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Discogedöns in mehreren Katastrophenabschnitten

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Am Ende sitze ich da, rauche verzweifelt Tabak und trinke dabei straight Wodka und Pfefferminztee mit Honig. Die Mischung machts. Dazu höre ich allen Ernstes Whitney Houston und denke über eine ausgewogene Depression nach. Ich habe mal eine Talkrunde auf 3 Sat gesehen, da ging es um Kreative und Neurotiker. Popstars und so Gedöns. Da sagte ein schlauer Mann mit Brille, Leute die Schreiben haben sowieso statistisch gesehen ein Alkoholproblem. Säufer. Alle miteinander. Schick dachte ich mir damals im Montagdöselschlaf, habe ich jetzt für immer als Ausrede parat. Ich muss früher oder später so oder so total Alkoholkrank sein und Wirre Novellen über den Untergang von Rave schreiben. Ist ja klar. Also, straight on, nicht links, nicht rechts, immer nur Geradeaus. Am Ende ist man ja sowieso nur froh, wenn man noch gerade stehen kann, den Haustürschlüssel noch hat und den Stolz nicht links hinterm Klo in der Disco vergessen hat. Oder so. Aber, ach, was solls, Discoglitter schimmert auch nur in der Disco, draußen bei Tage sind es auch nur Silberschnipselpapierdinger, die man leicht mit Dreck verwechseln könnte. Das ist ja mit einigen Dingen in der Disco so. Manch einer wacht nach einem gehörigen Rausch auf und beim Anblick auf den fremden Menschen auf der Matratze rasselt es nur „Verdammte scheiße, wie konnte mir das denn nur passieren?“ durch beide Gehirnhälften und der Präfontallappen scheint gleichmäßig perforiert zu sein. Tipp: Discoklo, hinten links in der Ecke, mal schauen ob der Stolz noch da rumliegt. Nicht umsonst ist „Amok mit vier Buchstaben? MDMA!“ meine neueste Lieblingsfloskel.

Heute hatten wir Discogedöns in mehreren Katastrophenabschnitten. Abschnitt Eins fing in der Roten Flucht an. Nachdem ich mich mit ausreichend Frischluft versorgt hatte, schrappte ich an der Bar in der Roten Flucht vorbei und trank elegant einen vierfachen Wodka auf Eis und schubste dann ein paar Bergheimer durch die Gegend. Durch den Nieselregen ging es dann für mich weiter zum Subway. Dort kam Abschnitt Zwei. Unten hingen schon einige Studenten herum und ich fragte mich, wer zum Teufel hat eigentlich die ganzen Raver entführt und durch Studenten ersetzt? So macht das doch alles gar keinen Spaß. Außerdem arbeiten im Subway ja jetzt auch so zwei Studentinnen hinter der Theke die mit unser eins abstruse Dialoge führen. Die erzählen dann Nachts um zwei ernsthaft von ihrem Germanistikstudium und fragen schockiert „32? Aber willst Du denn nicht auch mal Kinder?“. Total prima. Du brotloser, Schnapssaufender Schallplattenunterhalter, willst Du denn nicht mal Kinder?. Aber man erträgt ja so einiges. Da bestellt man zwei Wodka, einen braunen Tequilla, zwei Wasser und ein Pils und bekommt drei Wodka, einen weißen Tequilla, ein Wasser und ein Pils. Super. Das üben wir aber noch mal. Nächsten Samstag. Dann bestelle ich noch viel verquerere Runden. Ich habe Übrigens im Alleingang eine volle Maschine von Erdbeerdaiquiri getrunken. Ich habe mit den Studentenschnicken sowieso noch eine Rechnung von letzter Woche offen gehabt. Als sie uns den Schnaps verweigerten und uns mit Flaschenbier ruhig stellen wollten. Wir haben locker einen neuen Rekord an versoffenen Karten aufgestellt. Wenn man die mit den Karten von Freitag addiert wird einem sicher schwindelig. Ich habe mir auch sagen lassen, unser Ravegeschwader sei wie ein Schwarm Heuschrecken die über eine Bar herfallen. Ja, da ist etwas dran. Auf der Lesungsnummer letzte Woche hatte man wohl panische Angst, wir könnten den Minimalgewinn aus Versehen versaufen. Also gab man uns einfach nichts mehr – das war uns aber egal, wir haben dann die Kühlschränke einfach selber aufgemacht. Ich hörte auch bereits das leise Gerücht von einem Kartenlimit für das Ravegeschwader. Denen werden wir in den nächsten Wochen erst mal zeigen, wo der Ravehammer hängt. Die Studenten hinter der Theke meinen ja auch, sie könnten uns sagen, wann die Party vorbei ist. „Wir wollen jetzt aber nach Hause!