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Hass den Mozart

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Auch 2006 gibt es wieder jede Menge runde Geburts- und Todestage zu feiern. Auch Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart alias Wolfgang Amadeus begeht heuer postum seinen 250. Geburtstag. Mozart gilt unter Experten als der Jubilar, den es am meisten zu würdigen gilt. Wer nun von der allenthalben herrschenden Omnipräsenz des Salzburgers bereits jetzt genervt ist, bekommt hier neun Gründe, um seinen Unmut zu einem gepflegten Hass auszuweiten. 1.Weil wir nicht ein Jahr lang lesen wollen, was für ein cooler Hund Mozart doch war und was für eine coole Socke er wäre, wenn er heute noch leben würde. Er wäre dann nämlich, wie Schiller letztes Jahr schon, garantiert DJ oder Globalisierungskritiker etc. etc. Hier ein kleines Beispiel, wie Mozart Schülern schmackhaft gemacht werden soll: „Mozart en Vogue: Was wäre wenn der Mozart-Style Mode werden würde? Je mehr "Mozart" desto cooler! Wie würde man in der Disko zur kleinen Nachtmusik tanzen? Auf welche Weise würden sich die Barockmanieren im Tanz niederschlagen?“ Oh Schreck, die armen Schüler. 2.Weil es tatsächlich schon eine Seite gibt, die www.dj-mozart.com heißt, auf der man DJ-Mozart-Klingeltöne, eingespielt von den Wiener Symphonikern, bestellen kann. 3.Weil die Kulturindustrie des Teufels ist, wie Adorno ausführlich beschrieben hat, und mit dem armen Herrn Mozart nur schnell Geld verdienen will. 4.Weil 3sat am 1. Januar rund um die Uhr Mozart-Opern und Sinfonien und und und gespielt hat und im Ersten bereits Amadeus lief. Was bleibt da noch für die restlichen 361 Tage? 5.Weil selbst der Münchner Blumenbar-Verlag, den wir ja eigentlich mögen, eine CD zum Mozart-Jahr rausbringt: "Leck-Mich-im-Arsch. Das Kleine Mozart-Compendium mit dem Wieder Entdeckten Kanon KV 231". Enthalten auf der CD: eben jener Kanon, neu eingesungen von den Salburger Comedian Harmonists, ein Remix davon von Tobi Neumann mit dem Titel "Mozart in da House" und einem Begleitheft, in dem ein fiktives Mozart-Interview zu lesen ist, und die erstmals veröffentlichen Erzählungen "Göttliche Kugeln" von Anne Zielke und "Wie Mozart ausrastete" von Wolf Wondratschek. Das wollen wir wirklich nicht hören oder lesen. 6.Weil uns paradoxerweise auch die Hochkultur sagt, dass wir mit unserer Antipathie richtig liegen. Im Theater an der Wien wird im November das Stück „I Hate Mozart“ aufgeführt. 7.Weil das Festivalkomitee hinterlistig ist: Denn von Mai bis September 2006 werden unter dem Motto „Mozart spontan“ junge Musiker „unangekündigt und überraschend“ kurze Mozartkompositionen spielen. Beispielsweise „in Fußgängerzonen, Parks, Bädern oder U-Bahnstationen.“ Das ganze zum Glück nur in Wien. 8.Weil Gedenkjahre eh keine gute Gelegenheit für neue Erkenntnisse und Einblicke abgeben. Über Kant und Schiller haben wir auch nichts gelernt, was wir nicht bereits schon wussten. Also werden wird doch nur wieder das hören, was wir bereits kennen. Die Zauberflöte, die kleine Nachtmusik oder Cosi fan tutte. 9. Weil Mozart uns sogar selbst dazu auffordert, ihn zu hassen. Beispielsweise in den von ihm verfassten Kanons. Die Zuhörerbeleidigungen reichen vom 1789 verfassten, sechsstimmig aufgeführten "Heult noch gar, wie alte Weiber" zurück zu eben jenem in Punkt 5 erwähnten und aus dem Jahr 1782 stammenden, "Leck mich im Arsch fein recht schön sauber" (dreistimmig).

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