Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

An den Jungs

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Illustration: dirk-schmidt Verlieben Meine erste große Liebe war nach zwei Minuten schon wieder vorbei. In der vierten Klasse war ich mit einem Jungen befreundet, und eines Tages im Mathe-Unterricht zwickte es mich im Hirn oder auch im Herzen, ich könnte vielleicht in ihn verschossen sein. Also schrieb ich ihm umgehend einen Zettel: "Willst du mein Freund sein?" Und darunter – ja, tatsächlich – "Ja" und "Nein" zum Ankreuzen. Der Zettel kam zurück, der Junge hatte "Ja" angekreuzt. Das schockierte mich so sehr, dass ich ein halbes Jahr lang nicht mehr mit ihm sprach. Heute erstaunt mich meine Entschlossenheit, die ich in der vierten Klasse offensichtlich hatte, sehr. Allein von der Vorstellung, einem Jungen zu gestehen, dass ich in ihn verknallt bin, kriege ich einen Kreislaufkollaps. Stabil gelagert, denke ich dann nur: "Ui ui ui, das ist ja ganz schön ungesund. Das lass ich mal lieber sein." Lieben Trotzdem bleibt es nicht aus, dass ich den einen oder anderen Jungen ziemlich dufte finde. Andere Mädchen sehen einen, zum Beispiel in der Diskothek, rufen "Der ist aber süß", gehen hin, lassen sich auf ein Getränk einladen und schon ist die Sache geritzt. So einfach geht das aber nicht. Nicht nur, weil ich äußerst selten in Diskotheken gehe und einen Jungen niemals "süß" nennen würde. Sondern auch, weil ich mich immer erst in jemanden verschwärme, wenn wir uns schon angefreundet haben. Und dann bin ich so lange für ihn ein super Kumpel, bis er zu mir sagt: "Mensch, du bist echt ein super Kumpel." Erlend Øye (member of my Heiratsliste) singt in einem Lied: "Some girls are never alone, I'm always a little late." Jawoll, da spricht der Herr Øye wahr. Meine Verknalltaktik hat nämlich noch einen zweiten Nachteil: Bis ich mich mal im Ansatz durchgerungen habe, in Sachen Liebe was zu unternehmen, ist der angeschwärmte Junge schon in ein anderes Mädchen verknallt. Die Lage ist verzwickt. Entlieben Im Prinzip könnte ich ja bereits zwei Mal verheiratet sein. Ein Arbeitskollege einer Freundin, die in Asien arbeitet, bestand darauf, mich zu ehelichen, nachdem er gerade mal ein Foto von mir gesehen hatte. Dass eine Braut, die zwei Köpfe größer als der Bräutigam ist, komisch aussehen würde, schreckte ihn nicht ab. Den zweiten Heiratsantrag machte mir vor wenigen Wochen mein Nachbar. Er klingelte bei mir, um mir zu sagen, dass er seit einem Jahr in mich verliebt sei. Er wolle mich bitte sofort heiraten, schwängern und mit nach Island nehmen. Ich antwortete ihm, dass er ja wohl eine Vollmeise habe. Heiraten ist nur die allerletzte Lösung. Die für den Morgen nach dem 30. Geburtstag. Wie oben schon im Zusammenhang mit Herrn Øye kurz angedeutet, habe ich eine Heiratsliste. Die funktioniert jetzt nicht wie eine Tanzkarte, auf der sich jeder eintragen kann, der will. Nein, die ist eher so für mich. Zur Beruhigung. Ich werde mich mit dieser Liste ans Telefon setzen, die Herren anrufen und fragen, ob sie mich heiraten wollen. Meine sechs Kinder sollen in geordneten Verhältnissen aufwachsen. Irgendeiner wird schon Ja sagen. Denn die Liste ist nur so mittel anspruchsvoll - bei der Durchsicht habe ich festgestellt, dass Jungs scheinbar nur zwei Kriterien erfüllen müssen: Sie müssen sehr lustig sein und/oder eine große Brille tragen. Aber bis zum 30. Geburtstag ist noch viel Zeit. Ich hab eine Menge super Kumpels und Herzklopfen ist gut gegen niedrigen Blutdruck.

  • teilen
  • schließen