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Italien ist das Schlusslicht Europas

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"Wir werden mit Heiterkeit regieren, um das Land zu einen" kündigte Prodi schon in der Nacht zum Dienstag an. Von dieser Heiterkeit werden die Italiener in den nächsten Jahren eine ganze Menge brauchen. Denn wenn wir Deutschen in den vergangenen Monaten dachten, wir seien das „Schlusslicht Europas“, dann nur, weil uns die Politiker und manche Medien etwas weis gemacht haben. In Italien nämlich sieht es gerade bei Themen, die wir rauf und runter diskutieren noch weit düsterer aus. Deshalb hier, quasi als Trost für uns Deutsche und als eine Art Arbeitsanweisung für die neue italienische Regierung die fünf Statistiken, in denen Italien das Schlusslicht Europas ist!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

1. Lebensqualität Düsseldorf lebenswerter als Mailand? Man kann es sich kaum vorstellen, gilt doch für uns hier nördlich der Alpen Geborenen dieses Italien als Inbegriff von Lebensqualität. Italiener haben: immer schönes Wetter, gutes Essen, guten Wein und gut angezogene Menschen, die alles ein bißchen lockerer sehen. Der jährlich erscheinende weltweite „Quality-of-living“-Bericht hat nun aber festgestellt, dass es sich in italienischen Städten gar nicht gut lebt. Unter den Top 50 lebenswerten Städten findet sich aus Italien nur Mailand. Auf Platz 50. Deutschland wird dagegen sogar sechs Mal erwähnt: Düsseldorf, Frankfurt und München liegen auf den Positionen 6,7, und 8. Forza Düsseldorf! 2. Hochschul – und Forschungspolitik Überfüllte Hörsäle, schlecht gelaunte Professoren, mangelnde Betreuung, ewige Studienzeiten, Braindrain – das kennt man auch von deutschen Hochschulen. Aber dass Studenten ihr eigenes Toilettenpapier mitbringen müssen, dass sie höchstpersönlich durchgebrannte Glühbirnen und kaputte Drucker ersetzen, das ist hier dann doch undenkbar. An den staatlichen Hochschulen in Italien sieht es mittlerweile fast in allen Instituten so jämmerlich aus. Der Grund? Im Jahr 2003 hat die Bildungsministerin Letizia Motti die Ausgaben für die staatlichen Hochschulen um 40 Prozent gesenkt, die für private Unis um 15 Prozent angehoben. Während Länder wie Großbritannien die Investitionen in Forschung regelmäßig erhöhen, während Schweden fast vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Wissenschaften steckt (das ist Weltrekord!) und wir immerhin im soliden Mittelfeld vor uns hin dümpeln, ist Italien weit abgeschlagen. Unter Berlusconi ist Italien zu dem Land in der EU geworden, das am wenigsten in die wissenschaftliche Forschung investiert – noch nicht einmal ein Prozent des BIP. Die Zukunftsaussichten für Hochschulabsolventen, die an der Uni bleiben wollen, sind düster, weshalb die meisten Absolventen in die USA oder andere EU-Länder auswandern. 3. Geburtenrate Seitdem im März eine neue Ausgabe der Studie „Die demografische Lage der Nation“ und Frank Schirrmachers Buch „Minimum“ erschienen sind, tobt durch Deutschland wieder die „Warum-kriegen-wir-so-wenig-Kinder“-Debatte. Die deutsche Frau gebärt im Durchschnitt nur circa 1,4 Kinder. Wenig? Pah! In Italien bringen die Frauen noch weniger Kinder auf die Welt: dort liegt die Kind pro Frau-Quote zwischen 1,2 und 1,3. Und das trotz Katholizismus. Okay, in Spanien, Griechenland und Osteuropa sieht es auch nicht besser aus als in Italien, aber darum geht es hier ja gerade nicht. Die Gründe für die Kinderlosigkeit in Italien sind vor allem die wirtschaftliche Unsicherheit und das schlechte Betreuungsangebot für Kinder. 4. Wirtschaftswachstum: Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet damit, dass die Weltwirtschaft in den nächsten beiden Jahren um über vier Prozent wächst und spricht sogar vom stärksten Aufschwung seit langem. Deutschland bringt das wenig: Der IWF sagt für uns ein Wachstum von gerade mal 1,4 Prozent voraus. Selbst diese Prognose ist aber noch besser als die italienische: Unter Berlusconi, der 2001 als entscheidungsfreudiger thatcheristischer Reformer ins Amt gewählt wurde, sind die Staatsschulden rasant gestiegen und liegen bei 106 Prozent des Bruttosozialprodukts. Prozentual gesehen hat Italien damit die dritthöchsten Staatsschulden der Welt. Im Jahr 2005 betrug das Wirtschaftswachstum 2005 null Komma null Prozent und auch 2006 erlebt das Land bisher ein Nullwachstum. Über die vergangenen fünf Jahre hinweg hatte Italien mit 0,7 Prozent das geringste Wirtschaftswachstum aller europäischen Länder und liegt, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht auf Rang 53 unter 60 Ländern. Die Inflation steigt rasant, ebenso die Arbeitslosigkeit: im Süden Italiens liegt die Arbeitslosenquote bei 35 Prozent. Das Einzige, das in den letzten Jahren zugenommen hat, sind Korruption, illegale Bauaufträge und Steuerhinterziehung. 5. Jugendarbeitslosigkeit: Wir machen uns Sorgen um unsere Zukunft? Darüber, dass wir in einer Praktikumsschleife hängen bleiben und junge Menschen keinen Ausbildungsplatz bekommen? Was sollen da erst die italienischen Jugendlichen sagen. Während die Jugendarbeitslosigkeit bei uns mit 15 Prozent im Vergleich zu vielen westeuropäischen Ländern schon hoch ist, liegt sie in Italien sogar bei 23,6 Prozent. Noch größere Probleme einen Job oder eine Lehrstelle zu finden, haben nur Jugendliche in Griechenland, der Slowakei und Polen. Illustration: Dirk-Schmidt

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