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Inside Iran (III): Schnaps und Bier und Frauen ohne Tschador!

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Unsere Reise in den Iran treten wir mit einem Hintergedanken an: Wir reisen aus politischem Interesse in dieses mittelöstliche Land, das dieser Tage so oft die Negativschlagzeilen beherrscht. Wir wollen Teheran und Isfahan sehen, mit jungen Leuten sprechen, den Alltag in der islamistischen Diktatur erleben. Wir wollen den Zerrbildern der westlicher Medien und der offiziellen iranischen Ideologie eigene Eindrücke entgegenhalten. Und wir wollen auf eine Party. Ein nicht ganz leicht umzusetzender Auftrag, mind you. Der Iran ist ziemlich genau das Gegenteil dessen, was man eine Hochburg des Partytourismus nennen könnte. Alkohol – und Drogen natürlich sowieso – sind bei Gefängnisstrafen und körperlicher Züchtigung verboten. Diskotheken, Clubs und Bars existieren nicht, Frauen und Männer dürfen nicht miteinander tanzen, außerehelicher Sex kann mit dem Tode bestraft werden. Sogar Karten spielen ist illegal. Die Mullahs verstehen keinen Spaß. Die Ausgangslage ist wenig rosig. Unser Ehrgeiz hingegen ist geweckt. Freunde, die das Land schon besucht haben, raunen von selbstgebranntem Schnaps und schönen Frauen in Gucci-Kleidern, die unter dem Tschador hervorkommen, sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hat. Auch lockt die Vorstellung, sich beim Feiern im Iran etwas vom Reiz des Verbotenen zurückzuholen, der frühere Partyzeiten so aufregend machte. Als würde man zuhause Mama und Papa Gute Nacht sagen, um dann das Bett auszustopfen und durch die Kellertür abzuhauen: So stellen wir uns das vor, der iranischen Sittenpolizei ein Schnippchen zu schlagen.

Party Nummero Zwei: Geschmuggelter Whiskey dosenweise Foto: florian-grosser Zunächst verlaufen alle unsere diesbezüglichen vorsichtigen Vorstöße bei neuen Bekanntschaften ins Leere. Ausgehen? – (hochgezogene Augenbraue) Es gibt keine Clubs! Alkohol? – Wir sind Moslems, weißt du? Mädchen? – Wir Iraner heiraten so mit 24, 25… Nach etwa zehn Tagen ergibt sich die erste Chance. In einem Isfahaner Teehaus lernen wir zwei Studenten in unserem Alter kennen. Wir diskutieren, sie schimpfen über das repressive System, einer von ihnen plant bereits seine Auswanderung nach Kanada. Wie sie die Unfreiheit aushalten, wollen wir wissen. „Oh, anpassen musst du dich ja nur in der Öffentlichkeit“, sagen sie. „Ihr solltet uns mal sehen, wenn wir mit unseren Freunden feiern – dann spielen wir Karten, trinken Alkohol, tanzen, und die Frauen tragen kein Kopftuch!“ Unsere Augen werden groß und die Ohren spitz. Natürlich merken die Jungs das – und laden uns, dem goldenen iranischen Gesetz der Gastfreundschaft gehorchend, für das kommende Wochenende auf eine Party ein. Wir freuen uns wie Schulbuben. Zwei Tage später trifft man sich abends an einer Straßenecke. Ein inoffizielles Taxi wird herangewinkt, und nach einer halbstündigen Fahrt bleiben wir vor einem allein stehenden Neubau in einem ländlichen Vorort stehen. Mit Herzklopfen treten wir ein – und werden bitter enttäuscht. Der Raum ist bis in die letzte Ecke ausgeleuchtet und mit gutbürgerlich iranischem Kitsch vollgestellt. Neben einer sorgsam drapierten Obstschale stehen Tellerchen und Messerchen parat. Der riesige Fernseher mit Karaokefunktion summt bereits. Die Gastgeber, ein junges Paar, sorgen sich rührend um uns, und auch die etwas später eintreffenden übrigen Gäste sind nett. An der Atmosphäre eines gesitteten Kindergeburtstags ändert das nichts. Es ist, als hätte jemand unseren neuen Freunden erzählt, was man auf einer Party so macht, und nun werde eine Checkliste abgearbeitet. Auf Partys trinkt man Alkohol? Also bekommt jeder ein, zwei Sektgläser mit einer Mischung aus alkoholfreiem Bier und russischem Schmuggelwhiskey. Auf Partys wird getanzt? Alle aufstehen, persischer Pop, Hüften schwingen! Auf Partys macht man Musik? Alle wieder hinsetzen, Liederbuch auf! Auch wir werden in die Pflicht genommen, und man ist erst zufrieden, als mein Kompagnon eine Runde Walzerunterricht und ich in meiner Not „Mein kleiner grüner Kaktus“ zum Besten gegeben haben. Das Lächeln wird zunehmend gequälter, man traut sich vor peinlicher Betroffenheit kaum, einander in die Augen zu schauen, wäre man wenigstens besoffen! Weg können wir trotzdem nicht: Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, und unseren Gastgebern gegenüber wäre es ein enormer Affront. Als das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch gegeben wird, schicken wir Seufzer der Erleichterung gen Himmel. Abgesehen von einem Pflaumenschnaps mit einem Teppichhändler in Yazd ergibt sich nichts weiter, bis wir am letzten Tag unserer Reise am Tajrish-Platz im Norden Teherans von einem jungen Iraner im breitesten amerikanischen Englisch angesprochen werden. Wie uns der Iran gefalle, ob wir schon auf einer Party gewesen wären? Er könne uns alles organisieren – Gras, Koks, Frauen. Wie sich herausstellt, lebt er in L.A., lässt in China Corbusier-Möbel für den iranischen Markt kopieren und ist nach eigenen Aussagen bestens mit dem Underground Nord-Teherans vernetzt. Dort, wo die reiche Oberschicht mit allen Annehmlichkeiten des westlichen Lebens in Villenvierteln hinter hohen Mauern residiert, sollen wilde Partyreihen stattfinden, wie wir schon gehört haben. Unser neuer Bekannter ist ein profilneurotisches Arschloch, aber natürlich willigen wir ein mitzukommen, als er uns für den Abend „the time of your life“ verspricht. Und diesmal wirds was. Als wir in dem während der Schah-Ära von einem amerikanischen Architekten erbauten Apartmenthochhaus aus dem goldenen Fahrstuhl steigen, brettert uns bereits im marmornen Flur der Techno entgegen. Die Wohnung ist abgedunkelt, wogegen der Rest des Landes liegt durchweg unter Neonlicht, damit die Sittenwächter sehen können, wo die verdorbene Jugend ihre Hände hat. Die Mädels sind gut angezogen und übertrieben geschminkt, die Jungs wanken bereits und grinsen freundlich, und in der Küche stehen zwei Kanister mit Arak. Man tanzt, ohne dazu gezwungen werden zu müssen, und zuckt zusammen, wenn einen dabei ein nackter Frauenarm streift, so ungewohnt ist das nach dreieinhalb Wochen Iran. Als wir am nächsten Morgen nach nur zwei Stunden Schlaf aufstehen, um unseren Flug zu erwischen, ist der Magen flau, der Mund pelzig, und der Schädel brummt. +++++ Die ersten beiden Folgen kannst du hier und hier lesen.

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