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Blooks sind die neuen Blogs

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So hat die Erfolgsgeschichte der Amerikanerin Stephanie Klein laut Eigenaussage auf ihrer Homepage begonnen. Sie ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der noch jungen "Blooker"-Szene. In ihrem Blog Greek Tragedy erzählt sie sehr ungeschminkt und sehr amerikanisch über ihr Leben – das Leben einer frisch geschiedenen New Yorkerin, Anfang Dreißig, die sich wieder ins Leben zurück trinkt, datet und schreibt. Ihre Leser verfolgten seit Januar 2004 die Abenteuer der Martini-schlürfenden Dame, der nichts, wirklich nichts zu peinlich ist, um es nicht auf ihrer Seite freimütig zu gestehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mittlerweile hat die freie Autorin und Fotografin nicht nur eine Agentin, sondern auch Verträge mit einem amerikanischen und einem englischen Verlagshaus, sogar die Filmrechte für ihren Blog wurden mittlerweile verkauft. Ihr erstes Buch "Straight Up and Dirty: The Life of a Young New York Divorcee" erscheint im Juli. Ein neuer Internet-Superlativ Klein ist nicht die erste, deren Blog zu einem Buch wurde. Blooks, also Bücher, die aus Blogs entstanden sind, sind laut The Economic Times momentan die weltweit am schnellsten wachsende literarische Form. Es gibt drei Spielarten der Blooks: Die meisten dieser Blooks sind, wie Stephanie Kleins "Straight Up and Dirty", aus einem Blog entstanden und werden entweder von den Bloggern selbst verlegt oder die Autoren werden von einem Verlag unter Vertrag genommen. Eine andere Spielart der Blooks entsteht aus Online-Kolumnen oder Kunstprojekten. Eines der schönsten Beispiele dafür ist Postsecret: Auf dieser Homepage werden Postkarten abgebildet, die anonym von den Lesern an eine Adresse in Maryland gesendet wurden. Auf den meist aufwändig gestalteten Karten verraten sie ihre intimsten Geheimnisse. Die erste Ausgabe des Postsecret-Buch, erschienen im vergangenen November bei Regan Books, war so erfolgreich, dass eine zweite Ausgabe bereits geplant ist. Eine dritte Form der Blooks sind Bücher von meist renommierten Autoren, die von vornherein als Blogs angelegt waren. Der große Meister des Grusel-Genres Stephen King war einer der ersten, der die Möglichkeiten des Internets exzessiv nutzte. Schon Ende der 90er Jahre hat er mit einigen seiner Romanen neue Wege der Verbreitung versucht: Sein Roman "Riding the Bullet" erschien ausschließlich im Internet und bei "The Plant" veröffentlichte er sogar nur gegen Vorkasse der interessierten Leser ein Kapitel nach dem anderen auf seiner Homepage.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der schwächelnde deutsche Markt In den meisten Fällen handelt es sich bei diesem Blooks aber um von den Autoren selbst verlegte Bücher, die sie zum Beispiel bei Books on Demand drucken lassen. Und da hat sich mittlerweile eine eigene kleine Industrie etabliert. Denn viele Blogger wollen das, was sie täglich ins Netz stellen, auch offline ins Regal stellen oder womöglich sogar im Buchladen stehen sehen. Sogar einen eigenen Literaturpreis ausschließlich für Blooker gibt es seit diesem Jahr: den Blooker Prize, der mit 2000 Dollar dotiert ist. In Deutschland war der Econ-Ullstein-Verlag einer der ersten, der ein solchen Blook herausgebracht hat, das Online-Tagebuch von Salam Pax "Let’s get Bombed". Allerdings, so Jürgen Diessl, Verlagsleiter des Econ-Verlages, waren die Verkaufszahlen eher überschaubar. Obwohl das Buch eine sehr positive Medien-Resonanz bekam, war das Buch im Laden kein Erfolg. Woran das gelegen haben mag, darüber kann auch er nur spekulieren: "Ich persönlich wäre bei dieser Form von Büchern skeptisch. Denn woher soll der Kaufimpuls denn kommen? Abgesehen davon, dass es sich in Buchform schöner liest, kann ich im Internet alles umsonst und aktuell lesen. Und Blogs leben von der Aktualität – bis man das in Buchform vorliegen hat, vergehen Monate." Auf der Suche nach dem Leser Trotz dieser bescheidenen und eher desillusionierenden Anfänge der Blooks in Deutschland haben die Lektoren des Econ-Verlages die deutsche Blogszene immer auf dem Schirm. Vor allem wenn es darum geht, Themen für Bücher zu recherchieren. Diessl nennt ein Beispiel: „Gerade erscheint bei uns ein Buch über Statussymbole: "Die Zeichen der Macht" von Moritz Freiherr von Knigge und Claudia Cornelsen. Bevor wir das Buch entwickelt haben, haben wir geschaut, ob und wie dieses Thema in den Blogs diskutiert wird. Wenn da ein Thema aktiv und kontrovers besprochen wird, bekommt man bei der Themen-Recherche den Eindruck, dass da Bedarf und Kundschaft vorhanden ist." Die Lektoren des Econ-Verlages konzentrieren sich ausschließlich auf die deutsche Blogger-Szene. Denn die deutschen Kunden und der deutsche Buchmarkt sind laut Diessl nicht mit dem amerikanischen vergleichbar. Und was in Amerika funktioniert, muss noch lange nicht in Deutschland klappen: Seien das nun Ratgeber von Finanzgurus, die in Amerika auf den Bestsellerlisten landen, aber in Deutschland misstrauisch beäugt und erst gar nicht gekauft werden. Oder eben Blooks. Obwohl die schöne Welt des Internets nur in Maßen auf das Buch übertragbar ist, wird sich auf dem Gebiet der Blooks in Zukunft sicher noch einiges tun und es werden auch noch mehr Erfolgsgeschichten wie die von Stephanie Klein folgen. Die übrigens mittlerweile wieder glücklich liiert ist und nach Austin, Texas gezogen ist. Zeit, ein neues Kapitel anzufangen.

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