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Ein echter Trip: Thailand - gib dem Affen Lassi

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Seit über zehn Jahren versammeln sich Raver aus aller Welt, um Hat Rins berüchtigte Vollmondpartys zu feiern. Etwas 3000 bis 5000 Raver, während der Hochsaison zwischen Dezember und Februar manchmal mehr als 12.000, kommen hierher, um bis in die späten Morgenstunden zu tanzen, zu trinken und zu rauchen. Von einem halben Dutzend Bühnen dröhnen House, Trance, Hiphop, Techno, Ambient und R’n’B – je nachdem, was gerade angesagt ist – während die begeisterte Menge aus dem Open-Air-Tanzhallen hinaus über den Strand strömt. Feuerjongleure und Feuerwerk erleuchten die Nacht. Die Zahl der Partygäste erreicht ihren Höhepunkt zwischen 2 und 3 Uhr, und die letzten DJs hören erst gegen 11 Uhr auf. Man kann sich sicher vorstellen, dass das für jeden eine ziemlich wilde und rauschhafte Zeit ist. Und was wäre die größte Strandparty der Welt ohne Drogen? Doch, es gibt sie immer noch, allerdings sind die Hardcore-Konsumenten während der massiv erhöhten Polizeipräsenz (sowohl in Uniform als auch in Zivil) an andere Strände weitergezogen. Nicht wenige Todesfälle wurden mit Drogenmissbrauch bei dieser Party in Verbindung gebracht. Lonely Planet – Thailand Gib dem Affen Lassi Die Full-Moon-Party lebt von ihrem irgendwann in den Neunzigern entstandenen Ruf. Mittlerweile gibt es auch Half-Moon- und New-Moon-Partys, so dass eigentlich jede Woche irgendetwas stattfindet, was Israelis, Engländer und Deutsche dazu veranlasst, sich zu mehr oder weniger billiger Trance-Musik ins Nirvana zu ballern. Heute muss man da nur noch hin, um daheim sagen zu können: Ich war auf der Full-Moon-Party. Ich war auf der Full-Moon-Party 2000. Ich habe gesehen: magersüchtige, gerade aus dem Militärdienst entlassende Isralis in allen erdenklichen polytoxen Zuständen, Amerikanerinnen auf der Suche nach Kröten, die sie in einem Psilocybin-Wahn zu Prinzen küssen wollten und im Morgengrauen neben einer Hundemeute kopulierende Backpacker. Dieses Mal war es drei Jahre später und Kathrin wollte ihre Ruhe. Jonas und Sarah hatten sich seit zwei Wochen dermaßen mit Gras sediert, dass sie nur noch schwer aus ihrem Bungalow zu bewegen waren. Der Besitzer verkaufte es ihnen. Sarah hatte über die Jahre so viel gekifft, dass sie für ihre 50 Kilo eine enorme THC-Toleranz besaß. Sie bemerkte nur eine Veränderung, wenn sie nichts zu rauchen hatte. Sie begründete ihren Konsum immer mit ihrer Borderline-Diagnose. Es hatte fast schon exhibitionistische Züge, wie sie über ihre Krankheit sprach. Auf jeden Fall war sie der Meinung, Gras zu brauchen, um nicht durchzudrehen. Jonas passte das ganz gut. Sie stritten sich oft. Eigentlich stritten sich Jonas und Sarah jeden zweiten Tag. An diesen Tagen gingen Kathrin und ich den beiden aus dem Weg.