“. Das ist uns doch scheiß egal. Das ist Euer verfickter Job uns den Schnaps zu geben und das auch so lange wie wir wollen. Und getanzt wird sowieso auch so lange wie wir wollen. Ihr habt keine Lobby. Ihr habt verloren. Taximethode für die Tussen an der Bar. Abschnitt drei begann nach Sid Le Rocks Liveact. Irgendjemand war so bescheuert und hat Thomas Venker von der Intro hinter die Plattenspieler gelassen. Wir mussten ganz fürchterlich schlimme Sachen hören und den Venker und sein Gefolge mit Obst bewerfen, damit das Drama ein Ende hatte. Da ist es mal so lange, so voll und die Hütte wackelt und dann so eine Musikredakteuren Egofucker Nummer morgens um halb fünf. So eine verdammte Scheiße. Rasend schnell sank die Anzahl der Anwesenden auf der Tanzfläche. Die Evil Schnarchnase war mit erstaunlich fescher Laune in den Laden gefallen und vergriff sich spontan auch den Vorhandenen Platten. Ab da war alles so oder so nur noch egal. Total egal. Es herrschte Konsequente Verwirrung bei allen Beteiligten. Ich verprügelte aus Spaß Frank Martiniq auf der Tanzfläche. Er wollte es nicht anders. Ich habe ihm direkt zu Anfang gesagt, er soll dran denken, dass ich größer und stärker bin als er. Im nächsten Moment trat er mich in den Arsch und ich trat zurück und er segelte 4,5 Meter durch die Disco. Das ging ziemlich lange so. Ich glaube, morgen ist der gut voll mit Blauen Flecken. Außerdem schüttete er straight eine halbe Flasche Wodka in den weit geöffneten Mund von Evil Schnarchnase. Der klebte dabei seltsam lasziv vor dem DJ-Pult und der Wodka floss in Strömen. Erinnern können sich natürlich beide wieder nicht dran. War ja klar. Hier kommt dann Abschnitt vier in Sachen Katasrophe und so. Am Ende gibt es keine Gage. Total geil. Wir haben soviel gesoffen wird uns mitgeteilt, da muss mal die Gage dran glauben. Ich glaube, wir sollten die Studentinnen von hinter der Bar mal im Getränkekeller einsperren.


Während also diese Getränkediskussion läuft klingelt es plötzlich. Das ist ja auch ganz absurd. Du stehst da im grellen Neonlicht, alles ist voller Dreck ein leises Rave Piano dudelt noch aus den Boxen und es klingelt. Es klingelt Sturm. In der Disco. Pah. Der Rest der Bande wollte eigentlich ins olle Lauschgift, aber das hatte zu. Es gab also nur einen Ausweg: die Rote Flucht. Da gingen wir aber sowieso nur mal alle kurz aufs Klo. Ich hatte nämlich bereits schon viel eher die absolut grandiose Idee gehabt, doch einfach die TausendBar aufzuschließen. Erst hieß es nein, zwei Stunden später war der Laden dann offen, der Hausbewohner von oben drüber lief Sturm und der Inhaber vom Laden tanzte auf der Theke. Die Gruppe war sozusagen live und direkt am Amok laufen. Ich saß derweil auf dem Ledersofa in der Ecke, studierte die Gesichter der Anwesenden und schwankte so Gemüts mäßig zwischen Verzweiflung und Hysterie. Alle hatten sich furchtbar lieb nur ich war in Apokalyptischer Laune. Am Ende schmiss ich Schnapsgläser durch den Laden und bekam dafür auch noch Applaus. Wie verrückt. Draußen regnete es wie Hund und die Menschen in den Straßenbahnen blickten verstört in das Schaufenster vom Laden. Wir saßen Kette rauchend auf Roten Sofas und zeigten unsere Mittelfinger im Takt zu einem Französischen Chanson. Am Ende schlief der Professor eine Runde auf dem Klo, Frank Martiniq schlief im Schaufenster und ich dachte Ernsthaft über einen endgültigen Ausstieg aus der Szene nach. Ein Teil der Gruppe behauptete ernsthaft, ich sei sowieso wieder an diesem Ravedesaster Schuld. Ich hätte ja diese tolle Idee gehabt, die TausendBar wieder aufzumachen und ich hätte alle mal so richtig abgefüllt. So richtig straigt. Bravo. Ganz groß. Die Universalentschuldigung für das Kollektive Gewissen „Rose wars“. Rose hat alle abgefüllt. Rose hat sie alle auf dem Gewissen. Rose hat sie totgeraved. Ich muss ganz ehrlich sagen: War eines meiner besten Raveexperimente seit langem. Alle abfüllen und dann läuft das Absurdeste Theater der Welt von ganz alleine. Muss man gar nicht mehr viel machen. Das Eskaliert von ganz alleine. Am Ende stehen wir im strömendem Regen und das Taxi was hält, ist ein