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Ein Hoch auf das Laster!

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Forscher der Columbia University haben in einer Studie (PDF-Link) Studenten darum gebeten, sich an einen Zeitpunkt vor einer Woche und an einen vor fünf Jahren zu erinnern. Sie sollten angeben, ob sie damals gearbeitet oder sich entspannt hätten und ob sie das jeweils bereut hätten oder nicht. Das Ergebnis: Wer in der letzten Woche gearbeitet oder gelernt hatte, war zufrieden, wer gefaulenzt hatte, hatte große Schuldgefühle. Bei der Erinnerung an Augenblicke von vor fünf Jahren war es dagegen genau anders herum: die, die gearbeitet hatten, bereuten das und wünschten sich im Nachhinein, öfter entspannt und alle Viere von sich gestreckt zu haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Diese eigenartige Verlagerung der Prioritäten hat ihren Ursprung in der Natur von Schuldgefühlen. Die sind, sagen die Forscher, sogenannte „heiße“ Emotionen, die akut als sehr stark empfunden werden. Das Gefühl, Gelegenheiten verpasst zu haben und zu bereuen ist dagegen ein eher „kaltes“ Gefühl, das aber im Verlauf der Zeit stärker wird. Das bedeutet: Gibt man seinen Faulheits-Neigungen nach und lässt den inneren Schweinehund von der Leine, fühlt man sich währenddessen und kurz danach schlecht, weil man seine Pflichten vernachlässigt hat. Je länger der Zeitpunkt der Pflichtvergessenheit aber zurück liegt, desto weniger Schuldgefühle hat man. Vernachlässigt man statt dessen Freizeit und Freunde, empfindet man das akut als wenig schlimm, weil einen die wackere Pflichterfüllung mit genug Stolz erfüllt. Aber je mehr Zeit vergeht, desto größer die Reue, etwas verpasst zu haben. Rechtschaffenheit und Pflichtbewusstsein bevorzugen wir also nur kurzfristig. Langfristig und vor allem in der Rückschau auf unser Leben bereuen wir es eher, wenn wir es uns nicht gut gehen lassen. Schön, wunderbar, könnte man meinen und sich von Kommilitonen oder Arbeitskollegen ins Party-Delirium verabschieden. Sollen doch Roboter die liegen gebliebene Arbeit erledigen, an denen wird schließlich schon seit Jahrzehnten gebastelt, auf dass sie uns das Leben erleichtern. Leider gibt es auch bei dieser Studie einen kleinen Wermutstropfen – sie wurde an Menschen ausgeführt, die schon einige berufliche Hürden bewältigt haben – sie studieren oder haben ihr Studium abgeschlossen. Die Vermutung, dass das Ergebnis etwas anders ausfallen könnte, würde man Schul- und Studienabbrecher befragen, liegt da ziemlich nahe. Trotzdem ist es tröstlich, dass diese Studie gerade jetzt herauskommt: In einer Zeit, in der jungen Studenten und Berufsanfängern Angst gemacht und ihnen ihre mangelnde Flexibilität vorgeworfen wird, sie sich vor lauter Angst vor drohender Arbeitslosigkeit ausbeuten lassen, und von einem Praktikum zum nächstgelegenen Jobcenter begeben. Immer die besorgten Blicke der Elterngeneration im Rücken und den drohenden gesellschaftlichen Absturz vor Augen. Also: Let There Be Rock. Oder hefte zumindest die Studie an den Kühlschrank – gegen Gram-Anfälle und schlechte-Gewissens-Attacken.

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