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"Das Abendland wird an Flapsigkeit nicht untergehen"

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In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärt der Juraprofessor Martin Gutzeit von der Universität Gießen, dass der Mailverkehr mit Studenten immer laxer werde. Auf seiner Homepage hat er neulich einen Hinweis platziert, demzufolge er Mails, denen es an Förmlichkeit mangelt, nicht mehr beantworten will. Die Frage „Hi, Prof, wann schreiben wir Klausur?“ ist ihm zum Beispiel eine Spur zu flapsig. Anreden wie "Hi", "Hallo" oder "Servus" findet er "unsäglich". Ist Professor Gutzeit nun ein Erbsenzähler oder lässt der Umgang von Studenten mit ihren Professoren tatsächlich zu wünschen übrig? jetzt.de hat Profs aus ganz Deutschland um ihre Meinung gebeten:



Prof. Dr. Ralf Hohlfeld (Universität Passau)
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften  
"Manchmal leide ich auch unter flapsigen Mails, die zwar nicht die Regel, aber eine wachsende Ausnahmeerscheinung sind. „Hi Herr Hohlfeld“ oder nur „Hallo!“ kommt nicht selten vor. Anfangs bin ich erzieherisch auf diesen Duktus eingegangen, unterdessen beantworte ich solche - nicht die Form wahrenden - Mails gar nicht mehr. Prinzipiell wimmeln gerade solche "Anschreiben" von Fehlern - und meist sind sie noch von impertinenten Inhalt mit anmaßenden Forderungen."    

Prof. Dr. Oliver Jahraus (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Lehrstuhl für neuere deutsche Literatur und Medien  
"Die Anrede "Hallo Prof. Jahraus" häuft sich in der Tat. Eine gewisse Formvergessenheit ist allenthalben spürbar. Damit meine ich aber nicht den Titel, den man im innerakademischen Bereich gerne weglassen kann, aber die Anrede lautet im Deutschen nun einmal "Sehr geehrte/r Frau /Herr..." oder, bei näherer Bekanntheit "Liebe/r Frau /Herr...". Das Abendland geht davon nicht unter, dazu sind die Fälle auch nicht zahlreich genug. Höflichkeit erfordert einfach mehr Formulierungsaufwand, den man in den Mails nicht gerne erbringt, was ja durchaus verständlich ist, schließlich soll es schnell und unkompliziert gehen. Andererseits ist Höflichkeit ein soziales Schmiermittel, und was man sich an Zeit einspart, wenn man Höflichkeit zurückfährt, zahlt man auf der anderer Seite vielfach drauf. Und trotdzem wird das Abendland auch an Flapsigkeit nicht untergehen."    

Prof. Dr. Dirk Baecker (Zeppelin University Friedrichshafen)
Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse  
"Das "Hallo" wird zuweilen genutzt, aber danach wird es meistens förmlich, höflich und respektvoll. Ich stelle sowohl mündlich wie schriftlich fest, dass wieder mehr Anreden mit Titel vorkommen. Und falls sich jemand in Emails unfreundlich zeigt, was so gut wie nie vorkommt, reagiere ich meinerseits trotzdem förmlich und respektvoll."    

Prof. Gerd Wameling (Universität der Künste Berlin)
Professor für Szene  
"Bei uns läuft der Hauptverkehr über SMS im Stil: "Ich sitz in der U-Bahn fest, komme später." Wenn einer keine Unterschrift drunter setzt, beschwere ich mich. Bei uns in der Schauspielschule sind wir grundsätzlich per Du mit den Studenten, keiner spricht mich mit "Professor" an. Natürlich wirken Kurzformen wie "LG" in Emails weniger freundlich, sind aber aus meiner Sicht nicht weniger freundlich gemeint."   

Prof. Dr. Dirk Heckmann (Universität Passau)
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht  
"Ich empfinde die elektronische Kommunikation mit meinen Studierenden als weitgehend entspannt, höflich und zielführend. Die Anrede ist manchmal etwas ungelenk und zu förmlich (wenn mit Titel, dann muss es "Herr Professor" und nicht "Herr Prof. Dr." heißen), aus meiner Erfahrung aber nie "flapsig". Manche Studierenden wundern sich, wenn Antworten in "Echtzeit" gegeben werden (dank iPhone). Kommunikation über soziale Netzwerke ist selten, dann aber originell. Freundschaftsanfragen zu Facebook muss ich leider ablehnen, Privatsphäre ist wichtig - für beide."

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Schröder (RWTH Aachen)
Fakultät für Maschinenwesen
"Ich kann sagen, dass ich in 90 Prozent der Fälle mir Herr Prof. Schröder angeschrieben werde, wobei ich selber auf den Prof. oder Dr. in der Anrede keinen Wert lege. Die Höflichkeit hat sich meiner Einschätzung nach nicht verändert. Lediglich die Anzahl der Emails nimmt zu. Leider fehlt oft die Zeit, alle
zu beantworten."


Text: mira-kleine - und Markus Okur; Illustration: Katharina Bitzl

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