Der Beiruter Musiker und Comiczeichner Mazen Kerbaj zeichnet in seinem Blog Szenen der Bombardierung und wie er Beirut verlässt.
Montag, 17. Juli, Tartous
Gestern Nachmittag haben Anna und ich einen Artikel für den Bund geschrieben. Wir wollen uns mitteilen. Wir wollen verarbeiten. Wir stehen unter Strom. Nachdem der Artikel weg ist und wir ihn wieder lesen, finden wir ihn schlecht. Wir schauen News, und so viel mehr hätten wir sagen sollen. Machen wir uns lächerlich mit unserer persönlichen Geschichte, fragen wir uns. Was sollen wir tun. Ich würde am liebsten alles aufzählen, was hier passiert. Von jeder einzelnen Bombe schreiben. Wo genau sie eingeschlagen hat, welches Unrecht sie auslöst. Ich sehe nicht, dass Israel Hizbullah-Ziele trifft. Seit Anfang des Krieges feuert Hizbullah ihre achtzig Raketen ab – mir scheint, die in den News gemeldeten Zahlen sind immer gleich. Und die Raketen fliegen immer weiter. Ich bete, dass keine Rakete Tel Aviv trifft! Jetzt hat Israel den Flughafen zum dritten oder vierten Mal bombardiert! Ist das nötig? Er ist schon kaputt. Sie haben Tanks und Elektrizitätswerke bombardiert, so dass bald keiner mehr Strom hat im Süden. Heute morgen haben sie den christlichen Beiruter Vorort Daura bombardiert. Irgend ein Essens-Depot sagt BBC. Der Hafen wurde das zweite Mal getroffen. Er war schon kaputt. Über Downtown wurden Faltblätter abgeworfen. „Jeder, der mit Hizbullah zusammenarbeitet oder sympathisiert, wird verfolgt.“, steht da. Wie wollen die Israeli von der Luft aus verfolgen, welcher einzelne Mensch genau was mit Hizbullah am Hut hat?
Es geht schon lange nicht mehr um die zwei entführten israelischen Soldaten, scheint es mir. Es geht darum, dieses Land hier zu zerstören und den Menschen hier, jede Existenzberechtigung zu nehmen. Hier leben nicht nur Terroristen! Catherine ist Graphikdesignerin. Cynthia arbeitet im Konservatorium als Klavierlehrerin. Joelle spielt Piano-Jazz und gab eben noch Workshop zu Neuer Musik von John Cage. Charbel, der Mann mit der lautesten Stimme dieser Welt, ist Chef im kleinen Mittagsrestaurant LE CHEF. Er ist eine Legende. Er kennt jeden und jede in Viertel Gemmayze. Eine ältere jüdische Piano-Lehrerin, die im Quartier lebt, bestellt bei ihm ihr Mittagessen. Kein Problem. „Das sind Juden“, flüstert Charbel uns ins Ohr und zeigt mit seinem Daumen gegen oben. „Cool, dass die noch hier leben. Gemmayze ist ein multikulturelles Quartier.“ Eine der Synagogen Beiruts steht mitten im Aufbaugebiet in Downtown Beirut. Keiner denkt daran, sie abzureissen. Anna wollte ein Radio Feature über Juden in Beirut machen. Wir fragten viele Leute an, ob sie Juden kennen hier. Keiner hatte ein Problem. Israel will all das gar nicht wissen!
Hier und hier gibt es weitere Nachrichten zu dem Konflikt.