Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Liebe auf Italienisch

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Sex im Auto kennen wir nur aus schnulzigen Hollywood-Streifen oder aus den Erzählungen der Eltern. In Italien ist Auto-Sex total normal. Und nicht nur der: Mit dem geflügelten Wort „Andiamo in Camporella“ bezeichnen Italiener das landläufige Phänomen Out-Door-Sex im Park, am Strand oder gar auf dem Friedhof. „Fast alle meine Freunde haben ihre ersten sexuellen Erfahrungen im Auto oder sonst wo draußen gemacht“, sagt Viviana (28) aus Süditalien. Die Flucht nach draußen ist dabei weniger Abenteuerlust geschuldet als Notwendigkeit: In Italien leben die Kinder sehr viel länger daheim bei ihren Eltern als in Deutschland. Mit 25 Jahren haben erst 30 Prozent der italienischen Männer eine eigene Wohnung. In Deutschland sind es 70 Prozent. Dazu kommt, dass man den Eltern oft seinen Partner erst vorstellt „wenn es auch der fürs Leben ist“, sagt die 29-jährige Catia aus Rom. Dass der dann bei einem daheim übernachten darf, ist damit noch lange nicht gesagt. jetzt.de sprach mit Catia und sechs anderen jungen Italienern abends auf der Piazza Santa Maria im Szene-Viertel Trastevere, wie die Liebe in Italien funktioniert.

Luca, 22, Angestellter und Martina, 18, Schülerin Luca ist aufgeregt: Morgen wird er seinen Eltern seine erste offizielle Freundin vorstellen, Martina. Ihre Eltern kennt er schon, er hat sogar schon bei ihr übernachtet: „Aber nur heimlich, als ihre Eltern nicht daheim waren.“ Martina will auch nach der morgigen Eltern-Präsentation nicht bei Luca schlafen: „Ich schäme mich da irgendwie.“ Bis sie von daheim ausziehen werden, müssen sie sich also draußen treffen. Auf den quirligen Plätzen wie der Piazza Santa Maria in Trastevere oder an Orten, an denen die Liebe konkreter wird, wie dem Gianicolo-Hügel. Nicht nur wegen des romantischen Blicks über ganz Rom ist er einer der beliebtesten Outdoor-Treffpunkte für junge Römer. Dass viele Italiener oft bis in die späten 20er daheim wohnen, erklären Luca und Martina unter anderem damit, dass es in Italien weder Lehrlingsgehalt noch Studienbeihilfen wie BaföG gibt: „Wir sind finanziell total von unseren Eltern abhängig“.


Catia, 29, Zahnarzthelferin Catia ist gleich am ersten Abend mit zu ihrem letzten Freund nach Hause. „Seine Eltern waren viel offener als meine. Ich glaube, dass Eltern auf ihre Töchter sehr viel mehr aufpassen. Bei den Jungs ist das immer unkomplizierter.“ Trotzdem sind sie manchmal zum nahe gelegenen Strand nach Ostia gefahren oder sind gleich im Auto geblieben. Ihren Eltern hat sie ihren Freund erst nach zwei Jahren vorgestellt. Wenn vorstellen, dann sollte es auch der Richtige sein. „Als wir uns getrennt haben war es für meine Mutter schlimmer als für mich. Sie hat tagelang geweint und fragt mich auch heute noch nach ihm.“ Catia lebt seit sechs Monaten mit ihrer Schwester zusammen, davor hat sie bei ihren Eltern gewohnt.


Stefano, 26, Schwimmlehrer Stefano hat keine Lust zum römischen Liebes-Hügel Gianicolo zu fahren: „Besonders romantisch ist es dort nicht, nachts stehen die Autos Schlange.“ Stefano ist darauf auch nicht angewiesen. Er kann seine Freundinnen mit nach Hause nehmen und sie dürfen bei ihm übernachten: „Ich habe das große Glück, dass meine Eltern eine sehr moderne Einstellung haben.“ Das sei aber die große Ausnahme in Italien, glaubt er. „Viele meiner Freunde müssen ein Hotelzimmer mieten, wenn sie sich mit ihren Freundinnen treffen, oder sie machen es eben gleich im Auto. Die Italiener tun immer so gläubig und keusch, das ist doch total scheinheilig!“ Vor allem die Mädels würden in Italien von ihren Eltern sehr viel strenger kontrolliert als anderswo in Europa. So sehr ihm der Gianicolo verhasst ist, so romatisch findet er jedoch Sex am Strand in Ostia: „Wenn ich wieder eine Freundin habe, dann fahre ich mit ihr dort hin.“

Monica, 35, Tanzlehrerin „Ich glaube nicht, dass Stefanos Fall repräsentativ für Italien ist“, sagt Monica. „Das sind doch fast schon deutsche Verhältnisse bei dir“, neckt sie ihren Kumpel. Sie war mit ihren Verflossenen immer mindestens ein Jahr zusammen, bis sie bei ihr übernachten durften. Offiziell versteht sich. Heimlich hat sie ihre Liebschaften schon vorher daheim eingeschleust, wenn die Eltern zum Beispiel im Urlaub waren. Aber auch an ganz normalen Nachmittagen: „Ich habe dann behauptet, dass er nur ein Studienfreund sei, der mir beim Lernen helfe.“ Die Eltern hätten die Flunkereien zwar durchschaut, aber so sei nach außen hin alles moralisch in Ordnung gewesen. Ausgezogen ist Monica erst mit 29 Jahren. Wie die meisten jungen Italienerinnen aber nicht in eine WG, sondern direkt mit ihrem damaligen Partner zusammen.

Diego, 26, Architekturstudent, Kamila, 20, studiert Italienisch Bei Diego hat noch nie eine Freundin übernachtet: „Dafür habe ich zu viel Respekt vor meinen Eltern.“ Aber auch bei Kamila wird es schwierig zu schlafen: Sie wohnt mit fünf anderen Polinnen in einer Zweizimmerwohnung. Bis sie sich die teuren Mieten für eine Wohnung in Rom leisten können, müssen sie sich deshalb unter freiem Himmel oder in Diegos Auto treffen. Die beiden haben sich auf Skype kennen gelernt und sind erst seit zwei Tagen ein Paar. Weil ihre Liebe noch so jung war, wollten sie kein gemeinsames Foto. Nur ihre Schuhe durften wir fotografieren.

Text: anna-schleinzer - und kilian-kemmer

  • teilen
  • schließen