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Bin ich schön?

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"Ich muss Dir noch was erzählen - ich lass mir die Nase operieren" sagt Magdalena. Ich hole tief Luft. Wir haben uns bereits zwei Stunden unterhalten. Über alles, was man halt so abklappert, wenn man sich lange nicht mehr gesehen hat. Die Uni, Jungs, Freunde. Literweise Tee dazu getrunken. Wir kennen einander sehr gut und lange, erzählen uns viel. Und trotzdem - diese Ankündigung haut mich nun um, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Ich setzte meine Teetasse ab. Suche in ihrem Gesicht, ob das ein Witz gewesen sein könnte. Und schaue - natürlich - auf ihre Nase. Klar, die ist schon markant. Aber keinesfalls in einem euphemistischen "ich sage markant und meine hässlich"-Sinne. Ihre Nase passt zu ihr. Sie gibt ihrem Gesicht Ausdrucksstärke. Macht es nicht so zart und kleinmädchenhaft, wie viele Gesichter, die man nach einmal ansehen wieder vergisst.
"Warum denn das??" entfährt es mir also somit nach ein paar Sekunden des Schweigens. Ich kann die Ablehnung in meiner Stimme nicht verbergen.

"Ich möchte, dass mein Äußeres auch adäquat mein Inneres widerspiegelt", sagt sie und lacht. Dann ernsthaft: "Meine Nase gefiel mir noch nie. Und nun habe ich das erste Mal genug Geld, um die OP zu bezahlen. Ich habe bereits einen Termin für den Eingriff", sagt sie und öffnet ihren Laptop. Darauf zeigt sie mir das von der Ärztin modellierte vorher-nachher-Bild. "Die pixeln für sowas tatsächlich nur mit Photoshop ein Stück des Nasenrückens weg", erklärt sie entschuldigend das leicht dilettantisch wirkende Foto. Ich schaue mir das Bild genauer an: Magdalenas Nase wird zukünftig keinen kleinen Huckel mehr haben und etwas schmaler sein. Ein V-Schnitt wird dafür oberhalb der Nasenlöcher angesetzt, erklärt sie mir. Sie wirkt glücklich bei Betrachtung ihres zukünftigen Ichs.


Natürlich führen wir danach die üblichen "Und was, wenn Dir Deine neue Nase dann nicht gefällt?"-Gespräche. Reden darüber, ob sie damit nicht auch ein Stück ihrer Persönlichkeit abgibt. Ob innere Werte nicht wichtiger seien, als das Äußere. Sie verweist auf eine Studie, die besagt, dass Schönheit genau so viel zähle, wie ein Uniabschluss. Mir wird deutlich, dass sie ihre Entscheidung umunstößlich ist. Anstatt ihr ihren freien Willen zu lassen, versuche ich trotzdem noch ein Weile, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Ich schließe die Haustür hinter mir, Magdalena ist gegangen. Doch die Sache mit ihrer Nase umtreibt mich. Woran liegt das?
Mir will einfach nicht in den Kopf gehen, dass eine derart eloquente, intelligente und attraktive Frau wie Magdalena sich eine Schönheitsoperation wünscht. In meiner kleinen, naiven Welt war diese Art von Wünschen Promis oder Scripted-Reality Darstellern vorbehalten. Menschen, deren äußeres Erscheinungsbild ihr Kapital ist. Und die, um auf ein weitbekanntes Klischee aufzuspringen, mit sonstigen Fähigkeiten wohl auch nicht überzeugen könnten. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir allerdings auch die Scheinheiligkeit meiner Überlegungen bewusst. Jeder unattraktive Mensch aus Hintertupfingen darf sich von mir aus gerne auf RTLII die Nase brechen und danach wieder zusammenpuzzeln lassen. Meinen Freunden spreche ich dieses Recht allerdings ab. Sie sollen gefälligst bescheiden sein und sich stets mit innerer Schönheit begnügen.

Seitdem ist das Thema "Nase" zwischen Magdalena und mir unumgänglich geworden. Bei jedem Gespräch will ich sie von der OP abhalten. Je länger diese leidige Diskussion geht, desto mehr lerne ich allerdings auch über mich. Denn wenn ich ehrlich zu mir bin - ich habe Angst, dass dieser Zustand einreißt. Dass Schönheits-OPs in meinem Freundeskreis so selbstverständlich werden wie Smartphones. Ich eines Tages selbst aus meinem Cabrio steige und eine Klinik am Bodensee zwecks Nasenkorrektur betrete. Fettabsaugen würde ich dann gleich auch noch erledigen lassen - wenn ich schon mal da bin. Dies wäre ein Untergang all meiner Ideale. Ein unbedingt zu verhindernder Sieg der Oberflächlichkeit über die inneren Werte.

Neulich rief Magdalena noch ein Mal bei mir an. Sie habe Ihren OP-Termin wegen Klausuren verschieben müssen, erzählt sie. "Super, eine verlängerte Überzeugungsfrist", freue ich mich. Und ertappe mich, wie ich mir dabei an die eigene Nase fasse. Ein bisschen breit ist sie ja schon...

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