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Leben im Streik

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Seit letztem Donnerstag halten Studenten das Audimax der Universität Wien besetzt. Sie solidarisieren sich nicht nur mit der seit 20. Oktober besetzten Akademie der bildenden Künste Wien, sondern auch mit internationalen Bildungsprotesten. Ihre Bildung sehen die Studierenden in einem neo-liberalen System immer mehr zu einem Wirtschaftsfaktor verkommen - und wehren sich dagegen. Ein Teil der Forderungen, die in zahlreichen Arbeitsgruppen und offenen Plena beschlossen wurden: Grundlegende Umgestaltung des BA/MA-Systems. Freier Hochschulzugang. Demokratisierung und Ausfinanzierung der Universitäten. Barrierefreies Studieren an allen österreichischen Universitäten. 50 Prozent Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals. Für die nächsten Tage sind neben der Aufrechterhaltung der Besetzung auch Aktionen in der Öffentlichkeit geplant. Aufgeben will niemand. Stattdessen werden Zusammenschlüsse mit anderen protestierenden Berufsgruppen, etwa Kindergärtnerinnen, diskutiert. Das Audimax entwickelt sich immer mehr zu einem kleinen Mikrokosmos. jetzt.de hat sich dort umgesehen.

Christoph, 22, studiert Politikwissenschaften und Philosophie. Er ist Teil der Gruppe "Barrierefreies Studieren", die sich für die Umsetzung des Behinderten-Gleichstellungs-Gesetzes einsetzt. Seit mehr als 24 Stunden steht er „fast durchgehend“ am Info Point und gibt Auskunft, wann welches AG-Treffen ist und wo sich der Schlafsaal befindet. Ihm gefällt die Idee der dezentralen Organisation. „Es gibt keinen Zuständigen für den Info Point. Wir organisieren uns selbst und auf freiwilliger Basis. Und es funktioniert.“

Robert, 27, gehört zur AG Straßentheater und Putztrupp. Theater auf der Straße spielt er, weil „wir nur erfolgreich sein können, wenn wir die Probleme des österreichischen Bildungssystems mit allen Betroffenen kommunizieren.“ Die Gänge im Audimax putzen er und der restliche Putztrupp, weil sie den Vorwurf der österreichischen Presse entkräften wollen. Nämlich, dass der Protest eigentlich nur eine „Party-Partie“ sei. „Schließlich geht es hier um Inhalte. Und darum, gemeinsam eine Verbesserung herbeizuführen.“


Julia, 19, macht gerade Guacamole. Als Teil der AG Volxküche sorgt sie für die Verpflegung der Besetzer. „Damit was weitergeht, brauchen die Leute auch gutes Essen.“ Und sie legt großen Wert darauf, dass es nicht nur gut, sondern auch gesund ist. Alles ist vegan, meistens gibt es Eintöpfe mit Getreide, zum Beispiel Couscous. Finanziert wird die Volxküche durch freiwillige Spenden der Studierenden.

David, 22, gehört zur Gruppe der Kultur- und Sozialanthropologen und bastelt gerade Plakate für morgen: Da ist nämlich Aktionstag. Die Studierenden gehen an ihre Institute, klären über Gründe und Ziele des Protestes auf und suchen Unterstützer. Vor allem wollen sie versuchen, Kooperationen mit den Lehrenden aufzubauen. „Das würde unsere Bewegung auf eine höhere Ebene bringen.“


Ako, 21, gehört zur AG Mobilisierung. Grade schickt er eine Mail an einen befreundeten Grafiker mit der Bitte, Flyer für eine Veranstaltung an der PoWi (Politikwissenschaft) zu gestalten. „Ich glaube nicht, dass es reicht, alle vier Jahre wählen zu gehen“, sagt er. „Man kann nicht einfach die Verantwortung an die Politik abgeben. Man muss selbst etwas machen. Und zwar zusammen – Politik macht man nicht für sich alleine.“

Sarah, 23, studiert eigentlich Jura und Soziologie. Bei der Besetzung war sie zuerst nur „Zaungast“. „Eine leicht träge Grundhaltung, typisch österreichisch eben“, lacht sie. Mittlerweile kümmert sie sich bei der AG Presse um das Bild der Besetzung in den Medien. „Das ist enorm wichtig. Es würde wenig Sinn machen, wenn wir nur im Saal sitzen und nichts nach außen dringt.“ Sie findet es toll, wie schnell sich die Leute der AG Presse in ihre Aufgaben eingearbeitet haben. „Alles funktioniert reibungslos – und das ohne jede hierarchische Struktur.“

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