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"Die kochen da Drogen oder so..."

Illustration: Andrea Burgmann

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All die Serien, die man un-be-dingt gesehen haben muss! Dauernd kommt jemand mit einer neuen daher, die besonders super sei. Davon erzählt er lang und breit oder redet mit jemandem drüber, der sie auch gesehen hat, während man daneben sitzt und in sein Smartphone starrt. Aber auch auf Facebook und Twitter, auf Blogs und Magazin-Seiten stößt man unweigerlich auf Serien-Content: Vor lauter Posts, Tweets, Rezensionen und "Best of"-Videos, die man so nebenbei aufnimmt, stellt sich manchmal das Gefühl ein, man habe die Serie selbst gesehen. Die jetzt-Redaktion hat dieses Halbwissen zusammengetragen und erzählt Serien nach, die sie nie gesehen hat.

Nadja Schlüter erzählt "Game of Thrones"

Darum geht’s: 

"Game of Thrones" ist eine Mischung aus Fantasy- und Mittelalter-Epos. Soweit ich weiß geht es um mehrere verfeindete Adelsgeschlechter mit komplizierten Namen und schönen Wappen, die sich Facebook-Nutzer gerne auf T-Shirts drucken wollen. Es gibt eine Menge Konflikte und raue Sitten. Insgesamt ist alles ziemlich zerrüttet und düster und sieht aus wie auf einem Wave-Gothik-Treffen (lange Gewänder, Kutten und Haare, Männer mit viel Bart, Frauen mit Mieder), außerdem trinken alle aus Hörnern und essen mit den Händen. Die Serie ist sehr brutal, viele sagen: "archaisch". Es gibt zum Beispiel rituelle Opferungen und es wird in Blut gebadet. Im Zug kann man sie nicht besonders gut anschauen, weil sich dann ältere Damen auf dem Nebensitz beschweren.

Wer spielt mit?

Die Figuren sind Bürgermeister Carcetti aus "The Wire", ein Zwerg, der von einem Kleinwüchsigen gespielt wird, der zum Sexsymbol wurde (das selbst aber für großen Quatsch hält), seine Prostituierte alias Sibel Kekilli, die manchmal nackt ist und damit Aufsehen in deutschen Boulevard-Medien erregt, Könige und andere starke Männer mit Harnisch und Schwert, und Kinder mit wirrem Haar, Dreck im Gesicht und großen Kulleraugen. Irgendwie haben sie alle miteinander zu tun und hängen in dunklen Burgräumen oder im Wald rum. Die heimlichen Stars der Serie sind die Drachen. Bonus: Baby-Drachen.  

So ist es, diese Serie anzuschauen:

So wie "Herr der Ringe" lesen, weil sich jemand ein komplettes Universum ausgedacht hat, in das man eintauchen kann, anstatt seine Hausarbeit zu schreiben oder für die Prüfung zu lernen. Es macht extrem süchtig und man kann sich stundenlang damit beschäftigen, Karten studieren und Foren durchlesen. Außerdem muss man sich dringend für eines der Häuser entscheiden – nur, wer ein "Lieblingshaus" hat, ist ein wahrer "Game of Thrones"-Fan. Stets überlegen fühlen sich alle, die die Bücher gelesen haben, die als Vorlage dienen. Als neulich die letzte Folge lief, die extrem überraschend und brutal war (Achtung Spoiler: alle sterben und es nennt sich "Red Wedding"!), haben die Bücherkenner nur müde gelächelt und "Jetzt sieht man mal, wer wirklich Ahnung hat" gesagt. Wer alles gestorben ist, weiß ich nicht, ich hoffe aber, dass die drei, die ich persönlich kenne (Zwerg, Sibel, Carcetti), noch dabei sind.

Mercedes Lauenstein erzählt "Breaking Bad"

Darum geht's:

Um einen netten, unscheinbaren Mann, der von einem Tag auf den anderen zum Drogenhersteller wird, um seiner kranken Mutter die Krebstherapie zu bezahlen. Dieser Mann heißt Heisenberg und lebte, bis er erfuhr, dass seine Mutter krank ist, als total durchschnittlicher Nine-to-five-Lebensmittelchemiker in Philadelphia. Als er in einer schäbigen Bahnhofskneipe einem Typen am Flipper (dem durchtriebenen, dicken, kleinen, nicht ganz koscheren Drogendealer Jesse Pinkman)  seine Sorgen um die Mutter klagt, schlägt dieser ihm vor, einfach ins Drogenbusiness einzusteigen. Die beiden schließen einen Pakt, mieten schließlich ein total verknattertes Wohnmobil, in dem sie fortan ihre Drogen brauen und durchs Land touren, um sie zu verkaufen. Es beginnt hier nicht nur ein total verrückter, illegaler Roadtrip, sondern auch eine wunderbare Freundschaft zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und natürlich kriegen dei beiden es auf ihrer Odyssee nicht nur mit irren mexikanischen Drogenbossen zu tun, sondern auch mit ihrem eigenen Gewissen: Hier werden Moral und Unmoral, Selbstlosigkeit und Gier, Macht und Machtlosigkeit, Krankheit und Tod mit viel Sarkasmus, aber nie ohne die nötige intellektuelle Tiefe verhandelt. Man könnte auch sagen: Hier ist ein völlig neues Format des Geschichtenerzählens entstanden.

