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Ist die Richtung wirklich fantastisch?

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In den letzten fünf Jahren sind in meinem Land Parteien mit witzigen Namen entstanden: SMER (Die Richtung), NADEJ (Die Hoffnung) oder ANO (Ja!), deren Parteiführung vor allem aus ehemaligen Fernsehmoderatoren besteht. Als wollten die Politikern schon mit dem Namen den Leuten alles erklären. Nur SMER hat sich später umbenannt und heißt jetzt SMER Socialna demokracia, was man eigentlich nicht mehr ins Deutsche übersetzen muss.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dass die Linke bei dieser Wahl dominieren wird, das konnte niemanden wirklich überraschen, denn sie hat in letzter Zeit enorm an politischem Einfluss gewonnen. Jetzt, während Verhandlungen zur Regierungsbildung, ist schon klar: die Slowakei wird in den nächsten Jahren eine sozialdemokratisch besetzte Zone. Die deutschen Journalisten müssen nach dem schwierigen Namen des bisherigen Premierministers Mikulas Dzurinda (SDKU – Slowakische Demokratische und Christliche Union) einen neuen Namen lernen, der aber nicht ganz so schwierig auszusprechen ist: den von Robert Fico, gesprochen „Fitzo“, nicht „Fikko“! Er wird ganz sicher der nächste Ministerpräsident – seine oppositionellen Sozialdemokraten sind nach vorgezogenen Parlamentswahlen am 17. Juni die stärkste Kraft im Land. Dzurinda kam mit 18,3 Prozent allerdings auf Platz zwei, und schnitt damit viel besser ab, als er selbst erwartet hatte. Das Ergebnis für SMER ist „fantastisch,“ sagte Fico nach der Wahl. Und: jetzt werde „das Wirtschaftswachstum fortgesetzt, aber nicht mehr nur den Reichen, sondern auch den Armen zugute kommen.“ Aber wie? Das erklärt er eigentlich nie und das brauchen auch seine jubelnden Anhängern, vor allem Rentner und Arbeitslose, nicht. Fico gewann mit dem Versprechen, viele Reform-Gesetze – Deregulierung des Arbeitsmarkts, Abbau von Sozialausgaben, einheitliche Steuern, Renten-Reform – wieder rückgängig zu machen. Der Wirtschaftsstandort Slowakei als „Superreformland“ war in den letzten Jahren für internationale Konzerne hoch interessant. Das Land hat einen Boom an Firmen-Ansiedlungen erlebt, die der Bevölkerung Arbeitsplätze gesichert haben. Sogar eine gewisse Frau Merkel hat bei ihrem Besuch in Bratislava im Mai 2006 gesagt, das "Flat Tax"-Modell stärke die Leistungs- und Investitions-Anreize und würde auch Deutschland zu einem Wachstumsschub verhelfen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Robert Fico, Foto: dpa Meine größte Enttäuschung bei der Wahl: überraschend stark schnitt die SNS, die rechtsextreme Slowakische Nationalpartei, ab – sie erreichte 11,7 Prozent. SNS-Chef Jan Slota konnte schon vor der Wahl einen Erfolg feiern: die völlig aus der Luft gegriffene Drohung einer „Ungarisierung“ der Slowakei hat seine in zwei verfeindete Gruppen geteilte Partei wiedergeeinigt und jetzt ist er scharf auf den Sessel des Innenministers. Ein Albtraum für alle Liberalen in meinem Land! Slotas Programm: die Wiedereinführung der Todesstrafe durchzusetzen und die Probleme der Roma rasant lösen. Die Roma-Kinder sollen Kindergärten und Grundschulen mit Internat besuchen –anders gesagt, man soll den nicht anpassungsfähigen Roma-Eltern ihre Kinder entnehmen. Glücklicherweise hat Die Sozialistische Internationale gleich eine Warnung geschickt: wenn Fico mit der SNS und ihrem Chef Jan Slota eine Koalition bilden will, wird er aus der Organisation rausgeschmissen. Das wäre ein großer Verlust für ihn, denn es hat lange gedauert, bis sie seine Partei aufgenommen haben. Noch überraschender ist aber die neueste Nachricht: die klerikal-konservative Partei KDH (Christliche Demokraten) unterstützt heftig den Wahlsieger und sitzt damit inoffiziell schon in der neuen Regierung. Wird es also in dem kleinen mitteleuropäischen Staat bald schön katholisch-sozialistisch? Es ist höchst wahrscheinlich, dass die beiden total unterschiedlichen Parteien bei ihrem Willen zur Macht einen Kompromiss finden werden – ein aus der Natur stammender, also allem Leben angeborener Instinkt, wie der alte gute Friedrich Nietzsche annahm. An der Parlamentswahl haben knapp 55 Prozent der wahlberechtigten Bürger teilgenommen, was die historisch niedrigste Wahlbeteilgung seit der Wende 1989 ist. Trotzdem hat die Wahl gezeigt, dass es mit der Slowakei weiterhin bergauf geht. Denn ein bisschen langweilig kann nur eine funktionierende Demokratie sein. Jetzt stehen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor, da keine der beiden großen Parteien eine ausreichende Mehrheit bekommen hat, um alleine regieren zu können. Es wurde schon befürchtet, dass die Stabilität der letzten acht Jahre bald vorbei sein könnte. Doch die Ergebnisse scheinen die slowakische Welt nicht verändern zu können. Warten wir also, ob der bekannte k.u.k. Spruch – Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! – wieder aktuell wird. Die Zukunft der Slowakei liegt in Europa und weitere Neuordnungen notwendig sind, um bis 2009 den Euro einzuführen. Viele fordern deswegen eine Fortsetzung der Reformen der vergangenen Jahre. Die Zeichen stehen nicht schlecht. Und das freut mich sehr. Von Michal Hvorecky ist im Frühjahr im

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