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Ein echter Trip: Dahin reisen, wo die Drogen sind - Teil 3: Son Banya, Mallorca

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Drogen im Drive In - Son Banya, Mallorca Son Banya taucht leider in keinem uns bekannten Reiseführer auf „Close the window – now“, sagte mein Urlaubsflirt Javier in ungewohnt schroffem Tonfall. Bei seiner Karre bedeutete das richtig Arbeit. Die Kurbel lief leer, und hochziehen musste man das Fenster händisch. „Hurry up, darling!“, beharrte er. Als wir am Ende der Autokolonne zum Stehen kamen, fuhrwerkte ich immer noch am Fenster herum. Javier beugte sich hektisch über mich, und erledigte die Sache mit gekonntem Handgriff selbst. Seine Nervosität wuchs sichtlich, genau wie mein schlechtes Gewissen. Schließlich war ich es gewesen, die unbedingt in das Zigeunerdorf „Son Banya“ wollte.

Kaum zu glauben: Ein paar Kilometer weiter liegt Son Banya. Foto: dpa Wie im Hafen von Palma standen die Autos am Ortseingang Stoßstange an Stoßstange. Nur, dass sie nicht in den gigantischen Schiffsbäuchen der Fähren, sondern rechts und links in den kleinen Dorfgassen verschwanden. Jeden Tag kamen Hunderte von Menschen bei Einbruch der Dunkelheit hierher an Palmas Stadtrand, um alle möglichen Drogen zu kaufen. „It is very dangerous here“, meinte Javier, und sein Blick tastetete nervös die unmittelbare Umgebung ab. „The police is not a problem.“ Die Polizei tauchte in Son Banya nur in großangelegten Razzien auf, erzählte er. Viel unberechenbarer seien die Junkies: Wenn man nur ein Fenster offen ließe, versuchten die in dein Auto einzusteigen, und bedrohten dich wegen ein paar Euro mit dem Messer. Egal, ob Extasy, Kokain, Amphetamine, Heroin oder Haschisch. „You can get everything here”, so Javier. Die Leute kamen sogar aus dem Feiermonopol Ibiza, um den Zigeunern Partyutensilien abzukaufen. Wenig später passierten wir die Siedlung. Schnurgerade Gassen ordneten den Wirrwarr aus elenden Wellblechhütten, Containern und Bretterbuden. Vor einer Baracke saß eine alte Frau mit langem Gitano-Rock im Plastikstuhl. Hinter ihr flimmerte das bläuliche Licht eines überdimensionalen Plasmabildschirms. Javiers Seitenknuff riss meinen Blick von ihrem faltigen Gesicht. „Do not stare at her, “ raunzte er. "Ey du, Blondine" Wir bogen rechts ab, und hielten an einer gelb angestrichenen Hütte. Vor uns, hinter uns – überall stieg Kundschaft aus den Autos, und hastete in die Baracken. Dunkelhäutige Jungs flitzten auf BMX-Rädern über den Schotter, zwei Mädchen flochten sich gegenseitig die Haare – pechschwarz wie der blitzblanke Porsche neben ihnen. Bisher hatten Javiers Worte wie ein billiges Touristen-Märchen geklungen: In Son Banya würden täglich Hunderte Tausend Euro mit Drogen umgesetzt. Die „Gitanos“ hausten zwar in erbärmlichen Baracken, kauften aber nebenbei Luxusimmobilien und Trabrennbahnen auf der Insel, weil sie gar nicht wissen, wohin mit dem ganzen Geld. 700 Kilogramm Drogen im Wert von Millionen hätte die Polizei bei einer großen Razzia beschlagnahmt. „Ey du, Blondine“, zischte mich einer der Jungen durch seine breite Zahnlücke an. „Stay in the car“, drängte Javier. Ich sollte mich unauffällig verhalten, und das Auto von innen verriegeln. Mein Blick folgte ihm in eine Behausung, und hastete dann von rostigen Stühlen, zu einem gelben Ferrari hinter Bretterzäunen, hin zu dickbäuchigen Männern in grellen Trainingsjacken. Seine Füße überschlugen sich fast, als Javier zurückkehrte. Die Geschäfte wurden hier so rasch abgewickelt wie eine Bestellung beim Drive-In. „There was so much cash in that room“, schnaufte er, und deutete fassungslos mit den Händen an, wie hoch die Geldbündel in der Baracke gestapelt waren. Dann verstautete Javier ein kleines Plastiktütchen selbstverständlich in meinem BH. Im Schritttempo verließen wir das Dorf. Der Gegenverkehr wurde dichter. Ich sah nochmals in den Rückspiegel: Da funkelten die wartenden Autos vor den Toren Son Banyas in der Abendsonne. eva-achinger

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