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Lass die Sachen an. Es ist kalt draußen.

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Bald ist 2006 – höchste Zeit sich auszuziehen. Schnell zum Fotografen um die Ecke und ein paar Schwarzweißfotos mit extra Weichzeichner machen. Diese dann noch rasch auf den vorgefertigten Bastelkalender kleben und dem Freund unter den Weihnachtsbaum legen: Fertig ist die Top-Weihnachtsüberraschung. Leider bist du zu viel zu spät dran. Dein Freund hat wahrscheinlich schon den Nacktkalender der Landfrauen aus der Nachbargemeinde bestellt oder posiert gerade selbst bei einem Akt-Fotoshooting mit seiner Skatmannschaft. Nicht nur vor Seifenopern- und Popstars, sondern auch vor den erotischen Kalendern der Hobby-Nackten bist du 2006 nirgends mehr sicher. Und es könnte dein Nachbar sein. Denn die Idee, sich mit einem Akt-Kalender etwas dazu zuverdienen, wird mittlerweile inflationär umgesetzt. So bleibt kein schlüpfriger Altherren-Traum mehr unerfüllt: Skilehrerinnen, Bauernmadel oder Studenten kann man im Kalenderformat kaufen und dazu die Gewissheit, dass es ganz echte Menschen sind. Meist steht dahinter ein ebenso echter guter Zweck. Im Sinne von „Ich war jung und tat es für den Turnverein“ entblößt sich die Jugend nicht grundlos. Für die Vereinskasse, gegen Studiengebühren oder für die Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ wird der Gewinn aufgewendet. Ein bisschen PR gibt’s natürlich obendrauf. Der Volleyball Club Wiesbaden zeigt nur die schönen Beine seiner Spielerinnen. Anderswo driftet das Ganze schnell auf Sexfilmchen-Niveau ab. Weil sich angeblich außer Sex nicht mehr viel auf Abi 06 reimte, haben sich Abiturientinnen aus Magdeburg ausgezogen. Nicht ganz nackend dennoch mit tribute to Schulmädchenreport werben sie für ihr Produkt unter www.hochschulreife-macht-sexy.de. Eher die Sparte „Alpenglühen“ bedienen dafür die Bayrischen Jungbäuerinnen und die Skilehrerinnen vom Arlberg. Wer glaubt, kirchliche Gruppen würden gegen den Kalenderwahn mit einer Auswahl von „Die besten Altäre“ oder „Dome und Münster 2006“ angehen, irrt. Die evangelische Jugendaus Nürnberg-Katzwang beispielsweise will mit Aktbildern in der Kirche die Jugendarbeit finanzieren. Die Katholiken geben sich bedeckt, warten dafür aber mit geweihten Protagonisten auf. Priester aus Rom, ähnlich hübsch wie Gucci Models, schauen zugeknöpft und mit sehnsüchtigem „Du-kannst-mich-doch-nicht-haben-Blick“ vom beliebtesten Kalender Italiens. Es sind jedoch nicht nur Frauen, die sich für ihren Verein mit nackter Haut engagieren. Vielleicht haben sogar die Männer damit angefangen. Genauer, die Feuerwehrmänner aus New York und Washington. Seit mehr als 10 Jahren zeigen sie ihre Muskeln, vor allem wohl den Fans der Chippendales. Wer keine erotischen Feuerwehrmänner möchte, muss heute auf absolut sexlose Dinge umsteigen. Modelleisenbahnen beispielsweise. Vielleicht auch Autos. Dummerweise werden traditionsgemäß neben Sportwagen leichtbekleidete Models abgestellt. Bei den Pirelli Reifen sind, etwas exklusiver, auch schon mal halbnackte Supermodels abgelichtet. Allerdings meist ohne Reifen. Fahrradfreunde wollen nun beweisen, dass man sich auch Mountainbikes ganz exzellent um die sexy Hüfte wickeln kann. Man ahnt schlimmes: Was kommt als nächstes? Carrera-Bahnen und Sporthundvereine? Ich denke daran, wie mein Nachbar aussieht und kann nur beten: Bitte, lieber Weihnachtsmann, bring dieses Jahr wieder den Hundertwasser- Kalender. (Bild: SZ)

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