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Auf der Seitenflanke der Bühne, auf der Karpatenhund an jenem Sonntagnachmittag im August stehen, ist ein Slogan aufgedruckt. "Runter vom Gas" steht da, und das steht da vor allem, weil Tag der offenen Tür im Verkehrsministerium ist. Doch die Natur solcher Veranstaltungen ist die, dass das ersehnte Pop-Jungvolk nur grüppchenweise auftaucht. Insofern lesen den Slogan vermutlich nur die Band, der Minister, sein Personal und die Damen und Herren, die in einem weißen Zelt am Rand des Ministeriumsgartens Lasagne und Tortellini auf weiße Pappteller schaufeln. Aber dass die Wirkung verpufft, ist schon in Ordnung, denn dieses "Runter vom Gas" passt auch inhaltlich zu Karpatenhund. Wo das Debüt vor gut zwei Jahren zumindest teilweise noch arg Richtung Mainstream schielte, sind jetzt auch musikalisch deftige Sollbruchstellen zu hören. Das beißt sich wunderbar mit der spätsommerlichen Hochzeitsfest-Atmosphäre des Nachmittags, mit den feinen Kleidern von Sängerin Claire Oelkers und Bassistin Stefanie Schrank, mit den weißen Stehtischen und Pavillons auf dem grünen Flauschrasen und mit den älteren Herrschaften.

Einige Wochen vorher: Drei Fünftel von Karpatenhund sitzen in einem japanischen Restaurant in der Kölner Innenstadt, nicht dabei sind Gitarrist Jan Niklas Jansen und die neue Schlagzeugerin Saskia von Klitzing. Stefanie ist glücklich, weil sie eine wichtige Prüfung hinter sich hat. Björn Sonnenberg, Hauptsongwriter, und Claire scheinen ein wenig aufgekratzt. Sie waren gerade mit einem Radiosender Seilbahn fahren. Dass es mit "Der Name dieser Band ist Karpatenhund" eine zweite Platte der Kölner Band gibt, ist schon eine Nachricht. Denn leicht hatten es Karpatenhund mit ihrem Debüt nicht. Die Rezeption im Indie-Volk fiel muffig aus, wozu man vielleicht wissen muss, dass die Band aus großen Teilen aus Mitgliedern der Pop-Formation Locas In Love besteht - und deren Joint Venture mit MTV-Moderatorin und Schauspielerin Claire Oelkers und die Unterschrift bei einem Major-Label, vielleicht auch die gemeinsame Tour mit Juli brach gewissermaßen die harten Gesetze der Szene. Mit Absicht, wie Björn betont: Ein "KLF- oder Wallraff-mäßiger Masterplan" sei's anfangs gewesen, der bewusste Versuch, die Popwelt mit guten Melodien, aber auch einer Portion Klugheit aufzumischen. "Vielleicht war diese Herangehensweise zu naiv. Vielleicht haben wir uns damit angreifbar gemacht.", sagt Claire heute. Geschenkt - denn das zweite Album "Der Name dieser Band ist Karpatenhund" dürfte alle Mimositäten beseitigen - weil Pop in oben genannter Definition nicht mehr stattfindet. "Auf dem Debüt hatten wir viele Brüche drinnen. Wir haben diesmal versucht, keine Umwege zu gehen und ganz nüchtern mit den Songs umzugehen. Wir haben das Düstere klarer definiert." Karpatenhund haben eine Platte aufgenommen, die oft ohne Refrains auskommt und dafür auf treibende Strukturen setzt und ihre Wurzeln im kargen Indiepop der Frühachtizger und im Shoegazing der 90er-Jahre hat. Als Paradigmenwechsel möchte die Band das aber nicht verstehen. "Dieses Gebrochene, das war bei Karpatenhund ja schon immer da. Und auch die musikalischen Strukturen, die jetzt dominieren, findest man auf dem Debüt", erklärt Sonnenberg. Mag sein, aber trotzdem: Songs wie "Rorschach" oder die erste Singleauskopplung "Wald" sind schon ganz schöne Monolithen. Textlich wird hier eine Trauerarbeit geleistet, die vor allem deshalb so sehr unter die Haut geht, weil sie ohne jeden Lösungsansatz arbeitet, dem Hörer nicht mit diesem ekelhaften "Wirdschonwieder"-Duktus auf die Schulter klopft. "Ich bin so leer wie die Straßen einer Kleinstadt nachts um halb drei. Wenn Du mir jetzt tief in die Augen siehst, wirst Du merken: Da ist exakt gar nichts mehr. In letzter Zeit hab' ich sogar festgestellt, dass ich keinen Schatten mehr werfe, auch das ist vorbei. Ich glaub', ich lös' mich langsam auf", heißt es da, an anderer Stelle: "Das Glas ist nicht halbleer, ist nicht halbvoll. Es ist ganz leer - ich wusste nicht, was die Frage soll." Die Single "Wald":

So komisch das klingen mag: Dieses Desaströse ist für Björn eine Herzensangelegenheit. "Traurige Songs," erklärt er, "sind einfach so oft Unsinn: Dieses ganze 'Du hast mir das Herz gebrochen, jetzt zeig' ich's Dir'-Ding ist doch Bullshit. Da tut man ja einfach so, als gäbe es den Schmerz nicht. Da weigert man sich, sich den Tatsachen zu stellen und einen Umgang damit zu finden. Unsere Texte sind sicher auch ein Appell, nicht in diesen Wettbewerb der Selbstbehauptung einzusteigen." Das eint übrigens

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