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Es ist ein fast schon beängstigender Zufall, dass die Berlinale-Premiere der Rechtsrock-Dokumentation „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ durch die erfolgreiche Gegenwehr des traditionellen Naziaufmarsches in Dresden (anlässlich des Bombenanschlags von 1945) vor wenigen Tagen eine Aktualität erhalten hat, mit der im Vorfeld nicht unbedingt zu rechnen war. Dabei ist es eigentlich Quatsch, beim Thema Rechtsradikalismus von schwindender oder steigender Aktualität zu sprechen. Denn aktuell ist ein Thema vordergründig bloß dann, wenn die mediale Aufmerksamkeit auf ihm liegt. Die rechtsradikale Szene wächst und gedeiht jedoch auch im Stillen. Wobei „still“ im Zusammenhang mit Rechtsrock vielleicht der falsche Ausdruck ist. Rechtsrock ist laut.

Man kann daher kaum sagen, ob einem wegen der dröhnenden Lautstärke des rassistischen Liedguts (oder vielleicht besser: Liedschlechts) nur die Ohren platzen oder aufgrund der markerschütternden Inhalte doch der ganze Kopf. Ein Gemisch aus Ekel, Fremdscham und Bestürzung läuft einem über den Rücken, wenn in diesem Dokumentarfilm rechtsradikale Hundertschaften ihre Hände zum Hitlergruß erheben und zur lustigen Melodie von Mike Krügers „Der Nippel“ gemeinsam solche Texte grölen wie „Ja, man muss zuerst das Giftgas in die Kammer füll’n/und um das Ganze einen schicken Schleier hüll’n/Mit ’ner Brause und ’nem Abfluss, wie ’ne Dusche sieht das aus/und fertig ist der Holocaust.“  

Und wenn man dann erfolgreich gegen den überdimensionalen Frosch in seinem Hals angekämpft hat, betroffen und peinlich berührt in seinem Kinosessel hin- und herrutscht und für einen kurzen Moment seinen Blick durch den Kinosaal schweifen lässt, wird einem plötzlich mulmig zumute. Denn nach Zahlen der Website „Netz gegen Nazis“ trägt, statistisch gesehen, jeder Zwölfte rechtsradikales Gedankengut mit sich herum. Das sind etwa sechseinhalb Millionen Menschen in ganz Deutschland. Oder knapp 30 Menschen hier im Kino. Wie gesagt: Statistisch gesehen. 

Der Regisseur dieses Films ist Peter Ohlendorf. Das brisante Bildmaterial stammt aber von jemand anderem. Der Journalist Thomas Kuban (Name geändert) hat sich fast zehn Jahre lang „Undercover unter Nazis“ begeben und mit versteckter Kamera das einende Treiben bei über hundert Rechtsrock-Konzerten festgehalten. Wie das gelingen konnte, wird er nach der Vorführung des Films gefragt, und er antwortet kurz und knapp: „Mit ganz viel Vorbereitung und einer rigorosen Veränderung meines Aussehens.“ Er war dabei, wenn sich die Szene irgendwo in Deutschland versammelt, wenn sie sich und ihre Weltanschauung gefeiert hat. Er war vor Ort, als Konzerte unter Aufsicht der Polizei stattfanden, ohne dass die Beamten ein Einschreiten für nötig erachtet hätten. Und er war da, wenn Lieder gesungen wurden mit Zeilen wie „Adolf Hitler, steig hernieder/und regiere Deutschland wieder“.  

Das gesamte Filmprojekt ist selbstfinanziert: Recherche- und Reisekosten. Technik. Ausstattung. Equipment. Vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen. Kein Fernsehsender, keine Filmstiftung, kein Vertrieb wollte Geld geben. Das Thema war ihnen zu heikel. Man hatte offensichtlich Sorge, Ziel rechtsradikaler Übergriffe zu werden, und man mag Verständnis für diese Angst aufbringen können. Doch man sollte sich im Klaren darüber sein, dass ein Ignorieren der Gegebenheiten den Nährboden düngt, auf dem die Früchte der Rechtsrockszene wachsen. Und welche Ausmaße diese Bewegung mittlerweile angenommen hat, führen einem Thomas Kuban und Peter Ohlendorf in dieser sehenswerten Dokumentation auf beängstigende Art und Weise vor Augen.

Der Film hat noch keinen Verleiher gefunden. Mehr Informationen dazu gibt es hier:
filmfaktum.de

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