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Kunst Kauf Rausch: Die Suche nach dem perfekten Bild - Teil 3: Galerien

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Die Galerie ist ein großer Raum mit einem offenen Hinterzimmer. Wenig Möbel, viele Bilder, in großem Abstand zueinander gehängt, alles quietschmodern. Kein einziges gegenständliches Motiv, eine Armee aus Farben und abstrakten Formen, befohlen von einigen einsam vorstehenden Skulpturen aus rostigem Metall und geschliffenem Marmor. Der Galerist ist ein gut aussehender Mann Mitte 40 mit etwas längerem Haar und tollen grauen Strähnen. Eine Mischung aus dem reifen George Clooney und dem jungen Burt Lancaster. Ich erläutere ihm mein Anliegen und deute auf eines der Werke. „Was kostet dieses hier?“ Ein Anderthalb-Meter-Quadrat ohne Titel, an dem zinnoberrote, hellgraue und himmelblaue Ölfarbe über dreieckige Reliefs herabzufließen scheint. „Das da?“ Er schaut nicht mal hin. „So zwei-sieben. Der Künstler malt nicht mehr, macht mittlerweile nur noch Skulpturen aus Holz.“ Ich erkläre, dass ich solche Beträge leider nicht bezahlen kann. „Dann werden Sie es schwer haben etwas wirklich Gutes zu finden. Wenn es so groß sein soll wie das hier, dann kommen Sie kaum unter 3000 weg.“ Und weil mir Clooneys Bilder sowieso alle zu abstrakt und aufregend sind, gehe ich ein paar Straßen weiter.

"Herkules und Omphale" von Lucas Cranach (1533); Versteigerungswert (Sotheby's, 2000): ca. 500.000 Euro „Was wollten Sie denn so ausgeben?“, lautet gleich die erste Frage in der nächsten Galerie. Und obwohl die Galeristin damit genau den Knackpunkt trifft, bin ich erschüttert. Ich hätte jede Einstiegsfrage geduldet – nach Epoche, Stil, sogar nach meiner Wohnungseinrichtung. Aber nach dem Preis? So entgegne ich schnippisch: „Auf keinen Fall mehr als 5000.“ Die Galeristin schnippt zurück: „Oh. So spendabel hätte ich sie gar nicht eingeschätzt.“ Ich gehe. Vielleicht liegt hier das Problem: Ich sehe einfach nicht aus wie einer, den man als Kunstkäufer ernst nimmt. Ich fahre heim, ziehe mich um. Tweedsakko, Anzughose, Lederschuhe, Lesebrille. „Guten Tag“, rufe ich zackig, als ich energisch in die nächste Galerie schreite, „mein Name ist Guido von Strelitz-Küfenburg, Sie wurden mir empfohlen, ich suche ein Geschenk für meine Eltern.“ Der Galerist steht hinter einem antiken Schreibtisch und ist von meinem Auftritt überhaupt nicht beeindruckt, was mich in der Wahl meiner Tarnung bestätigt. „Warten Sie, ich mach das hier noch zu Ende, dann führ ich sie herum.“ „Nicht an der Nase, will ich hoffen, mein Bester, hah hah“, witzele ich schlecht, nur um die Tarnung aufrecht zu erhalten. Zurecht ignoriert der Galerist meinen Scherz. Er ist alt und hat eine rote Nase. „Alles was hier hängt“, erklärt er, „ist aus diesem Jahr. Die Preise stehen daneben, sind aber ohne Mehrwertsteuer. Im Zweifelsfall würde ich Ihnen die aber auch erlassen.“ „Aha“, denke ich, „da haben wir’s: Wer hat, dem wird gegeben.“ Doch selbst ohne Mehrwertsteuer ist keines seiner Stücke in meiner Preisklasse. Um mir das nicht anmerken zu lassen, täusche ich vor, es sei nicht das Richtige dabei und verlasse die Galerie. „’Traum II’ – 250,- Euro“ steht auf einem kleinen handgemalten Preisschild im Schaufenster. Es gehört nicht zu einer Galerie, sondern zu einem kleinen Laden mit orange getünchten Wänden. „Traum II“ ist eine Kreidezeichnung, circa 70 mal 100 Zentimeter groß. Weich und flächig ruht die staubig-stumpfe Farbe auf dem Untergrund und strahlt eine beige-orangefarbene Wärme aus. Ein unscharfer Kreis, der sich glimmend nach außen ausbreitet, ohne den Naturholzrahmen des Bildes zu berühren. Ein sehr meditatives Motiv. Ich betrete den Laden. Aus unsichtbaren Lautsprechern perlt „Tibetische Harmonie“, in einer Ecke steht ein Zimmerbrunnen, Bücher mit esoterischen Titeln füllen hölzerne Regale; es riecht nach Patchouli und Baumwolle.

