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Keine Shirts von einem toten Torwart

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Menschen wollen trauern dürfen. Und manchmal gehört dazu eben auch ein T-Shirt als Andenken. Als Michael Jackson noch nicht einmal unter der Erde war, da wurden die sogenannten Gedächtnis-Shirts – mit dem Konterfei des Verstorbenen und einem entsprechenden Text – schon fast zu einer Art Kultobjekt. „Du magst Michael? Dann trag das Shirt!“, lautete die Devise. Wenn die Menschen Michael wollen, dann wollen sie bestimmt auch Enke, denkt sich Timo Raber, 27. Selbst ein großer Fan des Torwarts, beginnt der junge Geschäftsmann einen Tag nach dessen Tod, selbstproduzierte Enke-Gedächtnis-Shirts über seinen Shop bei Ebay zu verkaufen. Wo sonst Rollstühle, Sportschuhe, Dessous und Fanschals zu kaufen waren, gibt es nun auch Enke. Doch Timos Angebot entzweit die Fans. Neben zahlreichen Bestellungen bekommt er Hass-Mails und Drohungen geschickt. Mehr als 200 davon in fünf Stunden. Was er mache, sei absolut „geschmacklos“, er sei ein „ekelhafter Mensch“ und er solle „verrecken“, steht da. Auch sein Privatleben bleibt von den Hass-Tiraden nicht verschont. Unter ein Foto im Portal Studi-VZ, das ihn zusammen mit seiner Freundin zeigt, hat ein User geschrieben: „Was bezahlt man eigentlich dafür, um sich mit einer Nutte ablichten zu lassen?“ Und auf seiner Pinnwand, die für jeden einsehbar ist, entsteht derweil eine Diskussion darüber, ob es ethisch korrekt ist, mit dem Tod anderer Menschen Geld zu verdienen. jetzt.de: Wie bist du auf die Idee gekommen, solche T-Shirts zu verkaufen? Timo: Ich habe die Shirts nach dem Tod von Michael Jackson zum ersten Mal bewusst gesehen. Es gibt Leute, die ehren einen verstorbenen Menschen mit so einem Shirt. Ich wollte allen Fans die Möglichkeit geben, ihre Trauer über den Tod von Robert Enke auszudrücken. Um eine Sache direkt klarzustellen: Mir ging es dabei nie um den Profit. Es war immer geplant, einen Teil des Erlöses an die Stiftung „Kinderherz“ zu spenden, für die Robert Enke Botschafter war. Wie hast du denn die ersten Reaktionen auf dein Angebot bei Ebay erlebt? Die ersten Reaktionen waren durchaus positiv. Ich bin sogar gefragt worden, ob ich nicht auch individuelle Shirts drucken kann. Aber dann kam plötzlich auch vermehrt negative Kritik. Am Anfang war das noch harmlos, aber dann wurde es immer schlimmer und ist richtig ausgeartet.

Timo Wie genau ist das denn abgelaufen? Zuerst habe ich über meinen Ebay-Account Dutzende Mails bekommen, dann über die Mail-Adresse meiner Firma. Und zum Schluss kamen noch die Benachrichtigungen über die Einträge auf meiner Pinnwand im Studi-VZ. Da habe ich mich schon erschreckt, wie schnell so etwas gehen kann. Hast du irgendwann einmal Angst bekommen wegen der ganzen Sache? Dass jemand dich vielleicht auch privat aufsuchen könnte? Nein, Angst habe ich keine. Ich habe ja auch nichts Schlechtes gemacht. Und meine Freunde teilen meine Meinung. Hattest du denn nicht damit gerechnet, dass das passieren könnte? Ehrlich gesagt nicht. Ich hatte nur mit positiven Reaktionen gerechnet. Kannst du die Fans denn verstehen, die sagen, es sei geschmacklos, solche Shirts zu verkaufen? Natürlich verstehe ich sie auf eine Weise und akzeptiere das – aber dann dürfte es meiner Meinung nach auch keine Fernsehbericherstattung geben. Und wer die Shirts schlecht findet, braucht sie ja auch nicht zu kaufen. Hast du denn auf die ganzen Mails geantwortet? Ich habe kurz darüber nachgedacht und bin aber nicht darauf eingegangen. Ich glaube, das hätte sowieso keinen Sinn gehabt. Wie geht es denn jetzt weiter mit dem Verkauf? Und würdest du so etwas noch einmal machen? Den Verkauf habe ich mittlerweile eingestellt, aber das hat andere Gründe. Ich muss halt irgendwie einen Bezug zu dem Menschen haben – dann könnte ich mir auch durchaus vorstellen, dass ich so etwas noch einmal anbiete.

Text: jan-filipzik - Foto: privat

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