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Die Tumblr-Elite

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Zu diskutieren, was genau eigentlich "Elite" ist, ist ziemlich zäh: "eine Gruppierung überdurchschnittlich qualifizierter Personen" lautet die offizielle Definition. Wer sich genau dazu zählen darf, ist unklar. Der Begriff "Elitarismus" ist doch schon um einiges einfacher: Damit werden Menschen bezeichnet, die von sich selber denken, einer Elite anzugehören. Menschen, die man in Unis, Parteien und Schulen findet. Und in den Foren von Karriere- und Stipendiennetzwerken*.

Die Fragen, die den Menschen dort unter den Nägeln brennen, sind natürlich nicht immer feinsinnig. Neben Diskussionen um die besten Unibücher und Profs gibt es dort natürlich auch Fragen zum Wäschewaschen und Trolle. Der übliche Wahnsinn in Foren halt.

Ein Münchner Student Mitte zwanzig, den wir der Einfachhalt halber Florian nennen, hat nun allerdings eine dritte Fragekategorie aus diesen Foren entlarvt und auf einem Tumblr veröffentlicht: Elite-Klischee-Sorgen. "Ein Freund schickte mir aus so einem Forum die Frage 'Wie erkläre ich meiner Oma McKinsey?', bereits von ihm in einen Tumblr eingebaut. Das fanden wir dann so lustig, dass wir nach noch mehr Aussagen in diese Richtung gesucht haben", erzählt Florian. Auf eliteqanda.tumblr.com waren daraufhin mehrere Tage Fragen wie "Laufen gehen für den Lebenslauf?" oder "Du 'Elite', dein Partner nicht? Wie geht ihr damit um?" zu lesen, gezogen aus den Florians Aussage nach immer für einen kurzen Zeitraum öffentlich zugänglichen Forums-Fragen eines Karrierenetzwerkes. Namen der Fragesteller oder der Ursprungsseite wurden dabei nicht genannt. Unabhängig mal davon, wie ernst diese Fragen ursprünglich gemeint waren - ihr Best-of an First-World-Problems las sich dann doch sehr lustig-zynisch.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wie so oft bei Tumblrn, verselbstständigte sich der Blog. Zeit Campus und auch jetzt.de posteten den Link, auf Facebook ging der Tumblr viral. Und in Deutschlands Stipendien- und Karriereförderungsnetzwerken wurde eifrig diskutiert. Ist das echt? Sind "wir" wirklich so schlimm? Auch die Frage, ob Stipendiaten sich automatisch als Elite wahrnähmen, tauchte immer wieder auf. Florian freute sich über so viel Feedback: “Der tumblr wurde sehr kontrovers diskutiert, das war interessant zu beobachten. Anscheinend gab es da Diskussionsbedarf. Gefühlt waren aber 90 Prozent der Reaktionen positiv." Eine andere, immer wieder aufploppende Frage, war da allerdings weniger erfreulich: Darf man das überhaupt aus datenschutzrechtlicher Sicht?

Zunächst sagte Florian "ja": "Alle Inhalte die wir veröffentlicht haben, waren kurzzeitig öffentlich zugänglich. Datenschutzrechtlich hatten wir da keine Bedenken." Das Karrierenetzwerk sah das allerdings skeptischer. Schließlich muss man Teil eines Stipendien-Netzwerkes sein, um ihrer Community mitdiskutieren zu dürfen. Daraus öffentlich zu zitieren, zerstöre das Vertrauen der Nutzer.

Der Eintrag auf der Zeit-Campus-Facebookseite wurde daraufhin gelöscht. Da machten sich auch Florian und seine Freunde Sorgen. Für sie war immer klar gewesen, dass es sich bei den zitierten Aussagen um Einzelfälle handelt. Kuriose oder besonders klischeehafte Momentaufnahmen, über die man lachen darf. Aber scheinbar hatten das nicht alle so verstanden. Am Freitag nahmen sie ihren Tumblr offline: "Natürlich auch wegen des Datenschutzes. Aber es ging uns auch darum, dass wir niemandem persönlich auf die Füße treten wollten", sagt Florian. Von dem Netzwerk selber habe sich bis dahin niemand bei ihm persönlich beschwert.  "Hätten die oder einer der Fragesteller sich selbst bei uns gemeldet, hätten wir die Sachen auch direkt offline genommen", sagt er. Erst nachdem jetzt.de dort um eine Stellungnahme bat, bekam Florian eine Mail von dem Netzwerk. Den Tumblr hat er daraufhin gänzlich gelöscht.

Innerhalb der Foren geht die Diskussion natürlich trotzdem weiter. Wie ernst darf eine zukünftige Elite sich nehmen? Zeigt das Löschen des tumblrs nicht erst recht, das man sich noch viel zu wichtig nimmt? Oder war es vielleicht auch mal an der Zeit, die Ängste von Stipendiaten öffentlich zu machen? Florian selbst ist mittlerweile ganz froh, dass der Hype um das Blog vorbei ist: Ein bisschen froh ist er aber auch über die Entwicklung: "Natürlich ist es schade, dass wir den Tumblr offline nehmen mussten. Anfangs war es ja schon auch spannend, die Zugriffszahlen und Reaktionen zu verfolgen. Aber für uns bedeutet das auch weniger Stress. Jetzt kann ich mich zumindest wieder meiner Abschlussarbeit widmen.”

*Auf Wunsch des interviewten Studenten und des betroffenen Netzwerkes, werden in diesem Text keine Klarnamen genannt.



Text: charlotte-haunhorst - Illustration: Yinfinity

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