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Diese Jugend! – Die Online-Generation im Fünf-Länder-Vergleich

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Gegenüber älteren Generationen unterscheide sich die junge Zielgruppe durch die Bedeutung, die der Musik und den neuen Medien beigemessen wird, sowie die noch unterentwickelte Neigung, Prioritäten zu setzen. Außerdem seien Internet und Handys wichtige mediale Bezugspunkte für junge Menschen. Als Gemeinsamkeit der untersuchten Jungmenschen wird ein "hedonistischer Lebenshunger und ein Fokus auf die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit" angemerkt. Ach so. Unterschiede statuiert die GfK indes zwischen den Verhaltensnormen der Jugendlichen in den verschiedenen Ländern. Und hier wird's interessant: Nach altem MaFo-Brauch werden den erforschten Nationen entsprechende Kategorien zugewiesen. Daraus entstehen länderspezifische Verhaltensmuster, die ein merkwürdiges Bild von der europäischen Jugend zeichnen. Basierend auf den Verhaltenskategorien hat jetzt.de die Typologie der europäischen Online-Generation im Fünf-Länder-Vergleich erstellt. Auf der nächsten Seite geht's los mit einem Überflieger.


Er hat einen geregelten Tagesablauf. Denn sein Lebensziel, Top-Manager zu werden, – so hat er aus dem von ihm mehrmals täglich konsultierten Internet-Karriereportal erfahren – lässt sich nur über Disziplin und Ordnung erreichen. Sein 20-Stunden-Tag beginnt um sechs Uhr früh. Voller Tatendrang verlässt er sein schlichtes Einzimmer-Appartment, das er aufgrund der besseren Arbeitsatmosphäre einer WG oder dem Studentenwohnheim vorgezogen hat. Sein Tagesablauf ist nach der McKinsey's-Schedule für Jungmanager strukturiert: Tagesordnungspunkt 1: Fitness-Studio. Gutes Aussehen öffnet so manche Tür. Früher ging er joggen, aber die Connections, die er in der im Bankenviertel angesiedelten Muckibude macht, sind ihm den Mitgliedsbeitrag wert. Tagesordnungspunkt 2: Seminar in der Warsaw School of Economics. Der Laptop ist ständiger Begleiter, dient aber eher dem Surfen als dem Mitschreiben. Was der Professor sagt, hat der immer gut informierte junge Mensch sowieso schon während der U-Bahn-Fahrt in der Financial Times gelesen. Tagesordnungspunkt 3: Kellnern in der edlen VIP-Bar um die Ecke. Eigentlich müsste er hierfür zu stolz sein - ist er aber nicht, denn er weiß: Arbeit adelt. Außerdem ist das Essen hier umsonst, und das Notebook, der Palm und der geleaste Audi A4 bezahlen sich nicht von selbst. Tagesordnungspunkt 4: Bis spät in die Nacht lernen - er will schließlich als Jahrgangsbester den Abschluss machen. Die GfK nennt ihn: Den besonders leistungsorientierten Polen +++ Auf der nächsten Seite: Nörgelig, aber selber lahm


Er verbindet mühelos scheinbar unvereinbare Eigenschaften in einer Person. So ist er einerseits kritisch und meckert gerne an allem und jedem herum, hat aber andererseits keinerlei Ehrgeiz, Dinge zu verändern oder zu verbessern. Diese Haltung zieht sich durch seinen gesamten Alltag. Deshalb glaubt er erst mal prinzipiell nicht, was in der Zeitung steht, macht seiner Wut über Politik am Stammstisch Luft, zählt an der Kasse dreimal sein Wechselgeld nach und lädt vorsichtshalber nur heimatliche Produktionen auf seinen MP3-Player. Von allen Nicht-Einheimischen fühlt er sich prinzipiell benachteiligt und unverstanden, weswegen er sein kleines Land am liebsten gar nicht verlässt. In seinem Leben regiert die Gemütlichkeit, und die gibt er nur ungern auf – schließlich gehört ein guter Rausch auch gut ausgeschlafen. Die Beschaulichkeit der abgeschiedenen Landesregionen stört ihn da wenig, denn den modernen Leistungsdruck lässt er bei ein paar Weißbier gerne vorbeirauschen. Und was ist schöner, als auf einer Almwiese zu liegen, die Haferlschuhe aufzuschnüren und den Madln auf die Wadln zu schaun. Die GfK nennt ihn: Den besonders kritischen, aber wenig leistungsorientierten oder ehrgeizigen Österreicher +++ Auf der nächsten Seite: Lustfeindlich und pflichtvergessen


