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Ein echter Trip: Dahin reisen, wo die Drogen sind - Teil 4: Nimbin, Australien

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Kekse mit Liebe Heute laufen hier junge wie alte „Hippies“ (wie auch immer man sie jetzt nennen soll) über die Straße. Viele Geschäfte und Community Centers bezeugen die einzigartige Lokalkultur. Nur wenn Haschdealer mittags den Tagesausflüglern aus Byron Bay auf die Pelle rücken, hat das Dorf etwas von einem surrealen Freilichtmuseum. Erst in ruhigeren Zeiten kommt das „echte“ Nimbin zur Geltung: ein Ort, an dem jeder sein eigenes Stückchen Utopia finden kann. Lonely Planet Australien – Deutsche Ausgabe

Abhängen in Nimbin Langes rotes Haar und tiefe Furchen um die blauen Augen, das verlieh ihr etwas Unheimliches. Aber ich war in erster Linie hungrig und so kümmerte mich das Äußere dieser Plätzchenbäckerin wenig. Sie erkannte den zielstrebigen Gang des Hungrigen und lüftete mit einem Ruck ein gebatiktes Tuch über dem Inhalt Ihres handgeflochtenen Korbs. Ich entschied mich für ein besonders großes Stück Schokoladenkuchen. Ihre Empfehlung, das Stück langsam zu essen – sie hätte „viel Liebe“ reingesteckt – quittierte ich mit einem freundlichen Nicken und setzte meinen Spaziergang durch das Hippiestädtchen fort. Ich passierte eine Bäckerei, in der ganz ähnliche Süßwaren wie der eben gekaufte Kuchen angeboten wurden. Diese hatten Namen wie „Hasch Cookie“ oder „Fantasy Cake“. Erst dann wurde mir klar: Bei der „Liebe“, die diese Frau ihren Plätzchen und Kuchen beim morgendlichen Backen beifügte, musste es sich um Rauschmittel handeln. Ich ließ den Kuchen in meinem Rucksack verschwinden und es beschloss, keine Experimente zu wagen, und stattdessen gegen meinen Hunger anzukämpfen. Ich lief weiter durch Nimbin, dieses lang gezogene Dorf, 100 Kilometer westlich von Byron Bay in Australien. Vorbei an flachen, einstöckigen Gebäuden, in denen die Coffee Shops, Pubs und Hanf-Bars waren. Man hätte meinen können, es gäbe einen Wettbewerb zwischen den Hausbesitzern, bei dem das schrillste und bunteste Gebäude einen Preis erhielt. Nicht viel anders verhielt es sich mit den Bewohnern. Hätte man mir erzählt, es gäbe eine Verordnung, die den Bewohnern vorschreibt, mindestens zwei komplementäre Farben am Leib zu tragen, vermutlich hätte ich es geglaubt. Die Hippies waren in der Überzahl Schließlich setzte ich mich zu einer Gruppe Jugendlicher, die mir prompt alle möglichen Drogen anboten. Sie erzählten mir, dass vor etwa 35 Jahren einige hundert alternative Australier hierher gekommen waren. Sie hatten es sich zum Ziel gemacht, gegen die amerikanischen Bombardements auf Vietnam zu protestieren. Der zuständige Polizeichef für die überschaubare Region fühlte sich mit seiner Handvoll Polizeikollegen überfordert und war machtlos gegen die Masse kiffender Hippies. Zehn Tage lang ging das so. Die meisten der Hippies verließen den Ort dann wieder; ein paar aber blieben und gründeten eine alternative Kommune, neben deren Kindern ich jetzt hier saß. Angeblich wurde durch das Nichteingreifen der Polizei gegen die jungen Kiffer ein Präzedenzfall geschaffen und seitdem griff das Gewohnheitsrecht, das den Einwohnern und Besuchern von Nimbin freien Drogenkonsum ermöglichte. Zum Abschied schenkte ich den Jungs meinen Kuchen. Dann rief mich mein Tourleiter. Ich stieg in den bunten Hippiebus von „Jims Alternative Tours“ und hatte immer noch Hunger. nicolas-beilke ++++ Die bisherigen Teile der Serie über die verdrogtesten Orte der Welt besuchten unter anderem Real de Catorce in Mexiko, den Ort der Peyote-Kakteen, oder Son Banya auf Mallorca - dem Großmarkt der Drogen.

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