dem Schaffen der Folkrock-Combo ”The Trees“. Und „Gone Daddy Gone“ ist eine Coverversion eines Violent Femmes-Stück. 20. Trotzdem passt auf „St. Elsewhere“ alles wirklich sehr gut zusammen. 21. Das neueste Projekt von Danger Mouse hört auf den Namen „Underground Animals“. Veröffentlichte Songs: null. Freunde bei myspace.com: 3458. 22. Für seine Arbeit am zweiten Gorillaz-Album „Demon Dayz“ wurde Danger Mouse in der Kategorie „Producer of the Year“ für den Grammy nominiert.

23. In Wahrheit galt die ganze Aufregung aber dem „Grey Album“, einem grandios überschätzten Mash-Up-Projekt, für das Danger Mouse 2004 Acapella-Spuren von Jay-Z’s „Black Album“ mit Musik vom „White Album“ der Beatles unterlegte. Die globale Kulturkritik drehte erwartungsgemäß durch und sah im „Grey Album“ eine Abhandlung über die Problematik geistigen Besitzes. „Entertainment Weekly“ und „The New Yorker“ kürten „The Grey Album“ zum Album des Jahres. Die EMI Group, welche die Rechte an den Beatles-Aufnahmen hält, hetzte Danger Mouse ihre Anwälte auf den Hals. Und bei Roc-A-Fella, der Plattenfirma von Jay-Z, wähnte man „two great legends together“. 24. Einen etwas nüchternen Ansatz wählte indes Danger Mouse’ Mutter: „Moment, du hast die Texte von dem einen und die Musik von diesen anderen Typen genommen. Deinen Namen hast du aus einer Cartoon-Serie geklaut. Was genau hast eigentlich DU bei dieser ganzen Sache gemacht?“ 25. Nun, Mrs. Burton, ein paar Fans hatten ihrem Sohn die Acapella-Version des „Black Album“ zukommen lassen, wie sie wussten, dass er ein Freund des Remix ist. Doch wollte der seine kostbaren Beats nicht verschwenden und legte daher – nach einer kleinen Eingebung während des vormittäglichen Staubsaugens – einfach die Beatles drunter. Das ist crazy, ist es nicht?

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