Wer spielt mit?

So typische HBO-Serienschauspieler: Noch nie vorher gesehen, aber unfassbar gut. Bestimmt werden die herangezüchtet, so wie in Joey Goebels "Vincent".

So ist es, diese Serie zu schauen:

Saulustig, gleichsam rührend, ein bisschen wie "Fear and Loathing in Las Vegas". Es geht ja ständig etwas lebensbedrohlich schief, in sehr vielen Einstellungen raucht und dampft und ätzt es, weil immer Drogen hergestellt werden und Heisenberg als verrückter Chemieprofessor total überfordert ist von seinem neuen Leben als Krimineller. Er wollte doch nur seiner Mutter helfen! Jesse wärenddessen tut das, was er am besten kann: Verdorbene Witzchen reißen. Er raucht eine Bong nach der anderen und freut sich diebisch, endlich seine persönliche Drogenquelle gefunden zu haben. Böse sein kann man ihm deshalb nicht: Er ist einer diese liebenswerten Ganoven, die das Leben alles andere als ernst nehmen und die ständig nur high sind, quiken und jauchzen. Letztlich hilft er Heisenberg so ja auch, die Schwere des Lebens zu überwinden. Dieser Jesse ist deshalb übrigens auch die wirkliche Hauptperson und der Publikumsliebling. Er sagt immer so Insidersachen die alle irgendwas mit YEAH beinhalten, die man als Fan der Serie in fast jeder Alltagssituation gesamtsituationsauflockernd bringen kann. Achso, und die Serie bildet natürlich auch: Sie ist Lehrstück über das schlechte Gesundheitssystem in den USA, das nämlich Menschen von Lebensmittelchemikern zu Drogenganoven macht.  

Jan Stremmel erzählt "Girls"

Darum geht’s:

Eine auffallend unattraktive junge Frau zerbricht an New York. Beziehungsweise zerbricht sie nicht so richtig, sie leidet nur so vor sich hin. Und zwar genau in der bekömmlichen Dosis, die gerade so normal wirkt, dass Millionen anderer junger Frauen mit ihr mitleiden wollen. Meist drehen sich die Folgen also um Fragen wie "Abtreibung: ja/nein?", "Genitalherpes: schlimm oder nicht so?" und "Mama, hast du noch 'nen Hunderter für mich?"  

Dabei hängt die auffallend unattraktive junge Frau mit einem sympathischen Freundeskreis herum, der löblich nach Hautfarbe und Bildungsschicht durchmischt ist. Nein, Moment, der Witz war doch, dass ihr Freundeskreis ausschließlich aus weißen, verwöhnten Mittelschichtkids besteht, denen doch eigentlich immer alle Türen offen undsoweiter... Es wird jedenfalls reichlich gevögelt, und dabei bleibt die Kamera immer genau elf Sekunden zu lang auf den mozzarellafarbenen Problemzonen, was aus irgendeinem Grund alle super finden. 

 

Wer spielt mit?

Diese auffallend unattraktive junge Frau heißt Lena Dunham, ob in echt oder in der Serie weiß ich nicht, vielleicht auch beides. Sie hat jedenfalls auch das Drehbuch geschrieben, singt nebenbei in einer Band und trägt ein Tattoo auf dem Rücken.  

 

So ist es, die Serie anzuschauen:

"Girls" guckt man als eine Art Revanche an "Sex and the City". Der olle Manolo-Blahnik-Porno stolzierte ja immer meilenweit am eigenen Leben vorbei. Mollige und erfolglose Frauen hingegen, die schlechten Sex, Spliss und HPV haben – das ist die Marktlücke, in der sich "Girls" lustvoll wälzt.

 

 

Dorian Steinhoff erzählt "Arrested Development"

Darum geht’s: 

"Arrested Development" zeigt eine Familie im ständigen Ausnahmezustand. Ich weiß, dass der Vater in den Knast kommt und das Familienvermögen (von dem alle leben, ohne je gearbeitet zu haben) eingefroren wird. Alle Familienmitglieder sind nur auf ihren eigenen Vorteil aus. Überhaupt benehmen sich alle immer vollkommen unmöglich. Die Familie ist relativ groß. Wichtig ist ein Sohn, wahrscheinlich der einzige ehrbare Protagonist der Serie. Er versucht, die Familie zusammenzuhalten. Trotzdem geht ständig alles schief und nichts funktioniert so wie es sollte. Alle schwärmen davon, wie gut die Serie konstruiert sei. Es gibt Dead Ends und für den Handlungsverlauf vollkommen unsinnige Szenen. Die Staffelfinals sind immer ein totales Feuerwerk, bei dem natürlich mindestens ein Hubschrauber explodiert, auch, wenn das unwichtig ist. 

