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Die Bürgerrechtsorganisation „European Digital Rights“ (EDRi) hat vor vier Tagen ein Diskussionspapier (PDF) geleakt, das von der Gruppe des Clean IT-Projekts stammt. Das Maßnahmenpapier, das die verschiedenen Stufen des Projekts aufzeigt, wurde der Organisation zugespielt und von ihr analysiert. Durch Clean IT soll die Benutzung des Internets durch Terroristen eingedämmt werden. Das Projekt wird von den Terror-Bekämpfern verschiedener europäischer Länder betrieben: den Innenministerien in Deutschland und Großbritannien, der belgischen Koordinationsstelle zu Bewertung der Bedrohungslage, dem nationalen Anti-Terror-Zentrum in Spanien und dem Nationalen Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit der Niederlande. Das Problem dabei: Das Projekt hat womöglich Auswirkungen auf die Grundrechte und die Freiheit des Internets.

Durch das Projekt Clean IT soll die Netzwelt besser überwacht werden.

Die Grundsätze vom Clean IT sollen „nicht-legislativ“, also keine Gesetze sein. Das Ziel des Projekts soll mehr eine freiwillige Vereinbarung zwischen Politik und Industrie darstellen. Es handelt sich um eine sogenannte Public Private Partnership: Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sollen mit Providern zusammen gebracht werden, um dann „die illegale Benutzung des Internets“ zu verhindern und die „terroristische Nutzung des Internets einzuschränken“. Das Projekt wird mit 40.000 Euro gefördert. Die Privatunternehmen sollen sich dazu verpflichten, die Online-Kommunikation nach unerwünschten Inhalten zu filtern. Diese sollen dann den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden.

Nach der Analyse des Konzepts durch EDRi berichtet Direktor Joe McNamee, dass EU-weit Hotlines eingerichtet werden sollen, bei denen man „terroristische Aktivitäten“ melden soll. Innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Projekts ist demnach auch geplant, dass die „Strafverfolger in Sozialen Netzwerken patroullieren“. Für terroristische Inhalte sollen die Provider dann ein Kennzeichnungssystem einrichten, die sogenannten Flags.

Außerdem wird eine Klarnamenpflicht gefordert, die die Internetunternehmen unterstützen sollen. Nicknames in Foren wären dann verboten. So soll eine anonyme Nutzung von Online-Diensten verhindert werden. Zudem soll es einen Terroralarmknopf für den Browser geben. Wenn der Nutzer glaubt, auf terroristischen Inhalt im Internet gestoßen zu sein, kann er den betätigen und damit die Behörden benachrichtigen.

Diese flächendeckende Überwachung stößt bei Bloggern auf Unverständnis. Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtschutz, meint bei „Internet law“, dass abgesehen von der inhaltlichen Fragwürdigkeit vor allem der nicht gesetzgeberische Ansatz im Rahmen von Public-Private-Partnerships problematisch sei. „Denn damit wird die Grundrechtsbindung des Staates umgangen und das in einem äußerst grundrechtsintensiven Bereich. Die Grundrechtseingriffe sollen von den Akteuren des Netzes 'freiwillig' vorgenommen und damit quasi privatisiert werden“, schreibt er.

Im „Law blog“ gibt Udo Vetter zu Bedenken, dass generell nicht klar ist, wie nötig und hilfreich ein solches Überwachungs- und Warnsystem überhaupt ist: „An keiner Stelle wird in dem Papier dargelegt, wie groß die angebliche terroristische Bedrohung durch die Internetaktivitäten angeblich ist“.

Nachtrag: Ein Sprecher der Europäischen Kommission versicherte laut dpa, dass man keinerlei Absicht habe, ein solches Programm vorzuschlagen oder in die Freiheit des Internets einzugreifen. Momentan wird ein Maßnahmenkatalog gegen die Nutzung des Internets durch Terroristen erstellt. Der Sprecher der Kommission verdeutlichte auch, dass die Empfehlungen, die Anfang 2013 gemacht werden sollen, für niemanden verbindlich seien.



Text: laurie-hilbig - Bild: dpa

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