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Liebesprotokoll: Björn und die Wunschkandidaten

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Ich muss mich noch bei Björn entschuldigen. Denn als ich 13 war, habe ich seinen Liebesbrief (wahrscheinlich das Netteste, was Jungs in dem Alter schreiben können) zurückgeschickt. Samt beigelegtem Umschlag, Fotos, Fußballstickern und einer „Meld-Dich-nie-wieder-bei-mir-Nachricht“.

Später hatte ich gelernt, Zurückweisungen etwas galanter auszudrücken. Trotzdem gab es sie. Einige davon galten wie Björn eigentlichen Wunschkandidaten. Sie waren fast perfekt, Männer zum Heiraten. Die nichts falsch machten, mit denen es aber nicht ging, mit denen es häufig sogar gar nicht anfing. Dazu gehört Tobi, der gute Freund, mit dem man die ganze Nacht die Tanzfläche besetzen oder Muscheln am Meer suchen konnte. Der einfach immer an mich dachte, bei Prüfungen stets die Daumen drückte, aber irgendwann mehr wollte als Muschelsuchen. Das verstand ich erst, als er aus meinem Gerede einen kleinen Nebensatz herauspflückte und mir wie ewig heimlich gewünscht Blumen nach Hause schickte. Trotzdem konnte ich nicht mit ihm zusammen sein. Denn er war eben „nur“ ein Freund. Ihm das zu sagen, als er sein Liebesgeständnis aussprach, war einer der bittersten Momente. Schließlich mag man den anderen Menschen, wenngleich nicht „so“. Dann gab es noch den Spanier, dessen Küsse so göttlich schmeckten, dessen Drehungen mich schummrig machten, der jedoch in einer komplett anderen Welt lebte. Ganz abgesehen davon, dass er auch nach zwei Wochen nicht verstand, wie man meinen Namen aussprach, geschweige wovon ich sprach. Dieses Mal war das „mehr als Umarmen“ kein Problem. Aber es ging nicht. Zumindest nicht auf Dauer, weil das erste Prickeln und etwas Sexfeuerwerk schrecklich schnell erlischen. Zu den Wunschkandidaten gehörte auch der Mann aus dem Internet. Mediziner, gut aussehend, witzig, klug und mit Schwiegersohnpotential. Er war es, mit dem man sich über den großen Teich täglich mit Emails und geistreichen Herzlichkeiten bewarf, stundelang telefonierte, vieles versprach, sich aber irgendwie doch nie getroffen hat. Vielleicht auch, weil es doch ein bisschen seltsam bleibt, sich in Emails zu verlieben. Manchmal waren es komische Umstände, die Portion Schicksal, der fehlende Funke Mut, an denen es scheiterte. Oder irgendetwas anderes. Meistens aber war es ein kleines Detail, das fehlte: Das Verlieben. Die Fakten stimmten. In der Vorstellung und im Kopf passt alles perfekt zusammen, in der Realität, im Herz und Gefühl jedoch nicht. Von daher geht „verlieben“ einfach nicht zusammen mit „müssen“ oder „sollen“. Ungeschickterweise ist der vermeintlich Richtige oft genau der Falsche. Zum falschen Zeitpunkt, am falschen Ort, mit den falschen Vorstellungen. So habe ich auch Körbe bekommen, Zurückweisungen, Enttäuschungen erlebt, Taschentuchberge und Tränen triefende Augen vom vielen Weinen gehabt. Wegen des Freundes vom großen Bruder, der einen nie registrierte oder ernst nahm. Wegen des coolen Typs, an dessen Lippen und Wörtern ich hing, der sich aber als charakterlich uncool entpuppte. Wegen einer schönen Nacht, nach der er niemals anrief. Das heißt jetzt nicht, dass man nur die Bad Guys will. Auf keinen Fall. Aber häufig ist es schlicht unglaublich schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Ist es nicht eigentlich eine logistische Meisterleistung, wenn sich im ganzen menschlichen Durcheinander zwei treffen, die genau dasselbe empfinden? Dass sich wirklich beide lieben und nicht der eine mehr oder die andere weniger, klappt leider ganz oft nicht, wie rot geweinte Nasen und tausende Tagebucheinträge beweisen. Oft klappt es eben nicht. Manchmal aber doch.

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