Wer spielt mit? 

Die übrigen Familienmitglieder. Natürlich die Mutter und ein weiterer Bruder, der Zauberer ist, manchmal Segway fährt und dabei Glitzer regnen lässt. Außerdem gibt es noch eine Schwester und ihren Mann. Die Schwester ist wie ihre Mutter und beschäftigt sich nur damit, das Familienvermögen bei raubzugartigen Shoppingtouren auszugeben. Ihr Mann ist eigentlich schwul. Vor allem aber ist er ein "never nude": Er ist niemals nackt, nicht einmal unter der Dusche. Alle Schauspieler sollen durchweg grandios sein. Das Ensemble vereint viele bekannte Gesichter, die man aus anderen Sitcoms kennt.    

 

So ist es, diese Serie anzuschauen:

Natürlich ist es sehr, sehr lustig. Alle Witze sind schlau und originell und man glaubt, sie noch aus keiner anderen Sitcom zu kennen. Vor allem fragt man sich die ganze Zeit: Wer zur Hölle denkt sich so was aus? Und wie macht er das? Die Serie schafft es außerdem, dass man alle Personen mag, obwohl sie so unmöglich sind. Weil alle Folgen so schön kurz sind, kann man sie sehr gut während des Gemüseschneidens und Kochens angucken. Außerdem ist alles so unterhaltsam und unverfänglich, dass man alle Staffeln am Stück jedes Jahr während der Weihnachtsfeiertage mit seiner Familie schauen will. Dabei kann man die ganze Zeit denken: Ach, bei denen ist alles noch viel schlimmer. Und man hat keine Zeit, sich selber zu streiten.  

 

Michele Loetzner erzählt "House of Cards"

Darum geht’s:

Kevin Spacey ist ein widerliches Arschloch. Wie immer. Und diesmal setzt er seine Widerwärtigkeit da ein, wo man sie am exzessivsten ausüben kann, nämlich in der Politik. Er ist bei den Demokraten dafür zuständig, dass alle seine Parteihäschen so abstimmen, wie er das will. Nebenbei intrigiert er gegen Konkurrenten und Kollegen gleichermaßen. Dafür scheut er auch nicht vor Erpressung oder Korruption zurück. Am meisten hasst er den Präsidenten, denn der hat ihn nicht Außenminister werden lassen – also das klassische Du-hast-mir-meinen-Bagger-weggenommen-Problem und jetzt machen sie sich im Sandkasten, äh, Kongress alle schmutzig.

Wer spielt mit?

Wie gesagt: Kevin Spacey. Und der vögelt die Tussi aus Veronica Mars. Oder war das diese andere House-Serie? House of Lies? Mal ehrlich, warum müssen zwei Serien gleichzeitig laufen, die total ähnlich klingen und auch noch irgendwas mit Intrigen zu tun haben? Aber ich glaube, Kristen Bell war doch in der anderen Serie, wo es um Unternehmensberater geht. In "House of Cards" schläft Kevin Spacey mit der Exfrau von Sean Penn. Die Serie ist übrigens von David Fincher, der von "Seven" und "Fight Club". Der weiß also aus Erfahrung, was Kevin Spacey für ein Arschloch sein kann, rein schauspielmäßig natürlich.

 

So ist es, diese Serie anzuschauen:

In "House of Cards" sehen alle so aus, wie man sich in Hollywood Politiker vorstellt: Die Guten tragen schlechte Anzüge, die Bösen teure Anzüge. So weiß man als Zuschauer immer gleich, wem man trauen kann, mit wem man Mitleid haben muss oder wer gleich mit der Tochter seines besten Freundes schläft. Überhaupt scheinen in der amerikanischen Politik alle nur an Sex interessiert zu sein. Zu sehen bekommt man aber nix richtig, ist ja Amerika. Natürlich tun die Produzenten so, als wäre das Drehbuch völlig frei erfunden. Dabei zwinkern sie aber so viel mit den Augen, dass auch der letzte Depp kapiert, dass die Ereignisse von realen Vorkommnissen inspiriert wurden. Einer von den Geld-Reinpumpern, Beau Williams, hat nämlich mal die echte Hillary Clinton im Wahlkampf unterstützt. Kurzum, muss man wohl dringend schauen – schon allein, um ein paar neue Arschloch-Sprüche von Kevin Spacey zu lernen.

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