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"Ich bin der Gesalbte des Herrn"

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Zoten und Anekdoten hat Silvio Berlusconi viele geliefert in den vergangenen fünf Jahren als italienischer Regierungschef. Zuletzt versprach er allen Italienern über 70 kostenlose Reisen mit der Bahn, Gratis-Museumsbesuche und den freien Eintritt in Fußballstadien. Er sprach sogar von Hunden, die er verschenken würde. Das alles gesetzt den Fall, dass er die Wahl gewinnt. Zu schön wäre es, all das als Albernheiten eines Polit-Harlekins abtun zu können. Leider aber regiert der Mann gut 58 Millionen Menschen. jetzt.de hat die Berlusoni-Ausfälle der vergangenen Wochen zusammen gestellt. Aufgrund der Vielzahl der Ausfälle erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. „Ich bin der Fleisch gewordene italienische Traum“, sagt der 69-Jährige mit dem selbst diagnostizierten „Höherwertigkeitskomplex“ und ist von keinem Zweifel gekitzelt, dass er das Land während seiner fünfjährigen Amtszeit nicht „auf höchstes internationales Niveau erhoben“ hat und eben deshalb nach der Wahl am 9. April gefälligst weiter zu regieren habe. Die Umfragen standen vor der Wahl nicht immer gut für den „Gesalbten des Herrn“ (Berlusconi über Berlusconi) und „verfolgten Christus der Politik“ (B. über B.). Ungewohnterweise zeigte der Cavaliere Nerven. Sei es, wenn er die Wählerschaft der Linken als „Arschlöcher“ bezeichnete oder bei einem Fernsehrinterview, das nicht seinen Vorstellungen entsprach, nach einer Viertelstunde aus dem Studio flüchtete.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Sie sind der ideale Mitarbeiter für Leichenbestatter": Silvio Berlusconi ist nicht immer höflich zu Anderen. Im Bild sehen wir ihn bei der Stimmabgabe am Sonntag in Mailand. Neben ihm seine Mutter Rosa. (Foto: ap) Je näher der Wahltermin, desto derber wurden die Äußerungen des Premierministers. Etwa, als der bekannte Kommunisten-Hasser Berlusconi vorvergangene Woche erklärte, die chinesischen Kommunisten hätten kleine Kinder gekocht, um sie dann als Dünger auf die Felder zu streuen. Die chinesische Botschaft in Rom protestierte, B. antwortete: „Das ist die Geschichte, schliesslich habe nicht ich die Kinder gekocht.“ Er ist das letzte Bollwerk gegen die rote Gefahr, so der Tenor in der Schlussphase des Wahlkampfs. Und diese Gefahr malt Berlusconi liebevoll aus – in den Kulissen das Personal und Programm der Linken. Oppositionsführer Romano Prodi nennt er einen „armen Teufel“, den hageren Chef der Linksdemokraten Piero Fassino einen idealen Mitarbeiter für Leichenbestatter. In der offenbar zunehmenden Befürchtung, die Wahlen zu verlieren, ließ sich der Regierungschef in verschiedenen Fernseh- und Radiosendungen nicht nur dazu hinreissen, inbrünstig vor einer linken Verschwörung und einem Risiko für die Freiheit zu warnen. Bei einer Begegnung mit Journalisten forderte er auch Uno-Beobachter gegen „linke Wahlbetrüger.“ Auf ähnlichem Niveau spielte sich auch sein Ausfall gegen den Unternehmer Diego Della Valle ab, der es wagte, Prodi zu unterstützen. Das tue der Schuhproduzent doch bloß, giftete Berlusconi, weil er entweder seinen Verstand verloren oder „eine Leiche im Keller” habe. Della Valle aber hat nie vor Gericht gestanden und blickt nicht wie Berlusconi auf eine stolze Liste von zwölf Prozessen zurück, von denen sechs bloß wegen Verjährung eingestellt wurden. Selbst beim Thema Medien gelingt es Berlusconi, ernst dreinzuschauen, wenn er die Zahl „85 Prozent” nennt – und damit nicht seine Kontrolle privater und staatlicher TV-Sender meint, die laut Experten 90 Prozent beträgt, sondern den Anteil der Medien, die sich seiner Einschätzung nach in der Hand „kommunistischer Journalisten“ befänden. Paradoxerweise pflegt man bei der Berichterstattung über den Premierminister beinahe stalinistische Bräuche: Wenn Berlusconi das Pech hat, bei den Vereinten Nationen vor leeren Reihen zu sprechen, schneidet die staatliche RAI kurzerhand Bilder von begeistert klatschenden UN-Delegierten hinzu. Er werde seine ganze Munition verschießen, versprach Berlusconi nach dem ersten Fernseh-Duell mit Herausforderer Romano Prodi. Dieses Versprechen hat er wahr gemacht. Bis zur Stimmauszählung Montagabend bleibt abzuwarten, ob die Italiener getroffen wurden.

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