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Das Alte Europa im Discount-Talk

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Treue Seelen behalten nicht nur die alten Tarife - sondern auch die alten Handygrößen (Foto: dpa) Jetzt also auch noch Aldi. Nach Tchibo und den verschiedenen Billiganbietern von Simyo bis blau.de kommt nun auch die größte und deutscheste aller Discountketten mit einem Dumping-Preis für Handygespräche ums Eck. „Aldi Talk“ heißt der Tarif, der ab kommender Woche verfügbar ist. Die Eckdaten: 15 Cent pro Minute kosten Gespräche ins Festnetz und fremde Mobilfunknetze, einen anderen „Aldi Talker“ kann man schon für 5 Cent anrufen. Abgerechnet wird sekundengenau, die Mailboxabfrage ist kostenlos. Das sind gute Konditionen – und die Preisschraube ist noch längst nicht zu Ende gedreht. Kurz nachdem der Aldi-Deal bekannt wurde, gaben Simply und easyMobile.de (Beides Billigableger von T-Mobile) bekannt, dass ihre Kunden bis zum 28. Februar 2006 untereinander kostenlos telefonieren könne. Außerdem munkelt die Branche , dass bald auch noch Lidl und Plus in das übervolle Kinderplanschbecken namens Mobilfunkbranche reinhüpfen und alle nassspritzen wollen – irgendwann bekommt man vermutlich Geld fürs Telefonieren. Keine Frage – Geiz ist ungeil, und wer jedem Schnäppchen hinterherrennt hat vor lauter Sparen irgendwann keine Zeit mehr zum Leben. Aber je mehr das Land tschibofoniert und aldifoniert, desto abgehängter fühle ich mich mit meinem treuen und alten Handyvertrag. Je kleiner die Centbeträge in den scheußlich gestalteten Werbungen werden, desto mehr fühle ich mich wie das alte Europa der Handytelefonie – das zwar immer noch dieselbe Nummer hat wie zur Jahrtausendwende – aber eben auch immer noch die Preise von damals bezahlt. Erst recht wenn ich lese, dass mein Handyprovider E-plus hinter mehreren dieser Billigangeboten steckt und nicht nur Simyo und BASE, sondern auch „Aldi Talk“ unterstützt. Sogar der SMS-Versand, der auf meiner Rechnung immer einen größeren Anteil ausmacht, als die tatsächlichen Gespräche, ist billiger. Soll ich also wechseln? Oder muss ich mir jetzt ein Zweihandy zulegen, mit dem ich billig anrufen kann – und auf meinem alten unter der gewohnten Rufnummer erreichbar bleiben? Oder soll ich mich an die guten und schlechten Zeiten erinnern, die „mein Tarif und ich“ schon miteinander durchgemacht haben? Nächtliche Liebesgeständnisse am Telefon, die Zusage für den besten Job der Welt, spontane Einladungen für ein Wochenende in London, die „doch nicht schwanger“-SMS … sie alle kamen schließlich über den alten Vertrag, die alte Nummer. So was schweißt zusammen. So was wirft man nicht einfach weg wie eine leere Prepaidkarte. Vielleicht rufe ich einfach mal bei diesen Handyleuten an und frage, warum treue Kunden nicht zur Abwechslung auch billiger telefonieren dürfen. Bei dem DSL-Anschluss hat es schließlich auch geklappt. Als mein Provider überall mit Preisen warb, die nur halb so hoch waren, wie das, was ich Monat für Monat bezahlte, genügte ein Anruf: „Aber natürlich können Sie auch den günstigeren Tarif haben. Sie müssen uns nur fragen, von selbst bieten wir ihnen das nicht an“. Manchmal ist das Leben ja doch überraschend einfach.

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