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Der E-Mail-Abgeordnete

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Ian Liddell-Grainger ist seit gestern der bekannteste britische Politiker im Internet. Um das Rating einer britischen Website, die die Erreichbarkeit von Politikern testet, zu seinen Gunsten zu beeinflussen, schickte der Abgeordnete fleißig Emails an sich selbst, die er dann prompt beantwortete.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bilder von Liddel-Graingers Webseite: www.liddellgrainger.org.uk
In Großbritannien soll die Website writetothem.com den direkten Kontakt zu Abgeordneten des britischen und europäischen Parlamentes sowie Kommunalräten ermöglichen. Gleichzeitig stellt die Site ein Rating zur Verfügung, das die Politiker danach beurteilt, wie schnell sie ihre Emails beantworten. Dass eine allzu aktive Teilnahme eines Politikers an der Website auch ein Schuss nach hinten sein kann, bewies der konservative Abgeordnete Ian Liddell-Grainger. Um seine eher negative Bewertung ein wenig zu verbessern, schrieb er mehrere Emails an sich selber, die er dann natürlich auch umgehend beantwortete. Laut BBC-News seien die Emails deshalb so auffällig gewesen, weil sie alle vom selben Email-Account abgeschickt worden seien, aber verschiedene Postadressen beinhalteten. Liddell-Graingers Sprecher verkündete, dass die Emails nur ein Experiment gewesen seien, um die Website und ihre Rating-Methode zu testen. Denn nach der Beantwortung der ersten Email, hätte sich die Bewertung angeblich um 10 Prozent verbessert. Die Website wurde daraufhin als Quatsch und überflüssig bezeichnet, da es ja sehr leicht sei, mit den Abgeordneten in Kontakt zu treten. Stellt sich nur die Frage, wieso Ian Liddell-Grainger sich überhaupt für writetothem.com registrieren ließ.

Dass dies nicht der einzige Ausbruch politischen Veränderungswillens ist, zeigte jüngst der Wikipedia Skandal des US Kongresses. Dabei wurden von mehreren Rechnern des amerikanischen Kongresses Änderungen in den Biographien der Abgeordneten vorgenommen, die in der englischen Version des Internetlexikons veröffentlicht worden waren. Nicht nur, dass korrekte Fakten – in den Augen der jeweiligen Politiker vielleicht nicht schön genug – gelöscht wurden, auch beleidigende und zuweilen sogar kindische Kommentare über politische Gegner wurden eingefügt.

Das Buhlen um die Gunst der Bürger scheint über allem zu stehen. Doch auch wer kein Hacker-Profi ist, sollte im Zeitalter von CSI und Medical Investigation gelernt haben, bei geplanten Täuschmanövern zumindest eine andere Email-Adresse zu benutzen.

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