Düsseldorfer Taxi. Das ist mir scheiß egal sage ich dem Fahrer und erkläre ihm den Weg. Ich lasse ihn natürlich straight falsch abbiegen und wir hängen drin im Einbahnstraßenchaos. Super Rose. Straigt in the wrong lane. Für einen Moment erschien mir das Ganze schon fast Symptomatisch. Jedenfalls habe ich dann dem Taxifahrer gesagt, er soll doch mal einfach eben so straight Rückwärts gegen diese und jene Einbahnstrasse fahren. Dann geht das alles ganz easy. Hat er auch prompt gemacht. Dabei sind wir dann völlig durcheinander gekommen. Im Rückwärtsgang durch Einbahnstrassen zu fahren und dabei dann auch noch falsch abzubiegen macht einen ja total kirre. Danach wusste ich nicht mehr wo ich war. Ich stieg aus und befahl Frank Martiniq, Schnaps zu kaufen, bevor ich mich vergessen würde. Der heulte dann rum, für neun Euro bekommt man ja keine Kippen und Schnaps. Von wegen. Bier bekam ich auch noch. Dann hüpfte ich beim Professor auf der Matratze herum und musste mehrere Platten mehrmals hintereinander hören. Ungefähr 55 Mal Dirty Epic von Underworld. Aber nicht weil ich es so unbedingt so oft wollte, nein weil Frank Martiniq einfach nicht die verdammte Schnauze halten konnte. Am Ende schrieb er in den Staub am Fernseher „Ich will Kühe umschubsen“ und machte auf beleidigt. Außerdem hat er auch noch gesagt, Dity Epic sei sowieso ein total beschissenes Lied und da habe ich ihm gesagt, dass er eine total doofe Nuss ist, die überhaupt gar keine Ahnung hat. Am Ende hat er sich dann getrollt, als er realisiert hat, das meine Apokalyptische Laune totaler total Ernst war. Am Ende lege ich 25 Mal Laurent Garniers „Flashback“ auf. Ich drehe die Bässe laut und lege mich auf den Boden. Der leicht melancholische Klang des tiefen Basses verfolgte mich seit Donnerstag Abend in meinem Kopf. Immer diese bittersüße Melodie, der Bass der dir durch den Körper fährt und das Gefühl von Sehnsucht nach der Sehnsucht aufkommen lässt. Wunderbarschön und total traurig zugleich. Wie Anfang und Ende. Tragischkomisch. Disco ist Tragik in Spiegelschrift. Jede Party hat ein dunkles Herz. Melancholie im vierviertel Takt. Seichte Geigen machen einem mit ihrem Klang ein Flimmern im Hinterkopf. Am Ende muss es weh tun. Und sei es nur im Herzen. Da, auf der Tanzfläche. Musik ist ja manchmal die letzte Rettung im Leben. Aber, ach, die wenigsten hängen so mit dem Gefühl in der Musik, wie wir es irgendwie tun. Die hören die nur, wir leben die. Das ist unser Leben. Discoschlunzen mit einem Hang zur Melancholie und mit einer Sucht nach der Sehnsucht. Das ist ja das verrückte. Wir leben diese Nummer. Mach das mal einem klar. Wir lieben es halt. Wir können es nicht anders. Wir haben es nicht anders gewollt. When the night falls, the lonleyness comes. Am Ende schläft der Professor ein und ich laufe durch die kalte Novemberluft zu Fuß nach Hause. Die Lichter der Autos blenden mich und alles ist irgendwie fürchterlich unwirklich. Ich melde kurz an Gott, dass ich es mal wieder blendend finde, wie er sich das alles so gedacht hat. Ich habe ihm gesagt, wenn er mich jetzt wieder total verarscht, dann kündige ich ihm die Freundschaft. Dann gehe ich in eine Bekloppte Sekte oder so. Ich hoffe er hat das verstanden. Am Kiosk mache ich noch einen letzten Halt. Ich kaufe Bier und einen Kurzen. Das letzte Herrengedeck für dieses Wochenende. Ich denke kurz an die letzten Tage und bestätige mir selber übelsten Raubbau. Am Ende bleiben wie immer ein paar offene Fragen. Wer hat an der Uhr gedreht? Warum ist die Luft oben dünner als unten? Könnte man nicht den Sonntag streichen, damit der Montag erträglicher wird oder auch gleich ganz ausfällt? Sollte man Wochenende verbieten? Wie geht es wohl weiter? Ist das alles? Warum tut mein Hals so weh? Wo ist mein ganzes Geld hin? Warum musste ich eigentlich so viele Leute straight ins Aus schießen? Sollte ich wirklich Schuld an den ganzen Krawallen haben? Hatten eigentlich alle unterm Strich irgendwie Spaß? Und überhaupt: wann ist diese verdammte c/o pop endlich zu Ende? Wäre ein Kururlaub die Lösung? Foto: dpa von rose

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