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Be Here To Love Me

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Darf man einfach seine Gitarre einpacken, losziehen und ein Leben auf Tour führen? Seine Kinder, Ehe- und Exfrauen, seine Freunde zurücklassen, weil man ein Leben als Musiker führen möchte? Ist es eine tapferer Zug, sich gegen Sicherheit, Geld, Familie und Heimat und für ein Leben in Motels zu entscheiden? Oder ist es eine relativ schale Entschuldigung, sich der Verantwortung zu entziehen? Townes Van Zandt hat sich für ein Leben für die Musik entschieden. Als Elfjähriger sah er Elvis Presley im Fernsehen und war von der Erkenntnis geradezu weggeblasen, dass man mit einer Gitarre Geld verdienen könne. Als er zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt bekam, begann er, exzessiv zu üben und Musik zu hören. Blues-Legenden wie Lightnin’ Hopkins und der große Country-Held Hank Williams beeinflussten ihn von Anfang an. Als Student fing er an, in kleinen Bars zu spielen, lustige Songs, um auch den letzten Säufer hinten im Eck zu erreichen. Doch als er mit Anfang 20 Bob Dylans „The Times They Are A-Changing“ hörte, begann er, das Songwriting richtig ernst zu nehmen. Er wollte Songs schreiben, die die Welt verändern können. Dafür schloss er sich oft wochenlang in einen winzigen begehbaren Kleiderschrank, sein Studio, ein, übte wie ein Besessener, hörte sich die immer gleichen Platten an und schrieb seine ersten „ernsthaften“ Songs. Und von da an war er unterwegs. Townes Van Zandt wird heute der Songwriter der Songwriter genannt. Steve Earle behauptete sogar, Van Zandt sei noch vor Bob Dylan der größte Songwriter aller Zeiten (und er wiederhole diese Aussage gerne auch mit seinen Cowboystiefeln auf Dylans Teetischchen). Trotzdem kam er nie über den Status einer „Kultfigur“ und eines Geheimtipps hinaus. Seine Songs kamen nur als Cover-Versionen anderer Musiker in die Charts. Willie Nelson und Merle Haggard hatten einen Nummer 1 Hit in den Country-Charts mit „Pancho And Lefty“ und Emmylou Harris kam mit ihrer Version von „If I Needed You“ in die Top-Ten. Gründe für seinen mangelnden Erfolg gibt es einige: zum einen veröffentlichte er immer nur auf kleinen obskuren Labels, die meist nach kurzer Zeit wieder bankrott gingen. Er verkaufte selten mehr als 7.000 seiner Platten und die Abstände zwischen seinen Veröffentlichungen waren für Musikmarkt-Verhältnisse geradezu horrend lang – mitunter brauchte er sieben Jahre für eine neue Platte. Seine labile Persönlichkeit machte seine Tourneen zu einem Abenteuer für alle Beteiligten. Er konnte Konzerte geben, die so beeindruckend und herzergreifend waren, dass sein Publikum geradezu vor Ehrfurcht in völliger Stille erstarrte. Bei anderen Terminen war er so betrunken, dass er auf der Bühne zusammenbrach. Welches Suchtmittel man sich vorstellen mag, Alkohol, Heroin, Codein, Spielen: er hat sie alle bis zum Exzess ausgekostet. Als Teenager als manisch-depressiv diagnostiziert, wurde Townes Van Zandt mit Elektro- und Insulin-Schock-Therapien behandelt, was zur Folge hatte, dass er die Erinnerung an seine gesamte Kindheit verlor. Als er sich bei einer Party einfach nur zum Spaß aus dem vierten Stock fallen ließ, wurde er für Monate in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Seine Sensibilität, die ihn in für Wochen in Depressionen verfallen ließ, macht gleichzeitig das Besondere seiner Songs aus. Sie sind so ehrlich und schonungslos, wie man es selten hört. Völlig auf das Wesentliche reduziert und ohne jeden Schnörkel singt Van Zandt von einem Leben, das beschissener nicht sein könnte. In einem Interview antwortete er auf die Frage, warum seine Lieder immer so traurig seien, dass nicht alle seiner Songs traurig seien. Einige seien vielmehr absolut hoffnungslos. Townes Van Zandt wurde 52 Jahre alt. Er starb genau 44 Jahre nach seinem Idol Hank Williams am Neujahrstag des Jahres 1997. Am 22.12. kommt der Dokumentarfilm Townes Van Zandt – Be Here To Love Me von Margaret Brown ins Kino.

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