Die Münchner Künstlerin Anne Bleisteiner isst eine Banane vor ihrer Bilderwand (Foto: ap, 2001) „Hallo?“, rufe ich in den Raum, denn es ist niemand zu sehen. „Jaha, hallo“, ruft es von irgendwo zurück. „Kommen Sie mal eben her, Sie müssen uns helfen.“ Ich orte die beherzte Frauenstimme im angrenzenden Nebenzimmer mit der Aufschrift „Kein Ausgang“. Dahinter reckt sich unbeholfen eine große, beleibte Frau mit langem rotem Haar und gewandartiger Kleidung in den Farben von „Traum II“. Sie umklammert den in etwa zwei Metern Höhe angebrachten Spülkasten für die Toilette - offenbar, um ihn am Herunterfallen zu hindern. Zu ihren Füßen kniet ein schwarzhaariger Mann mit einem Schnurrbart, einem grauen Kittel und einer Rohrzange in der Hand. „Ich wollte nur mal eben wegen dem Bild…“, sage ich, doch die Traumfrau unterbricht mich: „Kannste mal den Spülkasten halten? Herr Yilmaz braucht eine Spreizschelle, aber wenn ich loslasse“, sie lacht plötzlich albern, „dann gehen wir alle baden. Hahaha.“ Später, als die Situation weitgehend unter Kontrolle gebracht ist, ich aber immer noch mit hochgereckten Armen den Spülkasten festhalte, fällt der Frau wieder ein, dass ich ein Kunde bin. „Suchst du eigentlich was Bestimmtes?“, fragt sie mich, während sie den Fußboden wischt und Herr Yilmaz das Wasserrohr fixiert. „Ich suche ein Bild“, sage ich. „Kein bestimmtes, aber ein erschwingliches. Ich habe im Fenster das Traumbild gesehen und fand es vergleichsweise günstig. Da dachte ich…“ „Da dachtest du, hier kannst du Geld sparen, was?“, liest die Traumfrau meine Gedanken und lacht. Sie ist nett und lacht viel. „Die Bilder sind alle von mir. Ich verkaufe sie ungern, denn es sind Visionen, die ich habe, wenn ich meditiere, weißt du. Aber von irgendwas muss man ja leben, und die Bilder verkaufen sich ganz gut.“ „Wussten Sie“, konfrontiere ich, „dass Sie für ein solches Bild locker das Vierfache verlangen könnten, ohne dass sich jemand wundern würde?“ „Ich immer sage so“, mischt sich Herr Yilmaz ein, ohne aufzublicken. „Immer mache viel zu billig diese. Andere Mann, Goethestraß, immer hässliche Bilder – viertausend Euro, fünftausend Euro!“ Die Traumfrau winkt ab. „Ja ja, aber es geht doch nicht nur um Geld. Ich bin keine echte Künstlerin – ich male aus Freude. Und wenn ich für ein Bild, das mich drei oder vier Stunden Arbeit gekostet hat, 250 Euro kriege, dann ist das doch genug. Wenn es mir nur um den Profit gehen würde, könnte ich auch Crack verkaufen.“ Ein einleuchtender Standpunkt. Wieviel Crack kann man sich wohl kaufen, wenn man einmal die Woche ein Bild für 3000 Euro verkauft, frage ich mich, während mir die Traumfrau in ihrem Laden ihr Portfolio präsentiert. „Traum I“ hat mich dann nicht so umgehauen. Ehrlich gesagt sah es „Traum II“ zum Verwechseln ähnlich. Die anderen Bilder der Traumfrau übrigens auch. Trotzdem hat sie mir für meine sanitäre Hilfe ein Buch geschenkt: „Träume malen und verstehen“ von B. Egger. Ich wage nicht es zu lesen. +++ Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2 der Kunst Kauf Rausch-Kolumne

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