Morgens duscht er kalt. Das macht frisch, hält gesund und kostet weniger als eine Warmduscher-Dusche. Eigentlich müsste er joggen gehen, denn seine passive Antihaltung hat ihn fett gemacht. Leider ist Sport treiben im Moment aber ziemlich hip, darum lässt er's lieber sein. Solche Informationen bezieht er aus schwarzweiß gedruckten Randgruppen-Fanzines über alternative Lebensart, denn in den anderen Zeitungen stehen nur Sachen, die die breite Masse gleichschalten sollen - da macht er nicht mit. Er wärmt sich den Kaffee von gestern in der Mikrowelle auf und kippt ihn eilig herunter. Schwarz natürlich. Kaffee soll wehtun und wach halten - dieses alberne Frozen-Latte-Macchiato-to-go-Gehabe geht ihm auf den Keks. Er schwänzt die Schule/Uni/Arbeit und trifft stattdessen lieber andere Unangepasste in einem kargen Keller, um mit ihnen stundenlang über Wege aus dem kulturellen Imperialismus, bedrohte Pflanzenarten und veganes Schuhwerk zu diskutieren. Zum Zeichen ihrer Andersartigkeit knüpft die junge Gruppe einen betont formlosen Makramee-Teppich, der niemals fertig werden darf. Alkohol trinkt er nur, um zu vergessen, dass die Miete noch bezahlt werden muss. Was soll's – zur Not zahlen die Eltern. Außerdem ist wohnen sowieso total überbewertet. Die GfK nennt ihn: Den am wenigsten genussfreundlichen Deutschen, der aber gleichzeitig auch die geringste Lust zeigt, sich anzupassen oder pflichtbewusst zu sein +++ Auf der nächsten Seite: Gruppendynamische Hedonisten


Freundlich zwinkert er am Morgen seinen beiden Mitbewohner(inne)n zu, mit denen er gestern Nacht mal wieder in der Falle gelandet ist. Das passiert schon mal, wenn man sich so gut versteht, ist aber auch überhaupt kein Problem. Ihnen war halt danach. Denn schließlich machen sie hierzulande gern mal was als Gruppe. Und sie sind sehr spontan: Jedes Jahr verunglücken Tausende junger Einwohner bei Fecht-Duellen, Kopfstand-Marathons und Rennen mit geklauten Autos, zu denen sie die pure Lust einfach hingerissen hat. Sich aus Bock ins Koma saufen geht in ihrem Land allein aus Kostengründen nicht so gut – obwohl auch hier die ausgeprägte Gruppendynamik des Landes zum Tragen kommt: Analog zur Flatrate-Party wird bei der so genannten Dial-Up-Party eine Flasche Bier, die von allen gemeinsam finanziert wurde, unter sechs bis zehn Teilnehmern aufgeteilt. Danach geht's ab in die Sauna – sofern alle gerade Lust drauf haben. Oder sie rasieren sich alle gegenseitig die Schädel und brechen dann, die Nationalhymne singend, in eine Schokoladenfabrik ein. Hauptsache, alle machen mit. Die GfK nennt ihn: Den besonders gemeinschaftsorientierten Schweden, der gerne das macht, worauf er gerade Lust hat Auf der nächsten Seite: Rücksichtslose Geldverbrenner


Beziehungen halten bei ihm maximal zwei Tage. Er braucht seinen Freiraum, und wenn das mit seiner Karriere weiterhin so steil bergauf gehen soll wie bisher, hat er für einen festen Partner sowieso keine Zeit. Sein Leben ist wild, aufregend und teuer. Er kokst wie ein kolumbianischer Ziegenhirt und verbrennt an einem Wochenende locker 10 000 "Flocken" für textile Unikate, beim Hunderennen und in VIP-Clubs, in denen er ständig wechselnde Bekanntschaften aufreißt, um mit ihnen ungeschützten Hochleistungssportsex zu haben. Nicht gerade billig ist auch sein Rennmotorrad, mit dem er bei konstant überhöhter Geschwindigkeit in Wohngebieten kleine Kinder und alte Omis über den Haufen fährt. Natürlich ohne Helm. An der Schule/Uni/Arbeitsstätte zeigt er seine Ellenbogen. Bis zu seinem 24. Lebensjahr hat er im Schnitt 14,8 Mitschüler, Kommilitonen und Kollegen in den Suizid oder wenigstens in die Arbeitslosigkeit gemobbt. Reue zeigt er nicht, denn er lebt nur heute, und an der Spitze gibt es eben nur Platz für einen. Die GfK nennt ihn: Den einkommenshungrigen, eigenständig sein wollenden Briten mit wenig Sicherheitsbedürfnis und der geringsten Orientierung gegenüber anderen Illustrationen: Dirk Schmidt

Text: henrik-pfeiffer - Anna Tillack; Christian Helten

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