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Die Nebenberufs-Rapper

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Bushido früher: Bevor Bushido Ende der 90er über Graffiti zum HipHop kam und innerhalb von zehn Jahren zum erfolgreichsten deutschen Rapper mutierte, hat er das Kleinkriminellen-Klischee des Großstadt-Jugendlichen mit Migrationshintergrund erfüllt und sich ein ordentliches Zubrot durch den Verkauf von Drogen verdient. Vom Gericht vor die Wahl gestellt zwischen Jugendgefängnis und einer Ausbildung zum Maler und Lackierer, hat er sich dann für Letzteres entschieden und nach drei Jahren erfolgreich die Gesellenprüfung bestanden. Sogar bei der Polizei hatte sich Bushido einst beworben – wurde aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit jedoch abgelehnt. Bushido heute: Ja, Bushido ist Deutschlands erfolgreichster Rapper. Sonderlich viel Zeitaufwand scheint damit jedoch nicht verbunden zu sein – anders ist die Bewerkstelligung seiner diversen Nebentätigkeiten ansonsten kaum zu erklären. Er ist Chef der Plattenfirma Ersguterjunge, Designer der Premium-Textil-Marke Ferchichi, Ladenbesitzer des Bushido-Stores, Mitinhaber einer Immobilienfirma und Bestseller-Autor seiner eigenen Biografie. Als Schauspieler hat er soeben die Dreharbeiten an „Zeiten ändern sich“ abgeschlossen und die Spekulationen über den Start einer „Bushido sucht seine Traumfrau“-Castingshow reißen ebenfalls nicht ab. Kürzlich hat Bushido sogar erwähnt, dass er sich durchaus eine Karriere in der Politik vorstellen könnte – „Vom Bordstein zum Bundestag“ sozusagen. Ein knallharter Geschäftsmann scheint er jedenfalls zu sein, vielleicht mag ihm bald ja mal jemand den undankbaren Posten des Finanzministers anbieten. Einen „Heavy Metal Payback“ könnten Deutschlands Kassen jedenfalls gut gebrauchen.


Sido früher: Seine Begeisterung für Rap hat Sido bereits früh entdeckt und sich daher als Jugendlicher klischeegemäß vorrangig auf den Konsum von Drogen und das Kreieren von Musik konzentriert. Die angefangene Ausbildung zum Erzieher war da eher ein Klotz am Bein und ist deshalb irgendwo zwischen dem Verfassen seines legendären „Arschficksongs“ und B-Tights „Ich bin clean“ auf der Strecke geblieben. Vermutlich wusste Sido damals schon, was er 2007 in Reimform packen sollte: „Ich bin ein schlechtes Vorbild.“ Sido heute: Der „Berlin bleibt hart“-Schlachtruf von damals wird zunehmend leiser. Bei Sidos Sektenmuzik-Label hört man ihn manchmal noch, und auch in seiner Biografie „Ich will mein Lied zurück“ konnte man ihn noch ab und an zwischen den Zeilen lesen. Ansonsten passt das jedoch nicht mehr so ganz in den Business-Plan des „Super-intelligenten Drogenopfers“. Super-intelligent wie er ist, hat Sido sich nämlich genug potenzielle Standbeine aufgebaut, um seinen beruflichen Weg zukünftig auch ohne Rap und HipHop beschreiten zu können. Am liebsten vor der Fernsehkamera: Als Moderator (bisher bei der Comet-Verleihung 2007 und bei Urban-TRL), Schauspieler (bisher hatte er eine Gastrolle im Film „Männersache“, aber auch über ihn ist ein abendfüllender Spielfilm geplant), Castingshow-Jurymitglied (bisher bei „Popstars“, aber „DSDS“ findet er besser) oder Hauptdarsteller von Infotainment-Dokumentationen (bisher bei „Sido geht wählen“ auf Pro7). Auch Jobs als Werbeträger (für den Mobilfunkanbieter Vybemobil) machen ihn einmal mehr zum „Goldjungen“ – und wer weiß, was noch kommen mag. Vor kurzem hat Sido jedenfalls noch eine eigene Management-Firma aus der Taufe gehoben, was zukünftig wohl eher auf Strippenzieherei hinter den Kulissen schließen lässt. Der „Junge von der Straße“ ist längst Geschäftsmann im Unterhaltungsbereich.