The Beach. Thailand-Version. Bild: Reuters Wir wollten einen netten letzten Abend zu viert verbringen. Morgen war unser letzter Tag. Um zehn Uhr ging unsere Fähre zurück aufs Festland, zurück nach Bangkok. Auf der Speisekarte unseres Ressorts interessierten uns seit unserer Ankunft zwei Dinge: Das Mushroom-Omelette und ein Getränk namens „Bong-Lassi“. Auf thailändischen Speisekarten gibt es sehr viele Rechtschreibfehler: Mit „Bambi Goreng“ zum Beispiel ist „Bami Goreng“ gemeint. „Bong Lassi“ sollte eigentlich „Bang Lassi“ heißen, ein indisches Joghurt-Getränk mit Gras. Gras zu essen ist heikler, als Gras zu rauchen. Gras essen ist unberechenbar, weil die Verdauung ihrem eigenen Rhythmus folgt. Wir fanden es klüger, uns jeweils eine „Bong Lassi“ zu teilen. Es war klüger. Nach zwei Stunden standen wir auf und machten einen Spaziergang am Strand. Es war wunderbar ruhig, weil alle anderen mit Sammeltaxis zur Full-Moon-Party gebracht worden waren. Wir spazierten den Strand entlang, an dem wir die letzten beiden Wochen so wunderbar wenig getan hatten, blickten aufs Meer und sagten uns gegenseitig, wie schön und einfach das Leben hier doch sei. Wir schworen uns, doch alle bald hierher zurückzukommen, lauschten dem Plätschern der Wellen und sprachen über den Stress in Deutschland. Wir sagten uns gegenseitig, wie gut es doch gewesen sei, nicht nach Hat Rin auf die Party zu fahren, während unsere Füße in dem noch immer warmen Sand spielten. Für einen Moment hielten wir uns für die entspanntesten Menschen auf diesen Planeten. Um Mitternacht bekam Sarah schlechte Laune. Ihre Streitereien kündigten sich langsam an wie Gewitter, nach und nach verdunkelte sich ihre Laune und es konnte nicht mehr lange dauern, bis es zur Entladung kam. Jonas tat mir leid, aber Kathrin sagte mir immer, wie unsensibel er doch oft sei. Wir gingen in unsere Bungalows. Die Bang-Lassi hatten wir vergessen. Sie fiel mir das erste Mal um fünf Uhr morgens wieder ein. Aus dem Urwald kam Geschrei. Ich blickte aus dem Fenster. Es war noch dunkel, doch die Umrisse der tropischen Pflanzen bewegten sich sonderbar plastisch. Es war so heiß. Mein Mund war trocken. Da irgendwo war ein Affe. Ein großer Brüllaffe. Ich wusste es. Der Affe war hinter mir her. Ich verriegelte die Tür. Er hatte es auf mich abgesehen. Er brüllte mich an. Ich und der Affe. Der Affe oder ich. Und da! Da versteckte sich noch irgendwo ein giftiger… Verdammt… Um acht Uhr morgens klingelte unser Wecker. Ich blickte Kathrin mit den Augen eines Albino-Kaninchens an. Sprechen konnte ich nicht. Kathrin sprach ohnehin nie viel. Im Urwald wabberte es noch immer. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Immerhin der Affe war nicht hier. Aber die Sonne. So heiß war die noch nie gewesen. Die Sonne war aggressiv. Die Sonne verbrannte alles. Wasser. Ich brauchte Wasser. Ich setzte meine Sonnebrille auf und ging den Weg hinunter zum Supermarkt. Kein Affe in Sicht. Zum Glück. Aber der Thai an der Kasse. Komischer Kerl. Was schaut der so komisch? Was grinst der so? Ja, Thais grinsen immer. Aber der hier grinste anders. Hier stimmte doch was nicht. Hier lief doch etwas ab, was man mir nicht sagen wollte. Ich musste so schnell wie möglich zurück zu Kathrin. Kathrin gehörte zu den Guten, konnte mir helfen. Ich nahm zwei Flaschen Wasser aus dem Regal, kramte einen 50-Baht-Schein aus meiner Hose und versuchte dabei, jeden Blickkontakt zu vermeiden. Gute Sonnenbrille. Langer Weg zurück, viel länger als hin. Ein ewig langer Weg. Lang wie das Leben. Ich musste Wasser trinken, sonst würde mich die Sonne vielleicht verbrennen. Ich ging schneller. Der Affe. Er lauerte da irgendwo. Runter, wir mussten runter von der Insel. Kathrin und ich sprachen kein Wort, bis wir eine halbe Stunde später Jonas und Sarah beim Frühstück trafen. Jonas Augen waren rot vom THC, Sarahs vom Weinen. Sie hatten sich die ganze Nacht gestritten. Wort- und lustlos stopften wir einen Banana-Pancake in uns hinein. In einer halben Stunde sollte uns ein Sammeltaxis über bergige Schotterpisten zum Hafen bringen. Wir schwiegen. Plötzlich sagte Kathrin einen Satz: „Wenn ich jetzt mit diesem Taxi fahren muss, kotze ich.“ Dann stiegen wir in das Taxi. Das war alles. Zu einer Verabschiedung waren wir nicht fähig. Wir schafften es. Wir verließen die Insel. Der Rausch fing erst gegen Nachmittag an abzuklingen. Da saßen wir längst im Zug nach Bangkok. Vor dem Affen war ich in Sicherheit.

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