Kool Savas früher: Der „King Of Rap“ konnte wohl nur zu dem versierten Techniker werden, der er heute ist, weil er sich seit jeher vornehmlich auf die Musik und die Verbesserung seiner lyrischen Fähigkeiten konzentriert hat. Lediglich einen dokumentierten Schritt in ein anderes Metier hat Savas vor dem Start seiner Rap-Karriere getan, und zwar in Richtung Schauspielerei. 1997 hatte er eine tragende Rolle im Film „Geschwister“ von Thomas Arslan. Heute ist ihm das peinlich. Kool Savas heute: Von allen hier dargestellten Künstlern ist Savas definitiv derjenige, dessen Fokus noch am meisten auf der Musik liegt. Komisch eigentlich, denn die diesjährige Schließung seines Optik-Labels müsste eigentlich erhebliche Zeitkontingente freigeschaufelt haben. So könnte er zum Beispiel an der Perfektionierung seiner Synchronsprecherfähigkeiten feilen, die er bereits in der „South Park“-Folge „Die Hölle auf Erden“ unter Beweis gestellt hat. Außerdem ist Savas passionierter Auto-Nerd und durfte sich in einem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburg-Ring schon mal semi-professionell an eine Karriere als neue Formel-1-Hoffnung herantasten. Aber stimmt schon: Als „King Of Rap“ hat man seinem Königreich gegenüber natürlich vor allem musikalische Verpflichtungen.


Samy Deluxe früher: Vor seiner Rap-Karriere war Samy Deluxe im Einzelhandel tätig und hat in einem Hamburger Klamottenladen Kleidsames an den Mann und die Frau gebracht. Im Jeans-Zusammenlegen macht ihm daher niemand etwas vor – eine Kernkompetenz, von der er im Alltag sicherlich auch heute noch profitiert. Samy Deluxe heute: „Zornig!“, so ein Stück vom knapp zehn Jahre alten Dynamite-Deluxe-Debüt, und genau so hat Samy sich in seiner Anfangszeit oft präsentiert. Wo Samy früher noch alles sportzigarettenrauchvernebelt durch eine „Grüne Brille“ gesehen hat, sieht er heute allerdings glasklar – und zahlt auch gerne dafür, wie er uns als GEZ-Testimonial von deren Werbeplakaten wissen lässt. Auch das Bekleidungsbusiness hat ihn nie ganz losgelassen, und so hat er in Kollaboration mit New Era und Reebok seit 2006 ein eigenes Cap und eine Samy-Deluxe-Sneaker-Kollektion auf den Markt gebracht. Sein Label Deluxe Records hat vor kurzem seine Pforten geschlossen, wodurch ihm endlich mehr Zeit bleibt, sich auf seinen Bildungsauftrag zu konzentrieren und sich zum Wohle der Jugend vor den öffentlich-rechtlichen Infotainment-Karren spannen zu lassen: Als Deutschalndreisender für eine fünfteilige Dokureihe von ZDF-Info. Die letzte Folge von "Dis wo ich herkomm" läuft am Freitagabend (21 Uhr). Samy besucht dabei unter anderem das Schloß Neuschwanstein und im Anschluß wird, wie sich das für gutbürgerliche Unterhaltung gehört, das Gesehene in einer Talkrunde diskutiert. *** Und das Ende vom Lied? Es scheint offiziell zu sein: Auch deutscher Rap ist erwachsen geworden. Aus den fäkalsprachversierten Krawallheimern von früher sind mittlerweile Immobilienunternehmer und Top-Manager geworden. Und wahrscheinlich muss das auch so sein. Nicht nur zur finanziellen Absicherung der „Bad Boys“ und „Rüpel-Rapper“ selbst, sondern vor allem deshalb, weil alles andere langweilig, unglaubwürdig und dumm wäre. Ein immerwährendes HipHop-Credo lautet schließlich nach wie vor „Keep It Real“ – und wer Weiterentwicklung unauthentisch findet, hat irgendwas nicht verstanden.

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